Katharina Molitor, die Speerwurf-Weltmeisterin von 2015, wird keine Wettkämpfe als Leichtathletin mehr bestreiten, für den TSV Bayer 04 Leverkusen aber weiterhin in der zweiten Volleyball-Bundesliga auflaufen. Vorrangiges Ziel der Mittelblockerin, die am Donnerstag (8. November) ihr 35. Lebensjahr vollendet, ist die erfolgreiche Beendigung ihres Lehramt-Studiums. Im Interview spricht Katharina Molitor unter anderem über ihre breitgefächerte Grundlagenausbildung, das Angebot eines Hamburger Volleyball-Erstligisten und Probleme Leistungssport und Studium zu vereinbaren.
Katharina Molitor, wann haben Sie zuletzt einen Speer in der Hand gehabt?
Katharina Molitor:
Bei der EM in Berlin. Da bin ich mit 58,00 Metern in der Qualifikation stecken geblieben. Dass meine Karriere nach der Saison beendet sein würde, das war mir vorher bereits klar. Dass sie so endet, war natürlich nicht mein Plan.
Woran lag es, dass es in diesem Sommer nicht so prickelnd gelaufen ist?
Katharina Molitor:
Dafür habe ich auch keine richtige Erklärung. Von Anfang an sind immer wieder andere Fehler aufgetreten. Mal flog der Speer zu flach, mal zu steil. Die Fehler wurden immer extremer. Warum das so gekommen ist, weiß ich bis heute nicht. Vor der EM im Trainingslager in Kienbaum hat es sich endlich wieder nach Speerwurf angefühlt, ich war auch guter Dinge. Aber am Ende war es dann wie die ganze Saison.
Forcieren Sie jetzt das Volleyballtraining?
Katharina Molitor:
Es war meistens so, dass ich nach dem Leichtathletiktraining noch zum Volleyballtraining gegangen bin, wenn noch Kraft und Ausdauer vorhanden waren. Jetzt versuche ich regelmäßig zu den drei angebotenen Trainingseinheiten hinzugehen. Manchmal geht es nicht, weil das Training mit Terminen an der Uni kollidiert. Ich studiere schon recht lange und musste meinen Studiengang auch schon einmal ändern. Ich habe vorher Sport und Geographie auf Lehramt für Gymnasien und Gesamtschulen studiert, habe jetzt aber zum Grundschul-Lehramt gewechselt.
War das berufliche Fortkommen auch ein Grund für das Karriereende als Speerwerferin?
Katharina Molitor:
Ja. Im Gegensatz zu anderen Leuten ist es mir unheimlich schwer gefallen, nebenbei zu studieren. Ich war da einige Zeit sehr passiv, war zwar eingeschrieben, aber nicht in der Uni. Ich habe in den letzten beiden Jahren versucht, mich stärker im Studium zu engagieren. Aber das ging nicht. Ich habe eindeutig gemerkt, dass die Leistungen im Training nicht mehr die waren, die ich vorher abrufen konnte.
Sie waren dreimal Deutsche Meisterin, EM-Vierte, Olympia-Sechste und 2015 Weltmeisterin. Wie sehr haben der Titel und die 67,69 Meter im letzten Versuch des gesamten Wettbewerbes Ihr Leben verändert?
Katharina Molitor:
Ich habe gemerkt, dass ich plötzlich bekannter war, bin in alle Meetings rein gekommen, ich habe mehr Geld für das Antreten bei den Meetings und von der Sporthilfe bekommen, war sehr angesehen, habe mir vorübergehend keine Gedanken über den Beruf und so weiter gemacht. Aber es hat nicht dazu geführt, dass ich überall auf der Straße erkannt werde und sich mein Leben grundsätzlich geändert hat. Dazu ist der Frauen-Speerwurf in Deutschland wohl nicht populär genug.
Ihr Talent fürs Werfen ist schon sehr früh zutage getreten. Mit 14 Jahren haben Sie den 200-Gramm-Ball 52 Meter weit geworfen. Aber Sie haben beim TV Bedburg und bei Jugend 07 Bergheim auch Mehrkämpfe absolviert. Wie bewerten Sie diese vielseitige Ausbildung heute?
Katharina Molitor:
Ich bin in einem sehr kleinen Verein aufgewachsen, das Training war insgesamt sehr spielerisch angelegt. Ich habe auch Rettungsschwimmen, Turnen, Tennis und später Volleyball betrieben, Laufen, Springen und Werfen. Da gab es keine Leistungsgruppen, alle waren zusammen in einer Gruppe und haben alles zusammen gemacht. Dieses breitgefächerte Grundlagentraining war wahrscheinlich einer der entscheidenden Punkte, warum ich während meiner ganzen Karriere nie eine größere Verletzung gehabt habe. Alle Muskeln wurden ausgebildet, es wurde nicht einseitig trainiert. Ich kann nur jedem raten, in jüngeren Jahren vielseitig unterwegs zu sein.
2003 – mit 19 – sind Sie zum TSV Bayer 04 Leverkusen gekommen, Helge Zöllkau hat Sie unter seine Fittiche genommen. Wie groß war die Umstellung?
Katharina Molitor:
Im ersten Jahr habe ich noch viel zu Hause trainiert, da war die Umstellung noch nicht so groß. Danach wurde es extremer. Ich hatte nur noch Wettkämpfe im Speerwurf und habe viel gezielter trainiert. Ich hatte vorher keinen speziellen Speerwurftrainer. Hinzu kam die Trainingsgruppe, die mit Steffi Nerius eine der besten Speerwerferinnen der Welt in ihren Reihen hatte. Da hat sich damals einiges geändert. Ich bin mit einer Bestleistung von 50,94 Metern nach Leverkusen gekommen. Ich habe zunächst mein Abitur gemacht und es lief noch nicht so gut. Dann aber kam ein Sprung von sieben Metern.
International haben Sie 2005 als Zweite der U23-EM zum ersten Mal einen Fuß in die Tür bekommen. 61,74 Meter brachten im Mai 2008 das Olympiaticket für Peking. Dort sind Sie immerhin Siebte geworden. Wie gravierend war dieses Erlebnis?
Katharina Molitor:
Eigentlich hatte ich nicht erwartet dabei zu sein. Mein Ziel war es, die vom DLV gesetzte Norm von 61 Metern zu werfen, hatte aber damit gerechnet, dass Steffi Nerius, Christina Obergföll und Linda Stahl nach Peking fliegen. Die Weite allein war für mich schon sehr viel wert. Dann ist es ja anders gekommen. Linda Stahl ist es nicht gelungen, bis zum Nominierungsschluss die Norm zu werfen. So war ich plötzlich doch dabei.
Mit 13 haben Sie begonnen, neben der Leichtathletik Volleyball zu spielen. Nach dem Abitur hätten Sie sich fast ganz auf den Volleyballsport konzentriert, weil ein Hamburger Verein Ihnen ein Angebot unterbreitet hat.
Katharina Molitor:
Mein damaliger Trainer beim Oberaußemer Volleyballverein hat einen Trainerjob bei einem Erstligisten in Hamburg angetreten. Er hätte mich gerne mitgenommen. Ich habe mich dann auch in Hamburg um einen Studienplatz beworben, aber keinen bekommen. Das Studium war mir aber wichtig und so bin ich nicht dorthin gegangen.
Gab es nie Gedanken sich ganz aufs Speerwerfen zu konzentrieren, um noch mehr Potenzial auszuschöpfen?
Katharina Molitor:
Den Gedanken gab es, aber ich habe ihn sofort wieder fallen gelassen. Speerwurf stand immer an erster Stelle, aber ich habe für mich entschieden, dass der Volleyball mir mehr bringt als er schadet. Die Mädels in der Mannschaft sind einfach super. Das Team fängt mich auf. Speerwurf ist halt eine Einzeldisziplin. Aber insgesamt bin ich auch aus der Leichtathletik nicht ganz weg. Ich versuche einmal in der Woche mit meiner alten Trainingsgruppe Fußball zu spielen und Yoga zu machen.
Ist es möglich, dass wir Sie demnächst als Trainerin in der Leichtathletik wiedersehen?
Katharina Molitor:
Es gab da sogar schon eine Anfrage, aber ich habe abgelehnt. Ich brauche jetzt zunächst Zeit, um mein Studium erfolgreich zu beenden. Mir jetzt wieder etwas Neues aufzulasten, habe ich nicht vor.