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Andreas Hofmann – Aus der zweiten Liga direkt in die Champions League

Manchmal beschreibt Umgangssprache eine Situation einfach doch am treffendsten. „Hammer, fett, Bombe, krass.“ So fand Andreas Hofmann seinen Auftritt bei der Team-Europameisterschaft am Sonntag in Braunschweig. Oder anders ausgedrückt: Mit 86,13 Metern holte der Speerwerfer aus Mannheim den Überraschungssieg und setzte sich auf Platz vier in der aktuellen Weltbestenliste. Eine Weite, die nach über vier Jahren Verletzungspause jede Art der Umgangssprache mehr als rechtfertigt.
Alexandra Neuhaus

Die Hawaikette in Deutschlandfarben hing ihm noch etwas wild um den Hals, als er sich den Journalisten in der Mixed-Zone präsentierte. Sein Auftreten: locker, aber konzentriert. Genau wie nur wenige Minuten zuvor im Wettkampf. „Das ist mein Geheimrezept“, sagte der 1,94-Meter-Mann.

Dass Andreas Hofmann (MTG Mannheim) diese konzentrierte Lockerheit in den letzten Jahren nicht verloren hat, gleicht einem Wunder. Denn seine Leidensgeschichte ist lang. Im Jahr 2009 wurde der damals 17-Jährige U20-Europameister in Novi Sad (Serbien). Ein Erfolg, an den sich nur wahrlich eingefleischte Leichtathletik-Fans erinnern, denn danach wurde es still um den Werfer, der nicht erst seit seinem U20-Triumph als Riesentalent galt.

Der Leidensweg begann bereits kurz nach seinem bislang größten Erfolg und liest sich wie eine Anleitung zum Werdegang eines Anti-Sportlers. 2009 zog er sich einen Haarriss im Mittelfuß zu. Kaum war dieser ausgestanden, verletzte er sich 2010 in der Leiste. 2011 folgte eine Operation in der Schulter und 2012, als er gerade dachte, dass er pünktlich zur den Olympischen Spielen noch fit werden würde und er mit 80,81 Metern eine neue Bestleistung aufgestellt hatte, zwangen ihn Schmerzen im Ellbogen zu einer erneuten Zwangspause.

Wurf aus dem Oberschenkel

„Da wollte ich wohl zu viel und habe auf der Jagd nach der Olympia-Norm meinem Wurfarm nicht genug Pause gegönnt“, sagt er heute selbstkritisch. Die Quittung war bitter: In einer Operation wurde ihm aus dem Oberschenkel eine Sehne entfernt und in den Ellbogen verpflanzt. „Ich werfe also heute praktisch aus dem Oberschenkel“, sagt Andreas Hofmann. Heute, im Jahr 2014, wo alles wieder so rosig läuft und der 22-Jährige nach eigenen Angaben schmerzfrei ist, kann er darüber lachen.

Aber auch in den verletzungsreichen Jahren ließ er sich den Glauben an ein Comeback nicht rauben. „Meine Motivation hat in der Zeit nie gelitten“, sagt der Mannheimer. Was auch an einem guten Zusammenspiel seines Umfelds, bestehend aus Familie, Trainer Lutz Klemm und auch dem Bundestrainer lag. „Boris Obergföll hat mir immer gesagt, ‚Andi, wenn du gesund bist, dann fliegt das Ding‘.“

Stimmt! Seit Ende des vergangenen Jahres ist Andreas Hofmann gesund. „Kein Zwicken, kein Zwacken“, sagt er. Warf er im letzten Jahr unter Schmerzen noch 75,56 Meter, so beförderte ihn der Wurf von Braunschweig, allein an diesen beiden Zahlen gemessen, von der zweiten Liga direkt in die Champions League.

Masse in Geschwindigkeit umsetzen

„Ich bin einfach locker geblieben und habe einen rausgehauen - aber dass der gleich so sitzt, das war schon saugeil“, diktierte Andreas Hofmann der Journalisten-Schar in Braunschweig in die Blöcke. Doch allein die Lockerheit macht aus einem Werfer noch keinen Weltklasse-Werfer. Auch körperlich bringt er beste Voraussetzungen mit. Auf 1,94 Körpergröße verteilen sich 110 Kilogramm. „Ich habe die letzten Jahre etwas Masse gemacht“, sagt er. Etwas – das sind 15 Kilogramm über die letzten vier Jahre. „Wenn man diese Masse in Geschwindigkeit umsetzen kann, kann der Speer weit fliegen“, macht er eine einfache Rechnung auf.

Doch ohne gute Technik fliegt auch dann kein Speer dieser Welt weit. „Da sehe ich bei mir noch Potential“, sagt Andreas Hofmann. Genau wie in seinem Anlauf. Erst kürzlich hat er diesen verlängert. „Auf jetzt rund 15 Meter.“ Im Vergleich zu anderen Speerwerfern in der Weltspitze fehlen ihm damit immer noch fünf, sechs Meter.

Genügend Potential für einen Mann Anfang zwanzig, der gerade erst am richtigen Beginn seiner Speerwurf-Karriere steht. Denn: Die 86 Meter von Braunschweig sollen kein Ausrutscher gewesen sein. „Ich werde diese Weite jetzt sicherlich nicht in jedem Wettkampf abrufen können“, sagt Andreas Hofmann. „Aber bei 83 Metern will ich mich stabilisieren. Und dann kann immer einer rausrutschen.“

Am liebsten bei der EM in Zürich (Schweiz; 12. bis 17. August). „Da würd‘ ich es gern wieder so wie in Braunschweig machen. Aber, hey, immer schön locker bleiben.“

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