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Die Stimme der Leidenschaft: Wolf-Dieter Poschmann wird 70

30 Jahre lang hat Wolf-Dieter Poschmann die Sportsendungen im ZDF entscheidend mitgeprägt – als Moderator des "Aktuellen Sportstudios“, als Hauptabteilungsleiter Sport und zuletzt als Chefreporter Sport. Am 22.Mai feiert er seinen 70. Geburtstag.
Peter Middel

Wolf-Dieter Poschmann war Fachmann für Leichtathletik, Fußball, Triathlon und Eisschnelllauf, er war Journalist mit Leib und Seele und berichtete von 1988 bis 2016 unter anderem von acht Olympischen Sommer- und sechs Olympischen Winterspiele. Eine hohe Wertschätzung und ein großes Vertrauen wurden ihm zuteil, als er innerhalb dieses Zeitraums für das ZDF fünfmal die Eröffnungs- und zweimal die Abschlussfeier kommentieren durfte.

Emotional tief beeindruckt war Wolf-Dieter Poschmann vor allem von der Eröffnungsfeier bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta (USA), bei denen im Vorfeld nicht bekannt war, wer das olympische Feuer entzünden würde. Die Überraschung war groß, als Box-Legende Muhammad Ali, schon schwer gezeichnet von seiner Parkinson-Erkrankung, mit zittriger Hand die Fackel entgegennahm und die Olympische Flamme entfachte. „Ali, Ali“, skandierten die 80.000 Zuschauer. Die Lautstärke im Stadion war ohrenbetäubend, und nicht nur der frühere US- Präsident Bill Clinton weinte vor Rührung.

Dieser ergreifende Moment wird Wolf-Dieter Poschmann immer in Erinnerung bleiben, genauso wie der Augenblick, als Nils Schumann bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney (Australien) im 800-Meter-Finale nach einer taktischen Meisterleistung in 1:45,08 Minute den damaligen Weltrekordler Wilson Kipketer aus Dänemark (1:45,14 min) und den Algerier Djabir Said-Guerni (1:45,16 min) auf der Zielgeraden völlig überraschend niederrang und damit das erste Olympia-Gold auf der Zwei-Runden-Distanz für Deutschland gewann.

Wolf-Dieter Poschmann besuchte Nils Schumann vor Sydney-Triumph

„Diese Sensation hatte für mich auch eine persönliche Note, weil ich im Vorfeld von Sydney einen längeren Beitrag über Nils Schumann zusammengestellt hatte. Dafür war ich drei Tage bei ihm in Erfurt, sodass sich damals ein freundschaftliches Verhältnis zwischen uns entwickelte.  Als er dann Olympiasieger wurde, war ich so ergriffen, dass mir die Stimme wegbrach, und ich für kurze Zeit mein Mikrophon ausschalten musste,“ erinnert sich der langjährige Sportkommentator des ZDF.

Der Triumph von Nils Schumann war damals auch für die TV-Zuschauer ein emotionaler Moment, denn Wolf-Dieter Poschmann verstand es wie kaum ein anderer, mit seiner unübertroffenen Leidenschaft die Atmosphäre im Stadion auch an heimischen Bildschirmen spürbar zu machen. Der Mainzer bildete bei zahlreichen Leichtathletik-Highlights mit seinem Co-Kommentator Peter Leisl, der auch heute noch für das ZDF tätig ist, ein eingespieltes Duo.

1986 begann Wolf-Dieter Poschmann als freier Mitarbeiter beim ZDF zu arbeiten. Einen steilen Karrieresprung machte er 1994, als er erstmalig das “Aktuelle Sportstudio“ moderieren durfte. Bis 2011 war er 280 Mal Gastgeber in der Kultsendung des ZDF. Dabei erwarb er sich durch sein souveränes Auftreten große Anerkennung, sodass er mehrfach zum TV-Journalisten des Jahres gewählt wurde. 2011 wurde der profunde Kenner der Leichtathletik-Szene mit dem Medienpreis des Deutschen Leichtathletik-Verbandes ausgezeichnet.

Deutscher Vize-Meister im Marathon 1973

Zu Wolf-Dieter Poschmanns Markenzeichen zählten auch seine Interviews, bei denen er schnell den Zugang zu den Sportlerinnen und Sportlern fand. Er konnte sich gut in ihre Mentalität hineinversetzen, weil er selbst aus dem Leistungssport kam. Zwischen 1973 und 1986 war der 15-fache Länderkampf-Teilnehmer fast bei allen Deutschen Meisterschaften vertreten und kam dort auf den Langstrecken meist unter die ersten Fünf.

Die beste Platzierung gelang ihm 1973, als er in Eschborn überraschend Deutscher Vizemeister im Marathonlauf wurde. Mit seinen persönlichen Bestzeiten von 7:54,50 Minuten über 3.000 Meter, 13:35,07 Minuten über 5.000 Meter, 28:28,64 Minuten über 10.000 Meter, 8:32,20 Minuten über 3.000-Meter-Hindernis, 1:03:36 Stunde im Halbmarathon (damals Deutscher Rekord) und 2:19:29 Stunden im Marathonlauf würde „Poschi“, wie ihn seine Läuferkollegen nennen, auch heute noch zu den starken deutschen Langstrecklern zählen.

Mit dem Wissen von heute hätte der Sieger von zahlreichen großen Straßenläufen, der während seiner aktiven Zeit für die LG Rheinberg, den TV Wattenscheid, die LG Jägermeister Bonn und den ASV Köln startete, damals einiges anders gemacht. „Ich habe im Nachhinein viel zu hart trainiert und den Wert der Erholung nicht hoch genug eingeschätzt. Wenn es richtig gut bei mir lief, dann habe ich am folgenden Tag meist noch härter trainiert. Dadurch habe ich mir 1976 im Marathonlauf die mögliche Teilnahme an den Olympischen Spielen in Montreal vermasselt.“

Keine Wehmut

Bei seinen eigenen sportlichen Aktivitäten spielt der Leistungsgedanke für den Geburtstagsjubilar inzwischen keine Rolle mehr. Um weiter fit zu bleiben, joggt er, fährt Rad, trainiert im eigenen Fitnesskeller und spielt seit zehn Jahren Golf. Auf den Sport kann er nämlich nach noch so vielen ereignisreichen Jahren nicht verzichten – genauso wie auf seine bei Straßenläufen und Leichtathletik-Meetings allseits geschätzte Moderatoren-Tätigkeit, die er gerne fortführen möchte, wenn im Veranstaltungsbereich wieder Normalität eingekehrt ist.

Dass der frühere ZDF-Sport-Chef seit seiner Pensionierung im Jahr 2016 nicht mehr auf dem Bildschirm präsent ist, bildet für ihn dagegen kein Problem. Im Gegenteil: „Ich bin froh, dass ich nicht mehr jedes Wochenende oder wie früher bei internationalen Großereignissen sogar mehrere Wochen unterwegs bin. Nun genieße ich zusammen mit meiner Frau, die früher auf vieles verzichten musste, das Leben ohne jegliche zeitlichen Zwänge.“

Neuer Blickwinkel auf Olympische Spiele

Auch am 23. Juli, wenn die Olympischen Spiele in Tokio (Japan) eröffnet werden, wird bei Wolf-Dieter Poschmann keine Wehmut aufkommen: „Ich habe während meiner Tätigkeit beim ZDF so viel spannendes und großartiges erlebt und durfte ein kleiner Teil von großen Sportmomenten sein. Dafür bin ich unwahrscheinlich dankbar, sodass ich in Zukunft nichts vermissen werde.“

Bei den Übertragungen aus Tokio will er sich vor allem die Entscheidungen in seinen Lieblingssportarten Leichtathletik, Fußball und Triathlon ganz entspannt anschauen. Die Spiele aus dem Blickwinkel des TV-Zuschauers zu erleben, wird für ihn nach 30 Jahren ein ganz neues Gefühl sein.

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