Die frühsommerlichen Temperaturen haben Weltrekord-Zeiten am Sonntag beim London Marathon unmöglich gemacht. Der derzeit weltbeste Marathonläufer Eliud Kipchoge rannte als Sieger dennoch eine Top-Zeit. Die britischen Fans bejubelten den neuen Landesrekord von Mo Farah. Das Frauen-Rennen gewann überraschend Bahn-Olympiasiegerin Vivian Cheruiyot mit Weltjahresbestzeit.
Die Tempomacher und eine Spitzengruppe um Eliud Kipchoge (Kenia) veranschlagten lange Weltrekord-Tempo, ehe man der Hitze Tribut zollen musste. Bis zur Halbmarathon-Marke befand sich auch der vierfache Bahn-Olympiasieger Mo Farah in der Führungsgruppe und interagierte zu Späßen aufgelegt mit dem britischen Heim-Publikum.
Doch dann musste der Brite spüren, dass Marathon gegen Ende harte Arbeit ist. Das Duo Eliud Kipchoge und Tola Shura Kitata (Äthiopien) musste der 35-Jährige ziehen lassen, konnte seinen dritten Platz aber bis ins Ziel verteidigen und brach in 2:06:21 Stunden den anvisierten britischen Rekord. Die alte Bestmarke hielt der Waliser Steve Jones, der 1985 den Chicago-Marathon in 2:07:13 gewonnen hatte.
Einmalige Siegesserie
Einen konstant guten Eindruck machte Eliud Kipchoge, der bei allen Bedingungen – Regen und Kälte in Berlin, Sonne und Wärme in London – eine Top-Zeit in den Beinen hat. Bei 1:53 Stunde musste auch sein letzter Verfolger abreißen lassen. Der Marathon-Olympiasieger aus Kenia gewann das Rennen schließlich souverän zum dritten Mal in 2:04:17 Stunden. Damit setzt der 33-Jährige seine Erfolgsserie fort: Nur eines seiner elf Rennen über die 42,195 Kilometer beendete er im Jahr 2013 nicht als Sieger.
Er hatte sich offenbar eine Halbmarathon-Durchgangszeit von 61:00 Minuten gewünscht. Diese bekam er von den Tempomachern auf die Sekunde genau. Das allerdings war unter den Umständen zu schnell und rächte sich in der zweiten Hälfte.
An der Halbmarathonmarke nahe der Tower Bridge lagen neben Kipchoge, Shura Kitata und Mo Farah noch drei weitere Läufer vorne: Bedan Karoki (Kenia), Kenenisa Bekele und Titelverteidiger Daniel Wanjiru (Kenia), der am Ende Achter wurde. Nachdem die Tempomacher aus dem Rennen gingen, hatte sich das Geschehen bis Kilometer 30 deutlich verändert: Nunmehr konnte nur noch Kitata mit Kipchoge Schritt halten. Farah hatte sieben Sekunden Rückstand, die anderen folgten jeweils einzeln laufend dahinter.
Tola Shura Kitata überrascht mit glänzender Zeit
Erst fünf Kilometer vor dem Ziel musste sich Tola Shura Kitata, der 2017 den Frankfurt Marathon gewann, im Kampf gegen den Olympiasieger geschlagen geben. Er sicherte sich aber in glänzenden 2:04:49 Stunden den zweiten Rang. „Ich war über meine Leistung nicht überrascht, denn meine Vorbereitungen liefen sehr gut“, sagte Kitata. „Wettbewerb gehört zum Sport, deshalb war es gut, dass die Konkurrenz stark war und mich Kitata lange herausforderte“, erklärte Eliud Kipchoge.
Hinter dem drittplatzierten Mo Farah, der lange Zeit auf Europarekord-Kurs lag (2:05:48 h von Sondre Moen; Norwegen), aber am Ende einbrach, lief Abel Kirui (Kenia) in 2:07:07 Stunden auf Platz vier. „Ich bleibe beim Marathon, der nächste ist für den Herbst geplant“, sagte Mo Farah. Äthiopiens Superstar Kenenisa Bekele konnte einmal mehr im Marathon nicht überzeugen. Er lief als Sechster nach 2:08:53 Stunden ins Ziel.
Vivian Cheruiyot überholt die große Favoritin
Die heißen Temperaturen erschwerten von Anfang an den angekündigten Weltrekord-Angriff im Frauen-Rennen auf die Bestmarke der Britin Paula Radcliffe (2:15:25 h). Zwischen dem anfänglichen Führungsduo Mary Keitany (Kenia) und Tirunesh Dibaba (Äthiopien) ging es zu allererst auch um den Sieg, der für beide den Gewinn der Marathon-Gesamtserie bedeutet hätte. Doch Dibaba musste wegen Magenproblemen bei Kilometer 30 vorzeitig aussteigen und Keitany konnte den zu schnellen Tempomachern nicht mehr folgen. Mary Keitany hatte die erste Hälfte in 67:16 Minuten absolviert, wurde aber dann in der Wärme langsamer und war bald darauf nicht mehr im Bereich des Radcliffe-Rekordes.
Eine bessere Rennstrategie bei dieser Witterung hatte 5.000-Meter-Olympiasiegerin Vivian Cheruiyot (Kenia). Nach 10 Kilometern hatte sie in der dritten Gruppe laufend bereits einen Rückstand von gut einer Minute zur Spitze. An der Halbmarathonmarke waren es dann 1:40 Minuten. Doch in der zweiten Hälfte wendete sich das Blatt dramatisch. Bei Kilometer 35 war sie bis auf zwölf Sekunden an eine einbrechende Mary Keitany herangelaufen, kurz darauf überholte sie ihre Landsfrau und lief zum größten Marathonsieg ihrer Karriere. Ihre Bestleistung des Frankfurt Marathon 2017 (2:23:35 h) pulverisierte sie um fünf Minuten: 2:18:31 Stunden bedeuteten Weltjahresbestzeit und die sechstschnellste je gelaufene Zeit in ihrem erst dritten Marathon-Rennen.
„Ich bin mittlerweile vom Marathon begeistert"
„Letztes Jahr bin ich in London zu schnell angelaufen und hatte am Ende große Probleme. Diesmal habe ich mich entschieden, mit der dritten Gruppe zu laufen. Beim Halbmarathon fühlte ich mich sehr gut. Und als ich erst Tirunesh Dibaba und dann Mary vor mir sah, gab mir das zusätzliche Energie“, erzählte Vivian Cheruiyot. „Ich bin mittlerweile vom Marathon begeistert und die Verbesserung von 2:23 Stunden auf 2:18 ist wunderbar.“
Auf den Plätzen zwei und drei kamen Brigid Kosgei (Kenia; 2:20:13 h) und Tadelech Bekele (Äthiopien; 2:21:40 h) an. Erst auf Rang fünf quälte sich die große Favoritin Mary Keitany (2:24:27 h) ins Ziel, die kurz vor Schluss auch noch von Gladys Cherono (Kenia; 2:24:10 h) abgefangen wurde.
41.000 Läufer am Start
Rund 41.000 Läufer waren am Start. Die Queen gab das Startsignal für die Läufer in Greenwich mittels einer Übertragung vom Schloss Windsor am anderen Ende der Stadt. In London endete am Sonntag auch die Abbott World Marathon Majors-Serie. Bei den Männern sicherte sich erneut Eliud Kipchoge den mit 250.000 Dollar dotierten Sieg.
Da bei den Frauen Mary Keitany und Tirunesh Dibaba punktgleich sind, entschied hier der direkte Vergleich. Keitany war sowohl im vergangenen Jahr in London als auch dieses Mal vor Dibaba im Ziel, so dass sie die Gesamt-Siegerin der Serie ist. Die nächste Serie beginnt beim Berlin-Marathon im September und endet dort ein Jahr später.
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