| Persönlicher Rückblick

Mein Moment 2019: Flieg, Engel, flieg!

Auch eine der vielleicht längsten Saisons geht irgendwann zu Ende: Das WM-Jahr 2019 ist Geschichte. Ein Jahr mit dem Highlight in Doha, aber auch mit vielen anderen tollen Meisterschaften und Veranstaltungen. Wir wollen das Jahresende dazu nutzen, um auf einige Höhepunkte zurückzublicken. Aus einer ganz persönlichen Perspektive, für die in all unseren News und Geschichten bisher kein Platz war. Heute: Der Moment, als Malaika Mihambo in Dessau über sieben Meter sprang.
Alexandra Dersch

Es gibt Momente, die sind magisch. Weil sie vom Kopf direkt in Herz gehen. Weil sie Regionen ansprechen, die der Verstand nicht erreicht. Und weil sie sich so tief im Gedächtnis eingraben, als wolle der Körper diesen Moment für die Ewigkeit abspeichern. 2019 war es die unvergleichliche Malaika Mihambo, die mir solch einen Moment bescherte.

Für die Leichtathletik schlägt mein Herz immer in einem leicht erhöhten Takt. Weil sie mehr ist als nur ein Job. Eher eine Herzensangelegenheit, manchmal auch eine Familienangelegenheit. Und Leidenschaften, die einen praktisch von Kindesbeinen an begleiten, haben immer einen besonderen Platz im Herzen.

Doch dass mich die Leichtathletik zu Tränen rührt – das passiert eigentlich nie. Nicht als ich 2009 im Fotografengraben des Olympiastadions in Berlin stand und Übersprinter Usain Bolt (Jamaika) an mir vorbei auf der blauen Bahn zum Weltrekord stürmte. Nicht, als Berlin im vergangenen Jahr Schauplatz einer unvergesslichen Europameisterschaft war und die deutschen Athleten gleich mehrere Heldengeschichten schrieben. Doch als Malaika Mihambo am 14. Juni diesen Jahres beim Anhalt Meeting in Dessau erst bei 7,05 Metern landete, da stand ich da und weinte.

Feuerwerk als Sinnbild für die ganze Saison

Ich weinte, als Malaika Mihambo aus der Grube stieg und plötzlich diesen Ausdruck im Gesicht hatte. Ich weinte, als auf der Anzeigentafel eine Sieben auftauchte. Und ich weinte, als Malaika Mihambo zum Abschluss des Meetings vor einem Feuerwerk aus goldenen Funken stand – so als sei es ein Sinnbild dafür, was sie in dieser Saison noch erreichen würde.

Es war der zweite Sieben-Meter-Sprung in ihrer Karriere. Nur eine Woche zuvor hatte die hochtalentierte Weitspringerin der LG Kurpfalz in Rom (Italien) die magische Marke erstmals geknackt. Dass Malaika Mihambo im Verbund mit ihrem Trainer Ralf Weber das Vermögen dazu hatte, das überraschte wahrlich nicht. Schon so lange hatten wir in der leichtathletik.de-Redaktion ein paar geschichtliche Fakten zu den letzten Sieben-Meter-Sprüngen aus deutscher Sicht abgespeichert – denn dass Malaika Mihambo, deren Vorname in Swahili „Engel“ bedeutet, bald dazu gehören würde, das war nur eine Frage der Zeit.

Mehr als eine Weitspringerin

Daher war es nicht die bloße Weite, die mich an diesem Abend im Dessauer Paul-Greifzu-Stadion so sehr rührte. Natürlich – sieben Meter, das erlebt man nicht alle Tage. Und, ja, Leistungen beeindrucken mich. Aber sind es nicht vielmehr die Menschen und ihre Geschichten, die uns dauerhaft berühren und im Gedächtnis bleiben?

Wie eben diese Malaika Mihambo. Kein Lautsprecher, eher eine stille Athletin. Eine Athletin, die so selbstbewusst und eloquent über ihr Talent reden kann, ohne auch nur einen Moment den Eindruck von Arroganz zu erwecken. Eine intelligente Frau mit enormer Tiefe, die so viel mehr ist als Leichtathletin. Die nur auf Nachfrage von ihrem Leben neben dem Sport erzählt. Von ihrem sozialen Engagement in einer Schule. Von ihrem wöchentlichen Klavierunterricht. Von ihren Reisen, ganz alleine, etwa nach Indien.

Es sind Reisen, die auch ein stückweit Reisen zu sich selbst sind. Die sie mentale Stärke lehren. Und sie neben der Frau Malaika Mihambo auch zu der Athletin Malaika Mihambo machten, die sie heute, am Ende dieser beeindruckenden Saison ist: Weltmeisterin. 7,30-Meter-Springerin. Eine Weitspringerin von Weltformat. Eine Sportlerin, die die Leichtathletik in ihrer Gesamtheit zu dem macht, was sie für mich ist: eine Herzenssache.

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