| Straßenlauf

Richard Ringer: Vom Olympia-Marathon und dem Potenzial für noch schnellere Zeiten

Am Mittwoch sind es noch 100 Tage bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Tokio. Zwar ist der Kampf um die jeweils drei deutschen Startplätze im Marathon noch nicht abgeschlossen. Richard Ringer aber kann seit Sonntag sehr sicher davon ausgehen, dass er zum deutschen Olympia-Team zählen wird. Mit seiner Zeit von 2:08:49 Stunden hat er sein Marathon-Potenzial längst noch nicht ausgereizt – das verdeutlicht unter anderem seine Renngestaltung in Siena.
Jörg Wenig

Richard Ringer (LC Rehlingen) steigerte sich am Sonntag in Siena (Italien) im Marathon auf 2:08:49 Stunden und wurde damit zum viertschnellsten deutschen Marathonläufer aller Zeiten. Vor ihm stehen in dieser Liste nur Amanal Petros (TV Wattenschied 01; 2:07:18 h) sowie die früheren Deutschen Rekordhalter Arne Gabius (2:08:33 h) und Jörg Peter (2:08:47 h).

Es war erst der zweite Marathonlauf des 32-Jährigen, und 2:08:49 Stunden sind bei Weitem noch nicht das Ende der Fahnenstange. Mit 2:10:59 Stunden war er im Dezember in Valencia (Spanien) ein gutes Debüt gelaufen. „Ich denke, dass es zwei Jahre dauert, um im Marathon richtig anzukommen“, sagt Richard Ringer, der mit seiner Freundin, der österreichischen Langstreckenläuferin Nada Ina Pauer, in Unteruhldingen am Bodensee wohnt. „In den vier Monaten seit dem Valencia-Marathon habe ich einen ordentlichen Sprung gemacht. Besonders viel gebracht hat dabei das sechswöchige Trainingslager in Kenia.“

Überragende zweite Rennhälfte

Dass Richard Ringer schon jetzt schneller laufen könnte als 2:08:49 Stunden zeigt sich an der Geschwindigkeit, die er im Schlussteil des Rennens noch entwickeln konnte. Den 10-Kilometer-Abschnitt von 30 zu 40 Kilometer lief er in 29:47 Minuten. Zwar lässt sich diese Zwischenzeit nicht einfach so auf die 42,195 Kilometer übertragen, aber es wäre ein Tempo für eine Endzeit von unter 2:06 Stunden. Wie der Berliner Physik-Professor und Laufsport-Experte Helmut Winter errechnete (es gab keine offiziellen 40-Kilometer-Zwischenzeiten), lief Richard Ringer die letzten 2,195 Kilometer in 6:13 Minuten und damit sogar vier Sekunden schneller als der Sieger Eric Kiptanui (Kenia; 2:05:47 h) auf diesem Abschnitt.

Aber nicht nur die aktuelle Form, sondern auch der bisher eher noch moderate Trainingsumfang sprechen für weiteres Potenzial im Marathon. „Vor Valencia habe ich im Schnitt 140 Kilometer pro Woche trainiert, jetzt waren es vor Siena 155“, erzählt Richard Ringer, der von Wolfgang Heinig betreut wird. „Mit den langen Trainingsläufen habe ich noch zu kämpfen. Da lässt sich noch einiges ausbauen.“ Was er sich in der Zukunft zutraut bei einem schnellen City-Marathon? „Ich glaube, ein Drei-Minuten-Tempo zu laufen ist nichts, was ewig weit weg ist“, sagt Richard Ringer. Dies würde einer Zeit von rund 2:06:30 Stunden entsprechen.

Weiter auf der Bahn und den Unterdistanzen unterwegs

Mit seiner sehr guten Grundschnelligkeit ist der EM-Dritte von 2016 über 5.000 Meter und 10.000-Meter-Europacup-Sieger von 2018 gut positioniert, um derartige Zeiten im Marathon zu erreichen. Obwohl der Marathon nun im Mittelpunkt steht, will der Langstreckenläufer auch weiterhin bei Bahnrennen antreten. „Ich möchte weiter an meiner Schnelligkeit arbeiten und plane, in der Sommersaison über 10.000 und 5.000 Meter zu laufen. Bezüglich der EM in München im nächsten Jahr könnte sich eventuell ein 10.000-Meter-Start anbieten“, sagt Richard Ringer.

Nach einer einer kurzen Erholungsphase will der Athlet vom LC Rehlingen bereits am 5. Mai einen Halbmarathon laufen. Dies ist ein Testrennen im japanischen Sapporo, wo auch die Olympia-Marathonläufe stattfinden. Eine größere Anzahl von Topathleten wurden dafür eingeladen. Sie können somit die Gegebenheiten schon einmal testen.

Während das Rennen in Siena aufgrund der starken Tempoverschärfung von Richard Ringer im Schlussteil prinzipiell darauf hindeutet, dass der 32-Jährige auch in einem großen Meisterschaftsrennen mit oft ähnlichen Rennverläufen eine gute Rolle spielen könnte, ist er hinsichtlich des Olympia-Marathons zurückhaltend: „Taktische Rennen kommen mir zwar eigentlich eher entgegen, aber ich bin kein Hitzeläufer“, sagt Richard Ringer, der sich mit seinem Trainer noch absprechen wird bezüglich der Vorbereitung auf hohe Temperaturen. Die großen City-Marathonrennen sind zukünftig sicherlich eine interessante und zudem lukrative Alternative.

Die zehn schnellsten deutschen Marathonläufer der Geschichte

Zeit Athlet Verein Ort Datum
2:07:18 Amanal Petros TV Wattenscheid 01 Valencia (ESP) 06.12.2020
2:08:33 Arne Gabius TherapieReha Bottwartal Frankfurt 25.10.2015
2:08:47 Jörg Peter SC Einheit Dresden Tokio (JPN) 14.02.1988
2:08:49 Richard Ringer LC Rehlingen Siena (ITA) 11.04.2021
2:09:03 Michael Heilmann OSC Berlin Hiroshima (JPN) 14.04.1985
2:09:23 Christoph Herle VfL Waldkraiburg London (GBR) 21.04.1985
2:09:45 Stephan Freigang LC Cottbus Berlin  30.09.1990
2:09:55   Waldemar Cierpinski SV Halle Montreal (CAN) 31.07.1976
2:10:01 Ralf Salzmann PSV Grün-Weiß Kassel Tokio (JPN) 14.02.1988
2:10:18 Hendrik Pfeiffer TV Wattenscheid 01 Sevilla (ESP) 23.02.2020
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