| Porträt

Fokke Kramer: Mit 85 Jahren auf der Jagd nach Rekorden

Er ist 85 Jahre alt und benötigt weniger als 50 Minuten für zehn Kilometer. Kein Senioren-Rekord ist vor Fokke Kramer sicher. leichtathletik.de geht seinem Erfolgsgeheimnis auf den Grund – und verrät auch, wer ihn tagtäglich im Training begleitet.
Jörg Valentin

Der Name Fokke Kramer wird in die Leichtathletik-Geschichte eingehen. Der 85-jährige Schleswig-Holsteiner ist der erste Läufer weltweit, der die 10 Kilometer auf der Straße in seiner Altersklasse unter 50 Minuten zurücklegte. Der Langstreckler vom Bosauer SV am Plöner See lief am zurückliegenden Sonntag bei den Landesmeisterschaften in Kaltenkirchen mit der unglaublichen Zeit von 48:57 Minuten eine fantastische neue Weltbestzeit.

Dabei verbesserte der gebürtige Rheinländer mit ostfriesischen Wurzeln die alte von Ausnahmeläufer Klemens Wittig (Rapid Dortmund) erst im November in Essen am Baldeneysee aufgestellte Bestleistung von 50:33 Minuten um glatte 96 Sekunden. Ein niemals für möglich gehaltener Quantensprung in eine neue Dimension. Klar, dass sich da die Gratulanten bei dem pensionierten Pädagogen die Klinke in die Hand geben.

Und einer der Ersten, der Fokke Kramers Husarenstreich von Kaltenkirchen entsprechend zu würdigen wusste, war der entthronte Rekordler Klemens Wittig. „Unglaubliche Zeit. Ich freue mich sehr für Fokke. Das beweist einmal mehr, zu welchen Höchstleistungen man im Alter immer noch fähig ist“.

Alte Bestmarke pulverisiert

Kramer sind die vielen Beifallsbekundungen schon ein Stück weit unangenehm und aus seinen Worten sprechen große Bescheidenheit und Demut. „Man ist ja kein anderer Mensch, nur weil man einen Weltrekord aufgestellt hat. Aber ein bisschen stolz darf man schon sein.“ Was aber ist das Geheimnis des Erfolges? Sind es die Gene, ist es seine Lebensweise oder ist es etwa die ewige Jugend, die Fokke Kramer zum schnellsten 10-Kilometer-Läufer in der AK 85 auf der Welt gemacht haben?

„Ich muss gestehen, darüber habe ich mir nie viele Gedanken gemacht“, bleibt Kramer seiner Linie treu. „Sport war immer ein Teil meines Lebens, obwohl ich mich wohl eher zur Rubrik Multisportler zählen würde. Egal ob Turnen, Segeln, Fußball oder Leichtathletik, Spaß und Freunde hat mir alles gemacht. Vielleicht ist die Vielseitigkeit ein Teil des Erfolges.“

Erst mit 69 Jahren kam der Wahl-Holsteiner so richtig läuferisch auf Touren. In der Zeit als die Familie ihren Lebensmittelpunkt noch in Österreich hatte, lief er erstmals Wettkämpfe mit Ambitionen. Schon damals rannte er den Gleichaltrigen und auch vielen Jüngeren davon.

Vom Multisportler zum Langstreckler

Und Kramer blieb dem Ausdauersport bis heute treu. Auf den Trainingsrunden immer an seiner Seite ist der polnische Hütehund Hanjo. Hanjo, der eigentlich „Hanibas auf den Schmusepfoten“ heißt, macht aus jedem Trainingslauf ein besonderes Erlebnis. Der Rüde, der immer frei laufen darf, bleibt dann und wann auch schon einmal stehen, dann ist sein Herrchen gefordert zurückzulaufen, um nach ihm zu sehen. Und der Prozess wiederholt sich eins ums andere Mal während des „laufenden Gassigehens“.

Eine Art Fahrtspiel, wie man es kaum perfekter ausführen kann. „Tempowechsel mache ich also tagtäglich. Vielleicht ist das ein weiteres Geheimnis des Erfolges“, scherzt Fokke Kramer. Überhaupt ist Kramer ein Mensch, der seinen Prinzipien treu bleibt. So absolviert er seine Läufe stets am Morgen vor dem Frühstück. „Da reicht mir ein Glas Wasser. Mehr brauche ich nicht, um auf Touren zu kommen.“

Nur ein Glas Wasser vor dem Training

Obwohl es für den Außenstehenden so ausschauen mag, als wäre der Wahl-Norddeutsche eine Maschine, kommt dann und wann der Motor doch einmal ins Stottern. So verpasste Kramer beim Haspa Marathon Hamburg die Weltbestzeit in der AK 85 um eine knappe Minute. Nach 3:57 Stunden kam der „laufende Jungbrunnen“ da ins Ziel. Bis Kilometer 37 lief es für den 85-Jährigen nach Plan, dann aber kam der „Mann mit dem Hammer“ und die Minuten flossen in der Frühlingssonne förmlich dahin.

„Schade, aber das muss man dann auch akzeptieren“, so Kramers nüchternes Fazit. Da war die Verbesserung des nationalen Rekordes von 4:25 Stunden nur ein schwacher Trost. Einen zweiten Versuch in der Altersklasse will er sich nicht mehr zumuten, aber vielleicht dann in der M90 wieder. „Sollte ich da noch laufen können, würde ich es vielleicht noch einmal versuchen“, scherzt Fokke Kramer. 

Fokke Kramer ist keine Maschine

Dass er es auch auf den längeren Straßenstrecken drauf hat, hat er nicht zuletzt mit seinem neuen deutschen Rekord im Halbmarathon nur wenige Wochen zuvor unter Beweis gestellt. Und das bei norddeutschen Schmuddelwetter mit Kälte und Wind. Mit 1:51:39 Stunden jagte er diesen Klemens Wittig mehr als deutlich ab. Die Zeit wäre auch Europarekord gewesen, aber dadurch, dass Kramer zum Zeitpunkt des Wettkampfes das 85. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, blieb ihm das verwehrt.

„Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, so sein Credo. Denn Ziele hat Fokke Kramer immer noch einige fest im Visier, auch wenn er nicht jedem Rekord mehr hinterherlaufen will. Bis dahin heißt es weiterhin früh aufstehen, eisernen Willen zeigen und mit Hund Hanjo seine Runden am Plöner See drehen.

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