Kurz vor der Hallen-EM kommt Verena Sailer immer besser in Fahrt. Bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Karlsruhe egalisierte die 29-Jährige ihre 60-Meter-Bestzeit von 7,12 Sekunden. Im Interview sprach die Sprinterin der MTG Mannheim über ihre Form, ihr Training und ihre Ziele für Prag.
Verena Sailer, 7,16 Sekunden im 60-Meter-Vorlauf, 7,14 Sekunden im Halbfinale und 7,12 Sekunden im Finale. Waren die drei DM-Rennen am Samstag in Karlsruhe die beste Ein-Tages-Sprintserie Ihrer Karriere?
Verena Sailer:
Ob es die beste war, weiß ich nicht. Es war auf jeden Fall ein guter Wettkampf, mit dem ich sehr zufrieden bin.
Völlig überraschend hat sich Ihre Trainingspartnerin Alexandra Burghardt in 7,24 Sekunden hinter Ihnen Silber geholt. Haben Sie mit Ihrer Steigerung um gleich 16 Hundertstel gerechnet?
Verena Sailer:
Nein, das war für uns alle völlig überraschend. Unser Trainer Valerij Bauer bereitet uns exakt auf die Saisonhöhepunkte vor. Das hat ziemlich gut geklappt.
Auch Sie haben sich beim nationalen Saisonhöhepunkt enorm verbessert, von 7,22 Sekunden vor der DM auf 7,12 Sekunden im DM-Finale. Haben Sie damit gerechnet, Ihre Bestzeit einstellen zu können?
Verena Sailer:
Ich habe mich auf die Meisterschaften gefreut und spüre schon die ganze Zeit, dass ein bisschen mehr drinsteckt. Bis jetzt habe ich es nicht auf die Bahn bekommen. Ich habe den Lauf vorher nicht rund erwischt. Es freut mich, dass es im wichtigen Moment klappt.
Schauen wir nach vorn: Kommende Woche starten Sie in Prag bei der dritten Hallen-EM Ihrer Karriere. 2009 waren Sie Dritte in Turin mit 7,22 Sekunden, 2013 in Göteborg Siebte mit 7,16 Sekunden. Welches Rennen war das bessere?
Verena Sailer:
Das muss wohl der Bronzelauf in Turin gewesen sein, obwohl ich in Göteborg deutlich schneller unterwegs gewesen bin. Außerdem war die Medaille völlig unerwartet.
Welche Ziele haben Sie für die Hallen-EM in Prag?
Verena Sailer:
Dieses Jahr ist es ein bisschen anders. Ich habe lange gebraucht, bis die Rennabschnitte zusammenpassen. Das ist mir zum ersten Mal in diesem Jahr in Karlsruhe gelungen. Ich hoffe, das klappt auch in Prag.
Muss man sich dieses Zusammenspiel der Rennabschnitte jedes Jahr neu erarbeiten?
Verena Sailer:
Irgendwie schon. Aber das ist ja auch das Spannende am Sprint. Es wäre sonst ja auch zu langweilig, wenn alles nur dahinplätschern würde.
Die europäische Jahresbestleistung von Dafne Schipper steht seit dem ISTAF Indoor in Berlin bei 7,09 Sekunden. Ist die Niederländerin die Top-Favoritin für Prag?
Verena Sailer:
Ja, auf jeden Fall. Sie hat in Berlin und zuvor beim Meeting in Karlsruhe tolle Rennen gezeigt.
Sind Sie überrascht, dass sie nun auch über 60 Meter so stark ist. Sie kommt ja ursprünglich vom Siebenkampf und den 200 Metern?
Verena Sailer:
Für ihren Start finde ich die Zeiten einfach bemerkenswert. Speziell im Vorlauf beim ISTAF Indoor war ihre zweite Rennhälfte echt stark.
Ihre zehn besten Zeiten sind Sie immer spät in der Hallensaison gelaufen. Darf man also auf eine weitere Steigerung in Prag hoffen?
Verena Sailer:
Das wäre schön. Ich brauche immer ein paar Rennen, um richtig in die Saison reinzukommen. Das haben ja auch die vergangenen Wochen gezeigt. In Prag ist das Ziel, meine Form auf die Bahn zu bringen. Ich fahre zur EM, um mein Ding zu machen. Zeiten interessieren mich gar nicht so. Ich möchte vielmehr ein gutes Gefühl beim Sprinten spüren, dann wird es auch schnell.
Kim Collins geht auf die 40 zu. Welche Rolle spielt eigentlich die Erfahrung im Sprint?
Verena Sailer:
Eine ganz große. Man darf aber nicht zu entspannt an die Rennen hineingehen. Man muss fokussiert bleiben, sein Rennen durchziehen. Genau daran haben wir in den letzten Wochen gearbeitet.
Trainieren Sie denn mittlerweile weniger als beispielsweise noch vor fünf Jahren?
Verena Sailer:
Ich trainiere qualitativ hochwertiger. Zu diesem Punkt muss man sich aber auch erst hinarbeiten. Damals standen noch hohe Umfänge auf dem Programm. Mittlerweile sollte ich alles gelernt haben, was ich für den Sprint brauche. Nun geht es nur noch ums gute, richtige Sprintgefühl.
Eine EM-Konkurrentin in Prag ist Ihre Trainingspartnerin Mujinga Kambundji. Wie kann man sich den Trainingsalltag vorstellen. Ist die Schweizerin eine Konkurrentin oder eine Partnerin, um selbst schneller zu werden?
Verena Sailer:
Da gibt es keinen Unterschied zu anderen in der Gruppe wie Yasmin Kwadwo oder Alexandra Burghardt. Wir haben ein total freundschaftliches und entspanntes Verhältnis. Aber ganz klar: Im Startblock sind wir Konkurrentinnen.
National rückt die Konkurrenz auf. 2014 wurde Sie von Tatjana Pinto als Deutsche 100-Meter-Meisterin abgelöst. Freuen Sie sich schon auf die Revanche im Sommer in Nürnberg?
Verena Sailer:
Auf jeden Fall. Zumal ich 2014 in Ulm gut drauf war und es selbst verbockt habe. Im Rückblick war der Ausgang des Rennens für mich auch nicht schlimm, vielmehr war ich von mir und der ganzen Wettkampfgestaltung enttäuscht. Ich habe meine Form einfach nicht auf die Bahn bekommen. Dabei ist das eigentlich meine Stärke. So kannte ich mich gar nicht. Andererseits: Ich bin auch keine Maschine.
Sie werden im Oktober 30 Jahre alt. Wie lange wird man Sie noch auf der Sprintbahn sehen?
Verena Sailer:
Das ist eine gute Frage (lacht). Ich möchte so lange sprinten, bis etwas anderes in meinem Leben wichtiger ist als der Sport.