| Straßenlauf

Amanal Petros bricht den deutschen Marathon-Rekord

Amanal Petros hat am Sonntag in Valencia den deutschen Rekord im Marathon deutlich unterboten. In 2:07:18 Stunden war er mehr als eine Minute schneller als Arne Gabius 2015 in Frankfurt.
Silke Bernhart / dpa / jw

Was für ein Rennen! Amanal Petros (TV Wattenscheid 01) gab am Sonntag beim Valencia Marathon (Spanien) von Anfang an Gas und hatte schon rasch einen Kurs in Richtung 2:06 Stunden eingeschlagen. Wer bei der Halbmarathon-Marke von 1:03:09 Stunden in Sorge war, dass der 25-Jährige einbrechen würde, den strafte er Lügen: Zwar war die zweite Rennhälfte nicht mehr ganz so schnell, doch er hielt das Tempo weiterhin hoch und überquerte schließlich nach fantastischen 2:07:18 Stunden (noch inoffiziell) als viertbester Europäer auf Rang 16 die Ziellinie.

Der deutsche Rekord von Arne Gabius (TherapieReha Bottwartal) war damit Geschichte. Gabius hatte 2015 in Frankfurt die zu diesem Zeitpunkt schon 27 Jahre alte Rekordmarke auf 2:08:33 Stunden geschraubt. Fünf Jahre darauf hat Deutschland nun wieder einen neuen Deutschen Rekordhalter, und der heißt Amanal Petros – welcher darüber hinaus binnen eines Jahres in Valencia zum zweiten Mal unter der Olympia-Norm (2:11:30 h) blieb.

"Super! Klasse gemacht, Chance genutzt", sagte Arne Gabius der Deutschen Presse-Agentur über seinen 14 Jahre jüngeren Nachfolger. "Amanal wird sich in den nächsten Jahren weiter verbessern. Er hat ein super Niveau, ist ein super Talent. Ich traue ihm mal eine Zeit von 2:05 Stunden zu", meinte Gabius, der ebenfalls noch auf eine Olympia-Startchance 2021 in Tokio hofft.

Ein Kaffee für die Tempomacher

„Geplant war eigentlich eine Halbmarathon-Zwischenzeit von rund 65 Minuten. Dann wollte ich auf den letzten zehn Kilometern noch zulegen. Aber ich fand nach dem Start nicht die entsprechenden Tempomacher für diese Gruppe. Ich bin dann einfach weitergelaufen mit einer anderen Gruppe, da ich mich gut fühlte“, erzählte Amanal Petros gegenüber dem Race-News-Service.

„Nach einigen Kilometern merkte ich, dass das doch ein ziemlich schnelles Tempo ist, und erkundigte mich bei einem Begleit-Motorradfahrer. So habe ich erfahren, dass ich in der Gruppe für eine 2:06-Zeit laufe. Inzwischen waren schon fünf Kilometer gelaufen und ich entschloss mich, weiter in der Gruppe zu bleiben. Die drei Tempomacher waren super, sie haben uns vor dem Wind geschützt und dann später sogar bis 35 statt 30 Kilometer Tempo gemacht. Wir haben sie kurz vor 30 gefragt, ob sie noch weiterlaufen würden und ihnen gesagt: Wir laden Euch dann später zum Kaffeetrinken ein!“

Amanal Petros unterbot bei seinem Rekordlauf auch die bisherige deutsche Bestzeit über die 25-Kilometer-Distanz deutlich: Nach Einführung der internationalen Standard-Vermessung für Straßenrennen war der Berliner Rainer Wachenbrunner 1992 mit 1:15:21 Stunden die bisher schnellste deutsche 25-Kilometer-Zeit gelaufen. „Nach rund 27 Kilometern wusste ich, dass ich den Marathon-Rekord brechen kann“, sagte Amanal Petros, dessen 30-Kilometer-Zwischenzeit von 1:30:07 Stunden ebenfalls unerreicht ist in Deutschland.

Trainer "kurz vor dem Herzstillstand"

„Das war diesmal eine etwas andere Strecke als im letzten Jahr, wegen der Corona-Auflagen, ging es zweimal auf 21 Kilometer. Das ist mental nicht immer einfach und nicht unbedingt ein Vorteil, wenn man in eine zweite Runde geht“, kommentierte Trainer Tono Kirschbaum, „aber Aman hatte da keine Probleme und hat nach hinten raus alles gut umsetzen können. Er ist sowieso ein Typ, der, wenn es rollt, sich nicht scheut, Risiko zu gehen. Dazu gehört schon eine Menge, so ein Marathon kann lang werden.“

Nach dem rasanten Anfangstempo war auch der erfahrene Coach kurzzeitig in Aufregung. „Das war sehr couragiert, als ich die Zwischenzeit gesehen hab, war ich kurz vor dem Herzstillstand“, schildert Tono Kirschbaum seinen Gefühlshaushalt. „Ich dachte: au weia. Wie will er das durchhalten? Dazu war es sehr windig – aber Aman konnte sich gut in einem Pulk halten.“

Sorge um die Familie in Äthiopien

Die Leistung des Wattenscheiders ist umso höher einzuschätzen wenn man weiß, welche privaten Sorgen Amanal Petros seit einigen Wochen umtreiben: Der Langstreckler bangt um seine Familie, die aus ihrem Heimatland Eritrea nach Äthiopien geflüchtet war, als er zwei Jahre alt war. Amanal Petros hatte sich im Alter von 16 Jahren alleine als Flüchtling auf den Weg nach Deutschland gemacht. Seine Mutter und seine Schwestern leben noch immer in der Region Tigray, in der zurzeit blutige Auseinandersetzungen mit der äthiopischen Regierung herrschen.

"Ich kann meine Familie seit vier Wochen nicht erreichen", hatte Amanal Petros am Donnerstag auf Instagram berichtet und dazu einen bedrückenden Lagebericht veröffentlicht, auf den er viele bestürzte und zugleich Mut machende Reaktionen erfahren hatte. "Mit dieser Ungewissheit, ob meine Familie und Freunde okay sind oder nicht, werde ich am Sonntag meinen zweiten Marathon in Valencia laufen. Ich werde ihn mutig angehen und an mein Volk denken, das ohne Grund gestorben ist oder fliehen musste."

Olympia-Norm für Richard Ringer

Für Debütant Richard Ringer (LC Rehlingen) erfüllten sich zwar nicht alle Wünsche, in 2:10:59 Stunden lieferte er dennoch einen beachtlichen Marathon-Einstand ab und war damit der zweitschnellste Deutsche. In Richtung 2:10 Stunden wollte er laufen, mit einem negativen Split und einer schnelleren zweiten Rennhälfte. Doch nach einer Halbmarathon-Zeit von 1:04:36 Stunden wurde es auf der zweiten Hälfte besonders gegen Ende hart. Mit seiner Leistung ist Richard Ringer nun trotzdem nach Amanal Petros und Hendrik Pfeiffer der dritte Deutsche, der die Olympia-Norm für Tokio unterbieten konnte.

"Was für ein geniales Gefühl ist das bitte, wenn man es ins Ziel schafft?" bilanzierte Richard Ringer nach dem Rennen zufrieden auf Instagram. Und: "Ich bin jetzt der Dritte im Bunde, da muss ich schauen, ob ich im Frühjahr noch mal ran muss. Es war heute ein hartes Rennen, da denkt man nicht sofort wieder an den nächsten Marathon."

Insgesamt sei Valencia schon "ziemlich top" gewesen. "Aber ich bin einfach noch ein Anfänger, was den Marathon betrifft, und jetzt gilt es, noch mehr Erfahrungen zu sammeln." Unter anderem ab Januar in einem Trainingslager in Kenia, das er gemeinsam mit dem neuen Deutschen Rekordler Amanal Petros absolvieren will.

Emotionale Tage für Philipp Pflieger

Für Philipp Pflieger (LT Haspa Marathon Hamburg) endete eine emotionale Woche mit einer neuen Bestzeit von 2:12:15 Stunden – auch er hatte sich die Olympia-Norm zum Ziel gesetzt und lag lange auf gutem Kurs, bevor am Ende die Kräfte schwanden. Der Olympia-Teilnehmer hatte bis zuletzt um seinen Start bangen müssen, nachdem sein obligatorischer erster Corona-Test fälschlicherweise positiv gewesen war und er erst einige Tage und mehrere negative Tests darauf doch noch die Reise nach Valencia antreten konnte.

"Ich will ehrlich sein. Nach dem Rennen heute brauchte ich ein bisschen Zeit für mich selbst und ich habe geweint", schreibt Philipp Pflieger in einem sehr offenen Statement auf Instagram. "Das war nicht das Ergebnis, für das ich mir in den vergangenen sechs Monaten im Training den Arsch aufgerissen habe. Und dennoch ist es der erste Marathon seit zweieinhalb Jahren, den ich beenden konnte, und meine erste Bestzeit seit fünf  Jahren." Vielleicht sei der Valencia Marathon daher auch der Auftakt in seine zweite Marathon-Karriere, denn er bedeute auch einen Fortschritt.

Evans Chebet bezwingt Lawrence Cherono

Nach etwas mehr als der Hälfte des Rennens aussteigen musste Tom Gröschel (TC Fiko Rostock). Der Deutsche Marathon-Meister von 2019 hatte sich im Vorfeld des Rennens mit einem Infekt herumplagen müssen und konnte das schnelle Tempo der deutschen Mitstreiter nicht mitgehen. Nach 1:07:01 Stunden passierte er die Halbmarathon-Marke, die 25-Kilometer-Marke erreichte der 29-Jährige nicht mehr.

Den Sieg machten in Valencia zwei Läufer aus Kenia unter sich aus. Und die Entscheidung fiel erst auf den Metern – vielleicht in dem Moment, als Lawrence Cherono, die Ziellinie schon fast im Blick, strauchelte und Evans Chebet sich den entscheidenden Vorteil verschaffen konnte. Chebet sprintete mit knappem Vorsprung in Richtung Ziellinie und Cherono konnte ihn nicht mehr einholen. Nach glänzenden 2:03:00 und 2:03:04 Stunden waren beide mit Bestzeiten im Ziel. Das Nachsehen hatte Birhanu Legese (Äthiopien), der mit seiner Bestmarke von 2:02:48 Stunden als Favorit gehandelt wurde, die letzte Tempoverschärfung aber nicht mehr mitgehen konnte. Er wurde in 2:03:16 Stunden Dritter.

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