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Marvin Heinrich – Neu geordnet voll auf die 800 Meter setzen

Einige junge Aufsteigerinnen und Aufsteiger, ein Außenseiter, aber auch Athletinnen und Athleten, die schon seit Jahren zur DLV-Spitze zählen, haben bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig im zurückliegenden Sommer ihren ersten Titel auf nationaler Ebene gewonnen. Wir stellen sie vor, heute Mittelstreckler Marvin Heinrich (Eintracht Frankfurt).
Jan-Henner Reitze

Marvin Heinrich
Eintracht Frankfurt

Bestleistungen:

800 Meter: 1:45,49 min (2021)
1.500 Meter: 3:40,00 min (2018)

Erfolge:

Deutscher Meister 2021
Siebter Cross-EM 2016 U20-Mannschaft

Schon als U20-Athlet gehörte Marvin Heinrich zu den besten Mittelstrecklern, erlief über 800 und 1.500 Meter Medaillen bei Deutschen Jugendmeisterschaften und qualifizierte sich für internationale Nachwuchsmeisterschaften. Nach dem Schulabschluss richtete der 24-Jährige sein Leben weiterhin auf den Sport aus und ging dafür von Berlin nach Frankfurt. Es ging auch voran, aber der große Durchbruch ließ auf sich warten. Auffällig waren große Schwankungen der Wettkampfleistung.

Durch die Zusammenarbeit mit einem Mentaltrainer und Anpassungen im Training hat sich das in diesem Jahr geändert. Dazu gelang auch eine Steigerung der 800-Meter-Bestzeit um zwei Sekunden und damit der endgültige Durchbruch in die nationale Spitze der Männer. Gekrönt hat der Athlet von Eintracht Frankfurt seine bisher beste Saison mit seinem ersten DM-Titel. Diese lang erhoffte Entwicklung kam überraschend schnell, was den Ärger darüber minderte, dass es im Winter nur knapp nicht zur Qualifikation für die Hallen-EM reichte und im Sommer nur drei Zehntel zur Olympia-Norm fehlten.  

„Ich bin mit meiner Saison sehr zufrieden. Da geht es gar nicht primär um die Steigerung meiner Bestzeit, am meisten freue ich mich über meine konstanten Ergebnisse“, erzählt der Polizei-Kommissar. „Schon in der Hallensaison waren die Wettkämpfe für mich greifbarer. Ich bin mit mehr Ruhe und Selbstsicherheit an den Start gegangen.“ Das soll beibehalten werden und in den kommenden Jahren möglichst zu weiteren Steigerungen beitragen.

Lauftalent zeigt sich schon früh

Zur Leichtathletik kam Marvin Heinrich durch seinen Vater, der ihn im Alter von fünf Jahren in seiner Berliner Heimat beim TuS Neukölln anmeldete. Wie üblich war das Training erstmal breit und spielerisch angelegt. Aber bei Läufen ließ der damalige Schüler seine Konkurrenz in der Schlussphase regelmäßig stehen. Dennoch führte der Spaß an der Sportart erst einmal in die eher auf Sprint und Sprung ausgerichtete Gruppe von Frank Paul beim Neuköllner SF, Trainingspartnerin war damals unter anderem die Olympiateilnehmerin von Tokio (Japan) über 200 Meter Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF).

„Die motorische Ausbildung stand damals im Mittelpunkt“, erinnert sich Marvin Heinrich, der als U18-Athlet schließlich in die Mittelstreckengruppe von Andreas Lehmberg wechselte. Auf nationaler Ebene gehörte er zu den Besten seines Jahrgangs in Deutschland, gewann über 800 Meter Silber bei der Jugend-DM 2014 in Wattenscheid, im ersten U20-Jahr drinnen und draußen jeweils Bronze über diese Strecke. 2016 gelang dann in der Halle sogar der Titelgewinn über 1.500 Meter bei der Jugend-Hallen-DM, wieder in Wattenscheid.

Auch internationale Erfahrung durfte der Nachwuchsathlet früh sammeln, unter anderem bei der U20-EM 2015 in Eskilstuna (Schweden), der U20-WM 2016 in Bydgoszcz (Polen) sowie den Cross-Europameisterschaften dieser beiden Jahre in Toulon-Hyères (Frankreich) und Chia (Italien). Größter Erfolg war dabei Platz sieben mit der Cross-Mannschaft des DLV 2016, als Marvin Heinrich auch im Einzel als 23. der Bestplatzierte des Teams in der Einzelwertung war.

Wechsel nach Frankfurt und zur Landespolizei

Nach seinem Schulabschluss wollte der Abiturient den Sport mit der Vorbereitung auf das Berufsleben verbinden und suchte nach der besten Option, auch außerhalb seiner Heimat Berlin. Am meisten überzeugte das Angebot der Sportfördergruppe der Landespolizei in Hessen verbunden mit einem Wechsel in die Trainingsgruppe des damaligen Nachwuchsbundestrainers Mittelstrecke Georg Schmidt, der heute für die Männerklasse zuständig ist.

Es klappte mit der Aufnahmeprüfung. „Weil der Führerschein die Voraussetzung für den Beginn des Studiums bei der Landespolizei war, habe ich den dann noch innerhalb von zwei Wochen gemacht“, erinnert sich der Mittelstreckler, der sich zuerst mit dem Wiesbadener LV einem hessischen Verein anschloss und seit 2019 bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag steht. Hauptstrecke, auf die das Training ausgerichtet wurde, waren die 1.500 Meter.

Die Einheiten auch mit starken Mitstreitern wie zuerst noch Marc Reuther und bis heute Dennis Biederbick (beide Eintracht Frankfurt) oder dem Deutschen Hallenmeister über 800 Meter Oskar Schwarzer (TV Groß-Gerau) schlugen an. Seine Bestzeit über 1.500 Meter drückte Marvin Heinrich auf 3:40,00 Minuten und qualifizierte sich 2019 auch für die U23-EM. Der ganz große Durchbruch gelang aber nicht, Bestzeiten wechselten sich immer wieder mit enttäuschenden Resultaten ab, auch wenn nur ein kurzer Zeitraum zwischen den Rennen lag. „Im Wettkampf hat es mir am echten Glauben an mich selbst und Überzeugung gefehlt, auch wenn ich immer versucht habe, mir das einzureden“, erzählt der 24-Jährige.

Mit Hilfe von Mentaltrainer an Einstellung gearbeitet

Seit 2019 arbeitet Marvin Heinrich mit Mentaltrainer Henning Thrien zusammen. Im vergangenen Herbst wurde das gemeinsame Ziel formuliert, mehr Konstanz in die Wettkämpfe zu bringen. Dafür wurden im Trainingsalltag bewusst Druck-Situationen herbeigeführt. „Belohnt wurde, wenn ich vorgegebene Zeiten auf die Sekunden getroffen oder den gewünschten Laktatwert erreicht habe, sonst drohten Strafen wie Handyverbot beziehungsweise Verzicht auf Unterhaltungs-Elektronik oder Trainingseinheiten ohne Feedback vom Trainer.“

Insgesamt beschäftigte sich der Athlet viel mit sich und seiner Einstellung, versuchte seine Einheiten konzentriert abzuspulen und sich weniger aus der Ruhe bringen zu lassen. Schon in der Hallensaison 2021 resultierte daraus, dass die Überzeugung wuchs, auch im Wettkampf seine Leistung abrufen zu können. Resultat waren Bestzeiten und eine nur knapp verpasste Hallen-EM.

Im Freien setzte sich diese Entwicklung mit den bisher acht schnellsten Rennen seiner Karriere über 800 Meter und dem Titel bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig fort. „Die Wettkämpfe waren für mich greifbarer. Ich wusste, ich kann das schaffen. Die Ergebnisse kamen dann wie von allein. Es hat eine Weiterbildung des Charakters stattgefunden.“

So weitermachen mit EM in München im Hinterkopf

Das wieder angelaufene Aufbautraining ist jetzt auf die 800 Meter und nicht mehr auf die 1.500 Meter ausgerichtet. Ansonsten soll der eingeschlagene Weg weitergegangen werden. Dass nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums bei der Polizei die berufliche Zukunft abgesichert und erstmal die Freistellung für den Sport erreicht ist, ermöglicht das Training noch fokussierter anzugehen. Konkrete Zeiten nimmt sich Marvin Heinrich für das kommende Jahr nicht fest vor und auch die EM in München soll nicht zu verbissen als Ziel formuliert werden.

„Natürlich ist eine internationale Meisterschaft im eigenen Land immer nochmal ein zusätzlicher Ansporn. Es besteht einfacher die Möglichkeit, dass Familie und Freunde ins Station kommen. Das möchte ich erleben. Und sollte ich an meine Leistungen in diesem Jahr anknüpfen können, ist die Chance auch da. An eine WM-Teilnahme denke ich nicht, noch nicht. Das kommt hoffentlich noch.“

Video: Marvin Heinrich mit starkem Endspurt zum ersten DM-Gold
Video-Interview: Marvin Heinrich: "Wir wollten einen gemeinsamen Angriff starten"

Das sagt der Leitende Bundestrainer Georg Schmidt:

Marvin ist mit großen Ambitionen nach Frankfurt gekommen. In der anfänglichen Euphorie hat er sich gut entwickelt. Dann war aus verschiedenen Gründen der Wurm drin. Es ging ums Training, er war mal verletzt, mental schwand die Überzeugung. Wir haben alles probiert, um das Ruder rumzureißen. 2020 kam dann Corona dazu. Die Ergebnisse waren noch nicht stabil, aber in einem taktischen Rennen bei den Deutschen Meisterschaften hat es für Platz drei über 1.500 Meter gereicht. Das war der Anfang davon, dass es wieder bergauf ging.

Im vergangenen Herbst folgten viele Umstellungen im Training. Wir haben die Variablen reduziert und damit auch die Möglichkeiten, dass etwas schief gehen kann. Wir waren seit anderthalb Jahren in keinem Trainingslager mehr, auch nicht in der Höhe. Wir wollten unsere Hausaufgaben machen. Das hat bei Marvin gut funktioniert. Auch jetzt ist wieder Blocktraining geplant, mit einer ersten Wettkampfphase im Dezember.

In den Jahren davor war er im Wettkampf eine Wundertüte. Mal lief es gut, dann haben seine Rennen wieder ganz und gar nicht zum Leistungsbild im Training gepasst. Es hängt für ihn viel von der Ansteuerung ab. Wir haben in Zusammenarbeit mit Mentaltrainer Henning Thrien daran gearbeitet. Er hat eine stabile Grundsituation in Alltag und Training geschaffen und sich die Eskalation für den Wettkampf aufgehoben.

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