Mit Rang sieben verabschiedet sich Kathrin Klaas bei der Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin von der großen Sportlerbühne. Für die 34-jährige Hammerwerferin war das Olympiastadion das letzte i-Tüpfelchen auf einer bewegenden Karriere.
„Einfach noch einmal alles raushauen und schauen, was geht“ – so lautete das EM-Motto von Kathrin Klaas. Gesagt, getan – auch wenn der Start zu Beginn nicht rund lief. 70 Meter waren in der Qualifikation gefordert und die 34-Jährige schleuderte den Hammer nur auf 68,64 Meter. Am Ende war es Rang zwölf und ein glücklicher Einzug in das letzte Finale ihrer Karriere. Klaas wirkte erleichtert, aber alles andere als zufrieden.
Deutlich besser sollte es dann am letzten EM-Tag laufen. Nach zwei schwachen Versuchen ging es im Dritten um den Endkampf. Klaas nahm die Herausforderung an. Sie begann den Anschwung, nahm Rhythmus und Geschwindigkeit auf, ehe der Hammer 70,66 Meter weit in den Sektor flog. Eine Saisonbestleistung – und im fünften Wurf packte Klaas gar 71,50 Meter aus. Zum Abschluss steht Rang sieben – mit dem weitesten Wurf seit zwei Jahren.
„Ich glaube, es hat mir keiner das Finale zugetraut. Ich habe manchmal selbst nicht daran geglaubt, weil sich in der Saison einige Widrigkeiten aufgetan haben. Aber ich bin stolz und habe einen versöhnlichen Abschluss gefunden“, erklärte Klaas nach dem Wettbewerb mit Tränen in den Augen. Die stehenden Ovationen im Stadion waren der Lohn für die harte Arbeit der vergangenen Monate.
Körperliche Beschwerden – Ein Handicap der Vergangenheit
Körper und Geist waren gerade in den vergangenen Jahren nicht immer im Einklang. So hatte Kathrin Klaas schon 2016 mit großen Schmerzen im unteren Rückenbereich, des Beckenbodens und der Adduktoren zu kämpfen, ehe nach monatelanger Suche ein Leistenbruch diagnostiziert wurde: „Ich hatte 2016 die beste Vorbereitung aller Zeiten gemacht und dann kamen plötzlich im Frühjahr die Schmerzen. Ein halbes Jahr habe ich mich damit herumgequält, bis man diesen Leistenbruch festgestellt hat. Ich habe mit einer offenen Leiste trainiert, 120 Kilogramm umgesetzt. Das kann sich keiner vorstellen.“
Auch in der Folge war der Körper der Frankfurter Hammerwerferin, die gebürtig aus Haiger im Lahn-Dill-Kreis kommt, nicht der beste Freund. Bei Klaas haben sich viele Schutz- und Ausweichbewegungen in den Ablauf eingeschlichen. Das rechte Bein der 34-Jährigen ähnelte mehr einer nach innen verdrehten Spirale. Und dann die permanent auftretenden Schmerzen. Ein früheres Karriereende drohte und konnte nur knapp abgewendet werden.
„Ich kam mir in den vergangen Jahren wie eine verrückte Katzenfrau vor, die sagt: 'Da ist was – da stimmt was nicht', und der Physio sagt: 'Ne, da ist alles richtig', während der Nächste sagt: 'Nein, da ist doch etwas.' Und so waren es in den letzten Jahren jeden Tag diese Kämpfe, die ich aushalten musste, ehe ich endlich das Team gefunden habe, das mit mir alles durchgezogen hat“, schilderte die Athletin.
Nationaler Titel zum Abschied
Auf der Abschiedstour im EM-Jahr mobilisierte die willensstarke Hessin alle Kräfte. Ein letztes Mal stand für die Eintracht-Werferin das Wintertrainingslager im südafrikanischen Pretoria zu Jahresbeginn auf dem Programm. Gegen alle Schmerzen im Rücken, verlangte sich die Polizeioberkommissarin kurz vor dem Karriereende alles ab. Und dies war auch bitter nötig.
Bei den Deutschen Meisterschaften im Juli musste die Frankfurterin erneut über ihre Grenzen gehen. Im strömenden Regen von Nürnberg drohte nach zwei Fehlversuchen das vorzeitige Aus. Klaas behielt im dritten Versuch die Nerven, spielte ihre ganze Routine aus und knallte den Hammer auf 66,08 Meter – die Weite zum DM-Titel.
Erleichtert wirkte sie nach dem Wettkampf, doch dieser Nerven-Krimi hatte auch Spuren bei der 1,68 Meter großen Sportlerin hinterlassen. Erschöpft, blass und mit tiefen, schwarzen Augenringen stellte sich Kathrin Klaas den Fragen der Pressevertreter, erklärte ihr Meisterstück aus dem Dritten. „Ich habe mir in diesem Moment gedacht: 'Halt, es geht nicht, du kannst nicht mit drei X raus. Das ist deine letzte Deutsche Meisterschaft.'“
Achterbahnfahrt der Gefühle in den Anfangsjahren
Nürnberg war erst der zweite nationale Titel für Klaas, nach 2014 in Ulm – und insgesamt acht Silbermedaillen. Die Anfangsjahre fingen vielversprechend an. Nach Erfolgen auf Junioren-Ebene, gab es bei der ersten Deutschen Meisterschaft 2005 gleich Bronze. 2006 folgte der erste große internationale Auftritt: Mit 22 Jahren sicherte sich Kathrin Klaas bei der EM in Göteborg (Schweden) den sechsten Rang.
Doch unbefriedigende Ergebnisse bei der WM in Osaka (Japan; 2007) und den Olympischen Spielen in Peking (China; 2008) folgten. Erst die Heim-WM in Berlin 2009 sorgte für frischen Schwung. Mit neuer persönlicher Bestleistung lag Klaas lange Zeit auf dem Bronzerang, ehe sie noch von der Slowakin, Martina Hrasnova, vom Medaillenrang verdrängt wurde. „2009 habe ich zum ersten Mal bemerkt, dass ich auch um das Podest mitwerfen kann. Ich konnte anfangs gar nicht begreifen, dass ich soweit vorne lag. Doch leider wurde ich, wie so oft, nur Vierte“, so Kathrin Klaas.
Karriere-Highlight in London – und doch nie ganz oben
Eine Erinnerung hat sich aber ganz fest im Gedächtnis der Athletin verankert. Es sind die Olympischen Spiele in London: „Die Krönung war London 2012. Gerade mit dem Sturz sechs Wochen vorher, war dies ein absolutes Highlight. Mir war schwindelig beim Werfen, ich konnte nicht mehr geradeaus gehen und wenn ich mich drehte, dann drehte sich alles mit. Aber es war auch das Team um mich, dass mich auf den Punkt fit gemacht hat.“
Vor den Spielen stürzte sie nämlich bei einem Wettkampf in Eugene (USA) und zog sich eine Platzwunde am Kopf zu. Doch dies hinderte sie nicht daran, in London ordentlich aufzutrumpfen. 76,05 Meter bedeuteten in einem hochklassigen Wettbewerb die bis heute beste Weite ihre Karriere – und dennoch reichte es nur zu Rang vier.
Kampf um Anerkennung – sportlich wie menschlich
Letztendlich hat die Vita der Kathrin Klaas auch etwas tragisches: Dreimal nahm sie an Olympischen Spielen teil. Insgesamt verbuchte sie vier vierte Plätze bei Großevents wie Olympia, Europa- oder Weltmeisterschaften, doch nie sprang eine Medaille heraus. Und dann gab es noch den ständigen Kampf um die Existenz des Hammerwerfens. Die Athleten selbst kämpften um ihren Sport – sei es um die Teilnahme an Meetings oder die öffentliche Wahrnehmung. Klaas machte es mit Petitionen und Bodypainting vor – und bekam dafür viel Lob.
Dass das Hammerwerfen in Deutschland salonfähig wurde, lag aber vor allem an den Erfolgen ihrer jahrelangen Teamkollegin Betty Heidler, der Welt- und Europameisterin. Doch ein eingespieltes Team gab es nicht – stattdessen überwog die Distanz der beiden Top-Athletinnen. „Sie nimmt mich nicht wahr, ich weiß auch nicht, was ich getan habe“, brach es vor Jahren einmal in einem Interview aus Kathrin Klaas heraus.
Neue Perspektiven werden sich ergeben
Doch alle diese Geschichten liegen nun hinter der 34-Jährigen. Sie hat sich gegen sämtliche Widerstände behauptet und kann auch ohne die ganz großen Titel mit Stolz auf ihre Karriere zurückblicken. Vor allem dem deutschen Hammerwerfen hat die Athletin der LG Eintracht Frankfurt einen großen Dienst erwiesen. Jahre des Übergangs stehen der Disziplin bevor.
„Es gibt Mädels, die an der Schwelle sind. Ich denke, dass wir Richtung Olympische Spiele in Tokio besser aufgestellt sein werden, auch wenn es bei den Männern vielleicht noch etwas länger dauern wird“, erklärte Klaas und fügte hinzu: „Es kommt etwas nach im Hammerwurf der Frauen, wir sind im Aufbau. Es dauert aber lange, um die Technik zu entwickeln. Hammerwerfen ist nicht einfach mit dem Hammer draufhauen.“
Für die Hessin gibt es zukünftig andere Prioritäten. In Frankfurt kann sich das Social-Media-Team der Polizei auf die Ideen der Powerfrau freuen. Außerdem darf man bei Kathrin Klaas gespannt sein, wie es in der Familienplanung mit ihrem Freund weitergeht. Doch zuerst steht für die Frankfurterin der wohl verdiente Urlaub an – und diesen wird sie mehr denn je genießen.