| Interview der Woche

Alexandra Wester: "Die sieben Meter sind möglich"

Mit 6,95 Metern hat Weitspringerin Alexandra Wester beim ISTAF Indoor am Wochenende für den Höhepunkt aus deutscher Sicht gesorgt. Die 21-Jährige knackte damit nicht nur die Norm für die Hallen-WM in Portland (USA; 17. bis 20. März), sondern setzte sich nach einer Verbesserung um 23 Zentimeter auch an die Spitze der Weltjahresbestenliste. Nur zwei Deutsche sprangen jemals weiter als sie. Welchen Anteil ihr Coach Charles Friedek an der Leistungssteigerung hat, warum der perfekte Sprung in Berlin noch nicht dabei war und warum sie anders als viele andere DLV-Athleten fest mit einem Start in Portland plant, erzählt die Kölnerin im Interview.
Philip Häfner

Wie haben sich die 6,95 Meter beim ISTAF Indoor für Sie angefühlt?

Alexandra Wester:

Es war extrem befreiend. Eine solche Weite hatte ich nicht erwartet. Mein Ziel für die Hallensaison waren eigentlich die 6,75 Meter gewesen und damit die Norm für die Hallen-WM in Portland. Dass ich in Berlin noch so viel weiter gesprungen bin, hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Ich muss das jetzt erst einmal realisieren.

6,95 Meter sind 23 Zentimeter weiter als Ihre vorherige Bestmarke. Wie erklären Sie sich diese Leistungsexplosion?

Alexandra Wester:

Ich glaube, es ist die Kombination von meinem Trainer Charles Friedek und mir. Wir sind ein tolles Team und arbeiten super zusammen. Mit seiner Hilfe habe ich meine Technik stark verbessern können. Beim ISTAF Indoor habe ich das zum ersten Mal auch im Wettkampf anwenden können.

Woran genau haben Sie gearbeitet?

Alexandra Wester:

An viele Dingen, deshalb ist es auch so schwer immer an alles gleichzeitig zu denken. Was in Berlin vor allem gut geklappt hat, war das Absenken vor dem Absprung. Das hat mir die nötige Höhe bei den Sprüngen gegeben. Es hat sich gleich ganz anders angefühlt, wie richtiges Fliegen!

Es heißt, Charles Friedek soll in Sachen Technik sehr streng sein...

Alexandra Wester:

Charles achtet wirklich sehr auf die Technik. Wenn er mal sagt, dass sie okay war, dann weiß ich, dass es ein Supersprung gewesen sein muss. Mich stört das nicht. Ich finde es im Gegenteil sogar gut, wenn es immer etwas auszusetzen gibt, denn das heißt doch, dass es immer noch besser geht.

Hatte er nach dem ISTAF Indoor auch etwas zu meckern?

Alexandra Wester:

Nein, da war auch er sprachlos. Und wenn du Charles sprachlos erlebst, dann weißt du, dass es gut war!

Nur wenige Minuten vor Ihrem Satz auf 6,95 Meter war die Britin Shara Proctor bereits 6,91 Meter gesprungen. Sie haben sich davon überhaupt nicht beeindrucken lassen. Wie cool ist das denn?

Alexandra Wester:

Das war mein Wettkampf. Ich habe mich nur auf mich selbst konzentriert und überhaupt nicht auf andere geachtet, wie weit sie gesprungen sind. Man muss sich selbst mental unter Kontrolle haben – das ist mir gelungen. Ich bin einfach locker geblieben. Das war einer der ausschlaggebenden Gründe für den Erfolg.

Die ISTAF-Verantwortlichen haben in diesem Jahr erstmals damit experimentiert, die jeweilige Führungsweite mit einem Laser auf den Sand zu projizieren. Hat das geholfen? Bekommt man das als Springerin überhaupt mit?

Alexandra Wester:

Ich fand das super. Ich habe direkt nach meinem Sprung auf die Linie geschaut und wusste gleich, wie weit der war. Das ist nicht nur für die Zuschauer eine große Hilfe, sondern auch für uns Athleten.

Hat beim ISTAF Indoor auch die Atmosphäre in der ausverkauften Arena geholfen?

Alexandra Wester:

Definitiv. Das Publikum war einfach der Hammer. Es war eine tolle Atmosphäre, eine richtige Show. Ich finde super, dass man so etwas in der Leichtathletik organisiert.

Berlin als Ihre neue Lieblingsstadt?

Alexandra Wester:

Genau! (lacht)

Bei 6,95 Metern bietet sich die nächste Zielsetzung ja fast schon an. Bis zur Sieben-Meter-Marke fehlen nur noch fünf Zentimeter...

Alexandra Wester:

Erst einmal muss ich diese Weite auch draußen bestätigen. Aber die sieben Meter sind möglich, zumal ich ja erst 21 Jahre alt bin und hoffentlich noch viele Jahre vor mir habe. In Berlin war der perfekte Sprung noch nicht dabei. Es gibt immer noch Dinge zu verbessern, zum Beispiel die Armhaltung während des Flugs. Aber das ist jetzt der Feinschliff.

Die letzte Deutsche, die in der Halle weiter gesprungen ist als Sie, war 1996 Heike Drechsler, die mit 7,37 Metern auch den deutschen Rekord hält. Ist sie ein Vorbild für Sie?

Alexandra Wester:

Eigentlich habe ich nicht eine Person als Vorbild. Es sind eher die Eigenschaften verschiedener Athleten, die ich bewundere. Die Willenskraft von Allyson Felix, mit der sie sich nach ihrer Verletzung wieder zurückgekämpft hat. Die Lockerheit von Usain Bolt. Die Bodenhaftung von Ashton Eaton, die er sich trotz aller Erfolge bewahrt hat.

Als bislang einzige DLV-Weitspringerin haben Sie die Norm für die Hallen-Weltmeisterschaften in der Tasche. Werden Sie auch nach Portland fliegen oder verzichten Sie wie viele andere deutsche Athleten auf die Titelkämpfe in Übersee?

Alexandra Wester:

Die Hallen-WM wäre mein erster internationaler Wettkampf im Deutschland-Trikot. Das spielt für mich mental eine so große Rolle, dass ich darauf nicht verzichten werde. Die Weltmeisterschaften werden mich noch einmal einen großen Schritt voranbringen. Die zwei Wochen Aufbautraining für den Sommer, die ich dadurch verpasse, sind nichts im Vergleich zu der Erfahrung, in einem solch hochkarätigen Feld zu springen.

Sie reisen – Stand jetzt – sogar als Weltjahresbeste nach Portland. Mit welchen Zielen starten Sie bei der Hallen-WM?

Alexandra Wester:

Oh Gott, darüber habe ich mir bislang noch gar keine Gedanken gemacht. Ich bin erst einmal froh, dass ich überhaupt dort mitspringen kann.

Die USA sind kein Neuland für Sie. Vor einem Jahr haben Sie zwei Semester an der University of Miami studiert. Welchen Anteil hat das dortige Training an Ihren jüngsten Leistungssteigerungen?

Alexandra Wester:

Das Jahr in Florida war eine schöne Erfahrung. Ich habe meinen Horizont erweitert und tolle Menschen kennengelernt. Aber vom Training her finde ich das, was ich in diesem Winter bei Charles Friedek gemacht habe, sehr viel besser. Wir haben viel an meiner Schnelligkeit gearbeitet. Meine Bestleistung über 60 Meter konnte ich so auf 7,53 Sekunden verbessern. Auch das Krafttraining spielt eine große Rolle. Ich verzichte auf Hypertrophie-Training (Anm. d. Red.: langsam ausgeführte Übungen mit maximalem Gewicht) und setze stattdessen auf schnellere Varianten mit geringerer Belastung. Dadurch bekomme ich die Spritzigkeit, die ich brauche.

Modeln Sie neben dem Sport eigentlich noch?

Alexandra Wester:

Bis letztes Jahr noch, aber jetzt habe ich es etwas heruntergefahren, auch wenn ich ab und zu noch ein paar Jobs annehme. Aber in diesem Winter gilt der Fokus zu 100 Prozent der Leichtathletik.

Mehr:

<link news:45924>6,95 Meter - Alexandra Wester springt in neue Sphären

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