| Interview der Woche

Caroline Joyeux: „Ich liebe es, im Wettkampf herausgefordert zu werden“

Dreispringerin Caroline Joyeux im Nationaltrikot während des Sprungs © Gladys Chai von der Laage
Konter im sechsten Versuch, 14,42 Meter und 16 Punkte für das deutsche Team: Der Dreisprung-Sieg von Caroline Joyeux (LG Nord Berlin) zählte am Wochenende zu den deutschen Höhepunkten bei der Team-EM in Madrid (Spanien). Drei Jahre nach ihren ersten Sprüngen an die 14-Meter-Marke heran liefert die 24-Jährige jetzt Topleistungen in Serie. Was dazwischen passiert ist? Was sie in den vergangenen Jahren gelernt hat? Und warum im Wettkampf immer mit ihr zu rechnen ist? Das und mehr lesen Sie in unserem Interview der Woche.
Silke Bernhart

Caroline Joyeux, Sie sind als Nummer eins der Meldeliste nach Madrid gereist. Aber Hand aufs Herz: So, wie es dann gelaufen ist, hatten Sie es sich vermutlich im Vorfeld auch nicht ausgemalt, oder?

Caroline Joyeux:
Nein, so nicht (lacht)! Ich habe wirklich gehofft, dass ich gewinne. Ich habe mich darauf vorbereitet. Aber mit der Weite habe ich nicht gerechnet! Ich bin richtig glücklich. Und sehr zufrieden! Es hätte nicht besser laufen können.

Sie sind mit einem ungültigen Versuch gestartet und haben dann 14,17 Meter nachgelegt – zu dem Zeitpunkt der zweitbeste Sprung Ihrer Karriere. Wie konnten Sie da so cool bleiben?

Caroline Joyeux:
Mit Vertrauen, und mit Byron [Trainer Byron Casfor]. Ich weiß, wenn er zu mir etwas sagt, dann muss ich das einfach nur umsetzen. Er hat gesagt: anderthalb Füße zurück. Und dann gehe ich auch diese anderthalb Füße zurück und versuche, alles draufzupacken und nicht zögerlich anzulaufen.

Sie haben sehr lange geführt. Und dann zieht die Schwedin Maja Åskag in ihrem letzten Sprung noch um einen Zentimeter vorbei. Wie haben Sie es geschafft, für Ihren letzten Versuch noch einmal alle Kräfte mobilisieren?

Caroline Joyeux:
Ich habe die ganze Zeit viel getrunken. Ich habe geswitcht, Elektrolyte, Wasser, Wasser mit Salz... Ich habe versucht mich auszuruhen, mit der Kühlungsweste, ich habe versucht zu entspannen. Ich glaube, das Adrenalin hat mich auch gepusht. Erst jetzt merke ich, wie kaputt ich bin. Ich wusste, dass Maja so weit springen kann. Ich war dann ganz ruhig, stand da und dachte mir: „Okay, es ist jetzt so – und jetzt springe ich weiter“. Ich liebe es, im Wettkampf herausgefordert zu werden. Ich bin ein Wettkampf-Typ, viel mehr als ein Trainings-Typ.

Das deutsche Team hat für Ihren letzten Sprung auf der Zuschauertribüne auch noch mal alles gegeben. Konnten Sie das wahrnehmen?

Caroline Joyeux:
Ja, es war richtig toll, so viele Athletinnen und Athleten unter den Zuschauern zu sehen. Die Stimmung war gut, die Musik war gut, ich fand das Stadion mit der grünen Bahn so schön, den Himmel… Und man hat den Teamspirit gemerkt. Das hat mir Energie gegeben. Ich wollte unbedingt die 16 Punkte holen.

Dass Sie jetzt solche Momente erleben können, ist nicht selbstverständlich. Wer Ihre Karriere verfolgt weiß, dass Sie lange mit Verletzungen zu kämpfen hatten. Ihre Bestleistung vor dieser Saison, 13,77 Meter, stammte aus 2022.

Caroline Joyeux:
Das war eine sehr schwierige Zeit. Ich hatte schon in der Hallensaison 2023 Rückenprobleme. Dann ging es im Trainingslager mit Problemen an beiden Knien weiter. Ich hatte krasse Schmerzen, konnte nicht sprinten, nicht einmal joggen. Die Knie-Beschwerden sind zwar wieder weggegangen, aber dann folgte eine Achillessehnen-Entzündung.

Dennoch sind Sie in dem Jahr Achte bei der U23-EM geworden…

Caroline Joyeux:
Dort wollte ich unbedingt dabei sein. Wir haben nur alternativ trainiert und versucht, die Kraft und Sprintfähigkeit zu erhalten. Rückblickend würde ich es nicht mehr so machen, aber damals hat es sich richtig angefühlt weiterzukämpfen. Die Achillessehnen-Entzündung hat sich über sieben Monate hingezogen. Am Ende haben mir isometrische Übungen geholfen [statisches Training mit Anspannen der Muskeln ohne Bewegung], die mir DLV-Physiotherapeut Ben Wijkel und parallel mein Freund [der philippinische Stabhochspringer Ernest John Obiena] empfohlen haben. Das war für mich ein Wundermittel! Ende März 2024 war die Entzündung weg. Und ich dachte: Okay, jetzt kann ich die EM und die Olympischen Spiele angehen.

Daraus wurde aber nichts. Sie haben 2024 nur vier Wettkämpfe bestritten. Was war da los?

Caroline Joyeux:
Ich habe mich gleich im ersten Wettkampf verletzt, eine Fersenprellung mit Blutergüssen und Schwellung. Es war ein technischer Fehler in Kombination mit einem leicht erhöhten Absprung-Brett. Und im Endeffekt hat uns das nicht gewundert, weil ich ja so viel verletzt war, dass ich gar keine Technik trainieren konnte. Das gleiche ist mir in zwei späteren Wettkämpfen noch mal passiert. Schließlich habe ich einen orthopädischen Schuh bekommen und wir haben gesagt: Wir beenden die Saison, lassen das komplett ausheilen und fangen noch mal neu an.

Das hört sich nach einer sehr schwierigen Zeit an, auch die Vorbereitung auf 2025 lief mit mehreren Rückschlägen holprig. Wie ging es Ihnen in dieser Phase mental – und wie haben Sie sich motiviert weiterzumachen?

Caroline Joyeux:
Es war so anstrengend! Ich habe gelernt: Es gibt leider keine Garantie dafür gesund zu bleiben nach einer abgeschlossenen Verletzung. Aber ich hatte immer im Kopf: Wenn ich gesund bin, dann kann ich gut springen. Ich habe versucht, aus den Verletzungen zu lernen, und ich hatte auch nie dieselbe Verletzung zweimal, aber die Probleme haben sich irgendwie von der einen zur anderen Stelle verlagert.

Sie haben zu Beginn Ihren Trainer Byron Casfor angesprochen, mit dem Sie schon seit zehn Jahren zusammenarbeiten. Wie würden Sie die Zusammenarbeit beschreiben?

Caroline Joyeux:
Byron ist im Wettkampf ein sehr guter Trainer, er hat ein gutes Gespür für den Wind, für die Konkurrenz, für die Bedingungen generell und auch für meine Form. Er sieht, wenn ich gut drauf bin, und kleine Dinge, die ich verändern muss. Er sagt mir nicht viel, sondern nur die wichtigen Dinge. Ich habe gelernt, mich genau darauf zu fokussieren. Ich weiß, dass es anderen Athleten manchmal schwerfällt, dem Trainer zu vertrauen, wenn es um den Anlauf geht. Früher ging es mir auch so, aber ich habe aktiv dagegen angekämpft und mir gesagt: Er hat mehr Ahnung davon, das ist sein Job, meiner ist es, das umzusetzen.

… und im Training?

Caroline Joyeux:
Da hatten wir durch die Verletzungen natürlich eine schwere Zeit. Byron macht sich viele Gedanken und Vorwürfe und fragt sich: Warum ist meine Athletin immer verletzt? Für ihn war es schwer, meinen Körper einzuschätzen, das kann ich gut nachvollziehen, denn ich finde es ja auch selbst schwierig. Aber wir haben Schritt für Schritt gemerkt, dass ich weniger Training brauche. Bei mir ist weniger mehr. Ich brauche Schnelligkeit, um gut zu sein, und eher wenige Sprünge. Ein Training durchzuquälen, wenn es zwickt, bringt bei mir nichts. Ich schätze an Byron, dass er nicht festgefahren ist. Er hat seine Philosophie, aber er liest sich viel an und liebt es, sich national und international mit anderen Trainern auszutauschen. Ich freue mich, dass durch unsere guten Leistungen jetzt auch seine Arbeit sichtbarer wird.

Sie haben bei der LG Nord Berlin mittlerweile eine starke Trainingsgruppe, unter anderem mit den 13-Meter-Springerinnen Sarah-Michelle Kudla und Aliena Heinzmann. Wie kann man sich die Dynamik in diesem Team vorstellen?

Caroline Joyeux:
Es gibt ganz unterschiedliche Charaktere in unserer Gruppe, ich bin zum Beispiel eher ein ruhiger Typ. In sich harmonieren wir alle ganz gut, es ist meistens spaßig im Training, und es ist gut für uns alle, dass wir auf einem ähnlichen Niveau sind, da können wir uns gut pushen. Früher in der Jugend war ich es gewohnt, alleine die Beste zu sein, daher war es für mich zuerst eine Umstellung, als die anderen dazukamen. Aber jetzt betrachte ich es als Segen.

Welche Ziele möchten Sie in dieser Saison noch erreichen?

Caroline Joyeux:
Ich hatte mir Anfang des Jahres Ziele aufgeschrieben, und eines davon war, eine Medaille bei den FISU World University Games zu holen. Das ist jetzt noch umso mehr das Ziel. Und natürlich die WM, dass ich in Tokio dabei bin. Weiter als Tokio denke ich gerade nicht. Ich hoffe erst einmal, dass ich dabei bin, und wenn das klappt, schaue ich weiter.

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