| Interview

Neele Eckhardt-Noack: „Ich genieße die neue Freiheit“

© Gladys Chai von der Laage
Neele Eckhardt-Noack (LG Göttingen) zählte mit einer Bestleistung von 14,53 Metern über mehr als ein Jahrzehnt zu den besten deutschen Dreispringerinnen. Doch eine Knieverletzung stoppte die 33-Jährige, die ihre Karriere schweren Herzens beenden musste. Im Interview spricht die Hallen-EM-Dritte von 2021 und junge Mutter über ihre schönsten Wettkampf-Erlebnisse, ihre langwierige Verletzung und was sie aus dem Jurastudium für den Sport lernen konnte.
Martin Neumann

Neele Eckhardt-Noack, Sie haben unlängst bekannt gegeben, dass Sie Ihre Karriere beenden: Wie unterscheidet sich ein Wochenende einer ehemaligen Leistungssportlerin von einem Wochenende einer aktiven Leistungssportlerin?

Neele Eckhardt-Noack:
Absolut fundamental. Leistungssportler regeln ihr Wochenende nach Training, Wettkämpfen und den nötigen Regenerationszeiten. Damit ist man häufig an einen Ort gebunden, das bin ich nun nicht mehr. Beispielsweise bin aktuell bei meiner Mutter und passe auf ihre Hunde auf. Das wäre früher nicht oder nur unter großen Umständen möglich gewesen. Diese neue Freiheit genieße ich, speziell weil ich Zeit für meine kleine Tochter habe, die bald ein Jahr alt wird.

Welche Gründe waren ausschlaggebend für das Ende der Karriere?

Neele Eckhardt-Noack:
Das war im Endeffekt eine Sammlung von Gründen, die zu dieser Vernunftentscheidung geführt hat. Mein Herz hängt am Sport, aber meine Knieverletzung hat sich wahnsinnig lange hingezogen, da es zunächst keine korrekte Diagnose gab.

Welche Diagnose wurde denn gestellt?

Neele Eckhardt-Noack:
Ich habe mich im Mai 2023 am linken Knie verletzt. Zunächst war von einem Kreuzbandriss ausgegangen worden. Der war es aber nicht, sondern das Band war gerissen, das im Knie das Fibulaköpfchen stabilisiert. Diese Verletzung ist sehr selten und wurde erst im Juli 2024 erkannt. Nach der Diagnose wäre eine OP möglich gewesen, aber nicht während meiner Schwangerschaft. Der Weg zurück wäre sehr, sehr weit gewesen und es hätte keine Garantie gegeben, dass es auch wirklich klappt. Natürlich war ich traurig, dass mir die Verletzung wahrscheinlich meinen zweiten Olympiastart gekostet hat. Aber es war die richtige Entscheidung.

Sie haben Ihren letzten Wettkampf vor anderthalb Jahren bestritten. Wann war Ihnen klar, dass es tatsächlich Ihr letzter Wettkampf war?

Neele Eckhardt-Noack:
Vollkommen klar war es erst, als meine Entscheidung des Karriereendes gefallen ist. Aber erste Anzeichen gab es schon im Winter 2024. Da habe ich mir mal wieder beim Sprungtraining die Kapsel im Knie angerissen, weil das Gelenk durch das gerissene Band die Belastungen einfach nicht ausgehalten hat. An diesem Abend bin ich zu meiner Freundin ins Auto gestiegen und habe gesagt: „Das könnte es gewesen sein.“

Schon 2009 sind Sie bei der U18-WM erstmals im Nationaltrikot gestartet. An welchen Wettkampf denken Sie besonders gern zurück?

Neele Eckhardt-Noack:
Das sind eigentlich drei Wettkämpfe, die sehr besonders für mich waren. 2017 bin ich auf heimischer Anlage in Göttingen 14,35 Meter weit gesprungen. Den Wettkampf haben superviele Freunde und Bekannte verfolgt. Mit der Weite habe ich den Grundstein für die Sportförderung bei der Bundeswehr gelegt und konnte im Anschluss den Sport deutlich professioneller ausüben. Aus dem Hobby wurde der Beruf. Dann natürlich die Olympischen Spiele 2021 in Tokio, die sind einfach der Traum jedes Leichtathleten. Der dritte Wettkampf war die EM 2022 in München mit dieser einmaligen Atmosphäre im Olympiastadion.

In München haben Sie als Vierte denkbar knapp das Podest verpasst. Hadern Sie rückblickend mit diesem Ergebnis?

Neele Eckhardt-Noack:
Nein, überhaupt nicht. Ich bin 14,43 Meter weit gesprungen und habe für die Medaille alles gegeben. Ich kann mir nichts vorwerfen und habe lächelnd das Stadion verlassen.

Haben Sie während der langen Verletzungszeit die Leichtathletik denn noch verfolgt oder brauchten Sie Abstand vom Sport?

Neele Eckhardt-Noack:
Punktuell habe ich tatsächlich den Fernseher eingeschaltet oder habe Wettkämpfe im Livestream verfolgt. Beispielsweise wenn Athletinnen oder Athleten aus meiner Region gestartet sind, die ich vom Training her kannte. Ich mag den Sport einfach und habe eine Leidenschaft dafür.

Neben der sportlichen Karriere haben Sie parallel Ihre berufliche Karriere vorangetrieben und schon das Erste Staatsexamen in Jura erfolgreich absolviert. Welche Eigenschaften nehmen Sie aus dem Sport mit für den Beruf?

Neele Eckhardt-Noack:
Um erfolgreich im Sport zu sein, benötigt man Disziplin und Durchhaltevermögen. Man muss sich durchbeißen, auch wenn es mal keinen Spaß macht. Genau diese Eigenschaften benötigt man im Jura-Studium. Außerdem sollte man sich ein gutes Team aufbauen, ohne das geht es nicht. Und strukturiertes Arbeiten ist wichtig, um langfristige Ziele zu erreichen.

Wie haben Sie das zeitintensive Studium und das zeitintensive Training parallel gemanagt?

Neele Eckhardt-Noack:
Tatsächlich habe ich drei Jahre lang Vollzeit studiert und trainiert. Dabei habe ich gelernt, dass beides parallel nicht funktioniert. Das hat auch meine Leistungsentwicklung bzw. Leistungsstagnation gezeigt. Man muss priorisieren. 2021 waren die Olympischen Spiele mein großes Ziel, 2022 die EM in München. Da lief das Studium eher nebenher. 2023 war klar, dass das Examen im Fokus steht und der Sport in den Hintergrund rückt. Diese Freiheit hatte ich aber nur, weil ich in der Sportförderung der Bundeswehr war. Ohne die hätte ich mein Studium schneller durchziehen müssen.

Aktuell schreiben Sie Ihre Doktorarbeit an der LMU in München. Um welches Thema geht es darin?

Neele Eckhardt-Noack:
Die Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Medizin- und Sportrecht und behandelt die medizinische Indikation im Anti-Doping-Gesetz. Aktuell bin ich mittendrin in der Arbeit und habe noch etwa ein Jahr Zeit dafür

Wissen Sie denn schon, auf welches Rechtsgebiet Sie sich später spezialisieren wollen?

Neele Eckhardt-Noack:
Da bin ich mir noch etwas unschlüssig, aber es bleibt ja noch Zeit, zumal nach der Doktorarbeit erst das Referendariat ansteht. Außerdem konnte ich bereits in einer Kanzlei in Hannover Erfahrung als Wissenschaftliche Mitarbeiterin sammeln. Was ich gemerkt: Die Thematiken im Medizin- und Sportrecht machen mir schon sehr viel Spaß und sind mir ans Herz gewachsen.

Nehmen wir an, Sie könnten Ihre Karriere noch einmal wiederholen. Was würden Sie anders machen?

Neele Eckhardt-Noack:
Ich würde gar nicht viel anders machen. Denn ich hatte sehr viel Glück mit den Personen, die mich betreut haben. Zunächst Ute Schröder beim TSV Asendorf und später Frank Reinhardt. Doch ich würde mich früher für den Leistungssport entscheiden. Denn ich habe gespürt, dass man sich in der Spitzenklasse voll auf den Sport konzentrieren muss, um erfolgreich zu sein. Ein Vollzeitstudium und Leistungssport parallel zu absolvieren, ist in der Regel nicht möglich.

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