| Rückblick

Mein Moment: Armand Duplantis kratzt beim PSD Bank Meeting am Weltrekord

Es war kein Jahr wie jedes andere. Das Virus Covid19 beherrschte die Welt und damit auch die Welt der Leichtathletik. Und dennoch war es ein Jahr, in dem die Menschen nach anfänglicher Schockstarre schnell wieder in Bewegung kamen, kreativ wurden und bewiesen: Keine Krise kann uns aufhalten. Die Redaktionsmitglieder von leichtathletik.de blicken auf ihren persönlichen Leichtathletik-Moment des Jahres zurück. Heute: der Fast-Weltrekord von Armand Duplantis in Düsseldorf.
Martin Neumann

Der Stabhochsprung ist eine der komplexesten und elegantesten Übungen in der gesamten Sportwelt. Nur wer Schnelligkeit, Athletik, Technik und Mut zusammenbringt, hat überhaupt die Chance, in dieser Disziplin weit zu kommen. Vereint man alle Fähigkeiten auf höchstem Niveau, ergibt sich eine Ästhetik, die im Sport für viele Zuschauer unvergleichbar ist. So wie Armand Duplantis am 4. Februar 2020 beim PSD Bank Meeting in Düsseldorf.

Wer den damals 20-Jährigen in seinem ersten Wettkampf nach vier Monaten in Düsseldorf sah, erahnte die Perfektion des Stabhochsprungs, die er im neunten Versuch des Abends mit seinem ersten Sechs-Meter-Sprung in der Halle krönte. Sogar der Weltrekord von 6,17 Metern war in Düsseldorf möglich. Nach 18 Schritten Anlauf schraubte sich Armand Duplantis im zweiten Versuch in die Luft und überwand die Latte mit Beinen und Rumpf. Seine Mutter Helena in der ersten Zuschauerreihe an der Stabhochsprunganlage hatte wie die restlichen 2.000 Fans und der Europameister selbst schon den Jubelschrei auf den Lippen.

Der Ellenbogen verhindert in Düsseldorf den Weltrekord

Doch der 20-Jährige hatte den rechten Arm zu dicht am Körper und touchiert mit dem Ellenbogen leicht die Latte. Diese Berührung reichte aus. Die Latte fiel. „Bessere Sprünge habe ich selbst noch nicht gesehen“, sagte der mehrmalige Deutsche Meister Tobias Scherbarth. Keine 100 Stunden später meisterte Armand Duplantis die Rekordmarke in Torun (Polen), um eine Woche darauf in Glasgow (Großbritannien) noch einen Zentimeter draufzusetzen. Für den Weltrekord von 6,18 Metern benötigte er von seiner Einstiegshöhe bei 5,50 Metern lediglich sechs Versuche.

Kein anderer Athlet in der Geschichte des Stabhochsprungs schafft es, die freiwerdende Energie aus der Stabbiegung so effektiv und elegant zu nutzen wie Armand Duplantis. Er nimmt die Kraft des sich streckenden Stabes auf und lässt sich davon über die Latte katapultieren. So baut er sogar bei Höhen um sechs Meter regelmäßig „Häuser“ über der Latte. Selbst Stabhochsprung-Legenden wie Sergey Bubka oder Renaud Lavillenie wiesen bei ihren Rekordsprüngen nie eine solche Eleganz auf wie der noch immer sehr junge Schwede. Im Vergleich wirkten ihre Sprünge wie „harte Arbeit“, während Armand Duplantis für eine Art „leichtes Schweben“ steht.

Auch im Freien der Beste aller Zeiten

Sein Ziel sei es, „häufiger das Fliegen“ zu erleben. „So wie bei der EM in Berlin oder heute Abend in Düsseldorf“, sagte Armand Duplantis nach seiner eindrucksvollen Gala beim PSD Bank Meeting. Er sollte 2020 noch so einige „Flugstunden“ erleben. Nicht nur bei seinen Weltrekorden in der Halle, sondern auch im Sommer mit fünf Sechs-Meter-Wettkämpfen in der kurzen Late Season.

Am 17. September schwebte Armand Duplantis in Rom im siebten Versuch des Abends über 6,15 Meter. Höher ist noch kein Athlet im Freien gesprungen. Die alte Bestmarke von 6,14 Metern hatte Sergey Bubka 26 Jahre zuvor in der Höhe von Sestriere aufgestellt. Damals gab es noch größere Aufleger für die Latte, sodass sie nicht so leicht fiel, und deutlich mehr Zeit vor den Sprüngen.

Der 4. Februar 2020 war für Armand Duplantis die Initialzündung für einen weiteren Entwicklungsschritt in der ohnehin schon so erfolgreichen Karriere. Der „Welt-Leichtathlet 2020“ wird sich nicht zum letzten Mal in den Rekordlisten verewigt haben. Sein Auftritt in Düsseldorf hat gezeigt, dass auch 6,25 oder 6,30 Meter für ihn möglich sind. Und das auf eine unvergleichbar ästhetische Art.

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