Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden haben elf Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Einige gehören schon länger zur nationalen Spitze, andere feierten in diesem Sommer ihren Durchbruch. Wir stellen die neuen Deutschen Meisterinnen und Meister vor, heute Speerwerferin Kathrin Walter.
Kathrin Walter
TSV Bayer 04 Leverkusen
Bestleistung:
Speerwurf: 58,49 m (2025)
Erfolge:
Deutsche Meisterin 2025
Schon als Nachwuchsathletin verfolgte Kathrin Walter das Ziel, in der Leichtathletik als Leistungssportlerin durchzustarten. Am Anschluss an die internationale Spitze arbeitet die 25-Jährige noch. Verletzungen, eine eher späte Spezialisierung auf den Speerwurf und auch ihr Pharmazie-Studium sind Gründe dafür, dass die Athletin vom TSV Bayer 04 Leverkusen ihre sportlichen Möglichkeiten bisher nicht voll ausgeschöpft hat.
In den vergangenen beiden Jahren lief auch nicht alles komplett rund, dennoch nahm die Karriere mit einer Steigerung um insgesamt sieben Meter bis auf 58,49 Meter Fahrt auf. Mit ihrem Sieg bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer in Dresden stand die Aufsteigerin erstmals überhaupt auf dem nationalen Podest, und dann gleich ganz oben.
Die neue Meisterin ist überzeugt, dass auch Weiten von 60 Metern und mehr in ihr stecken. Damit möchte sie in Zukunft auch bei internationalen Meisterschaften dabei sein. Der Weg dorthin könnte sich allerdings noch etwas verzögern, denn in den kommenden zwölf Monaten möchte die angehende Apothekerin erst einmal mit dem noch fehlenden praktischen Jahr ihre Approbation abschließen.
Früh zur Leichtathletik, später zum Speerwurf
Mit der Leichtathletik begonnen hat Kathrin Walter im Alter von fünf Jahren in ihrer Heimat Oldenburg. Sie wollte ihrer fünf Jahre älteren Schwester nacheifern, die schon zum Training ging. Weil der BTB Oldenburg damals auch auf der Suche nach Personal war, stieg auch Mutter Regine gleich als Trainerin mit ein. Die Begeisterung war geweckt und die Familie wuchs mehr und mehr in ihr gemeinsames Hobby hinein.
Im Mehrkampf stellten sich bei Kathrin Walter erste Erfolge ein. Zum Beispiel als DM-Dritte im Siebenkampf ihrer Altersklasse W14 im Jahr 2014. Beste Einzeldisziplin war zum damaligen Zeitpunkt der Hochsprung, in dem sie damals mit 1,71 Metern sogar die DLV-Jahresbestenliste ihres Jahrgangs anführte. Damit kamen auch erste Gedanken auf, dass aus dem Sport einmal mehr werden könnte als ein Hobby. Die Betreuung lag weiterhin bei Mutter Regine, unterstützt wurden Planung und Trainingsgestaltung von Beatrice Mau-Repnak.
Fürs Studium nach Nordrhein-Westfalen
Etwas ausgebremst wurde die Leistungsentwicklung in den folgenden Jahren unter anderem durch Probleme mit der Knochenhaut. „Ich bin früh viel gewachsen.“ Laufdisziplinen verfolgte die Nachwuchsathletin infolgedessen weniger, die sowieso unten auf ihrer Beliebtheitsliste rangierten. „Mein Körperbau passte auch nicht so gut zum Hochsprung.“ So rückten in der U18-Zeit die Wurfdisziplinen in den Mittelpunkt. Bei der Jugend-DM 2017 belegte die damalige Schülerin beispielsweise Rang vier im Speerwurf (500 g; 45,32 m) und Rang sechs im Kugelstoßen (3 kg; 15,61 m).
Nach ihrem Schulabschluss 2018 suchte die Abiturientin eine Möglichkeit, ihr Wunschstudium Pharmazie mit der Fortsetzung ihrer sportlichen Karriere zu verbinden. Die sportliche Wahl des Standorts fiel auf Leverkusen, ihr Studium nahm die damals 18-Jährige in Düsseldorf auf. „In Leverkusen wurde mir nicht geraten, mein Studienfach nach dem Sport auszuwählen.“ Überzeugt hatte sie auch Matthias Rau als Trainer, unter dessen Anleitung die Spezialisierung auf den Speerwurf begann. Die Bestleistung der U20-Athletin lag zu diesem Zeitpunkt bei 44,66 Metern.
Wechsel zu Helge Zöllkau bringt Schub
Das zeitintensive Studium erlaubte in der U23-Zeit höchstens eine Trainingseinheit pro Tag, oft auch allein am Vormittag, bevor es zur Uni ging. Der Speer flog dennoch weiter, die Steigerung auf 49,61 Meter führte aber noch nicht in die nationale Spitze. Auch die Corona-Pandemie machte Fortschritte nicht einfacher. Größter Erfolg war in dieser Zeit Rang sechs bei der U23-DM 2021.
Dass Potential in der großgewachsenen Athletin steckt, sah auch Helge Zöllkau, der unter anderem schon 2015 Katharina Molitor zu WM-Gold und 2010 Linda Stahl (beide TSV Bayer 04 Leverkusen) zu EM-Gold im Speerwurf geführt hat. Er fragte Kathrin Walter, ob sie nicht in seine Trainingsgruppe wechseln möchte. „Ich habe mich geehrt gefühlt und dann ein Jahr den Sport in den Mittelpunkt gestellt.“ Ergebnis war, dass der Speer 2022 erstmals über die 50-Meter-Marke flog (51,35 m). 2023 verhinderte ein gerissenes Band im Ellenbogen weitere Fortschritte.
„2024 war ich dann in der ersten Saisonhälfte etwas verkrampft, weil ich unbedingt meine guten Werte aus dem Training umsetzten wollte." Immerhin reichte es erstmals zum Endkampf bei der DM in Braunschweig mit Rang acht (51,76 m). Danach ging es mit mehr Lockerheit mehrfach deutlich weiter. Zum Saisonabschluss landete der Speer bei 55,21 Metern. „Ich habe auch Zeit gebraucht, um das richtige Gefühl für den Speer aufzubauen.“ Das Gerät ist empfindlich. Dazugewonnene Kraft zu übertragen und die Technik dabei sauber zu halten, ist eine Herausforderung. Wegen der eher späten Spezialisierung gab es Nachholbedarf.
Auf dem richtigen Weg
Die Steigerung zum Abschluss des Sommer 2024 brachte Selbstvertrauen für den Aufbau der vergangenen Saison, die mit weiteren Bestleistungen begann. In Prag (Tschechische Republik) stellte die 25-Jährige mit 58,49 Metern ihre aktuelle Bestleistung auf. Auch 60 Meter kamen in Reichweite. Allerdings knickte die Studentin kurz danach zuerst mit dem linken und dann mit dem rechten Fuß um.
Erst bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden Anfang August waren wieder Würfe aus vollem Anlauf möglich. Und im sechsten Durchgang konnte sich Kathrin Walter dort nach einer konstanten Serie noch einmal steigern und mit 56,23 Metern vom zweiten auf den Platz ganz oben verbessern. Die erste DM-Medaille ist damit gleich aus Gold gewesen.
„Meine Entwicklung kommt für mich und mein Umfeld nicht überraschend“, resümiert die Deutsche Meisterin. „In den vergangenen Jahren hatte ich schon immer mehr vor, habe es aber nicht auf die Reihe gekriegt. Ich war mir immer sicher, dass ich mehr kann.“ Und es soll noch weiter nach oben gehen. Die 60 Meter sind das nächste Ziel. Im nächsten Jahr wird aber der Berufsweg noch einmal Raum im Alltag beanspruchen. „Nach meinem zweiten Staatsexamen fehlt mir noch ein praktisches Jahr. Da arbeite ich voll, so wie es die Approbationsordnung vorsieht. Danach bin ich dann beruflich abgesichert und freier für den Sport.“
Video-Interview: Kathrin Walter: "Wir sind auf einem guten Weg, die Lücke zur internationalen Spitze zu schließen"
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Kathrin Walter bringt Talent und gute körperliche Voraussetzungen für den Speerwurf mit. Sie ist groß, was einen langen Beschleunigungsweg ermöglicht. Der ist ein Vorteil für den Speerwurf. Bei den Deutschen Meisterschaften hat Kathrin ihre Chance genutzt und sich den Titel geholt.
Durch ihre späte Spezialisierung, Verletzungen und ihr Studium sind noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Insbesondere ihr Niveau im Sprint- und Sprungbereich hat noch Potential. Auch in der Technik kann sich Kathrin noch verbessern. Das wird sie mit ihrem Trainer Helge Zöllkau im kommenden Aufbau in Angriff nehmen. Wenn sie durch ihre Arbeit nicht zu sehr eingebunden ist, sind im kommenden Jahr 60 Meter erreichbar. Steigt Kathrin nach ihrer Apothekerausbildung noch einmal voll in den Sport ein, ist auch noch mehr drin.