| Neue Enthüllungen

ARD-Dokumentation belastet Sportminister Mutko

Die ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping – Showdown für Russland" bringt die Sportmacht weiter in Bedrängnis – und zumindest die Leichtathleten gefährlicher an einen Olympia-Ausschluss. Direkt belastet wird Sportminister Witali Mutko.
dpa/pr

Russlands Sportminister Witali Mutko ist durch die ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping – Showdown für Russland" nun selbst stark unter Druck geraten. In dem Film, der am Mittwoch (22.45 Uhr/ARD) auf dem Programm stand, werden Belege gezeigt, die darauf hinweisen, dass Mutko an der Vertuschung des Dopingvergehens eines Fußballers des russischen Erstligisten FK Krasnodar – 2015 Gegner von Borussia Dortmund in der Gruppenphase der Europa League – beteiligt gewesen sein könnte.

Die Anschuldigung gegen Mutko basiert auf einem vertraulichen E-Mail-Verkehr zwischen Sportministerium und Doping-Kontrolllabor. Er wurde dem ARD-Rechercheteam um Hajo Seppelt von einer auf der Gehaltsliste des Ministeriums stehenden Person zugespielt. Demnach geht es in dem Fall um die positive Probe des Fußballers vom 17. August 2014, bei der das verbotene Mittel Hexarelin analysiert wurde.

Doping-Probe vertuscht

"Die Entscheidung soll mit WL abgestimmt werden", schrieb darin ein Mitarbeiter des Ministeriums an das Labor. "WL" sollen die Initialen für Mutko sein, der zwei Vornamen hat: Witali Leontijewitsch. Die positive Probe wurde laut ARD nie veröffentlicht, der Fußballprofi nicht gesperrt.

Mutko gehört dem Council des Fußball-Weltverbandes FIFA an und ist Vorsitzender des Organisationskomitees der WM 2018 in Russland. Die Anschuldigungen gegen ihn dürften auch einen Schatten auf den ersten EM-Auftritt Russlands am Samstag in Marseille (Frankreich) gegen England werfen.

Der Kreml hat die in der ARD-Dokumentation geäußerten Vorwürfe gegen Mutko zurückgewiesen. Die Führung in Moskau kämpfe gegen die Einnahme verbotener Mittel und nehme Verleumdungen nicht einfach hin, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskov. "Das bedeutet nicht, dass wir irgendwelche unbegründeten Behauptungen und unbewiesenen Anschuldigungen hinnehmen", erklärte Peskov der Agentur Interfax.

Manipulation von Kontroll-Plänen

In der ARD-Doku wird auch Mutkos Beraterin, Natalia Shelanova, Doping-Vertuschung vorgeworfen. In einem dem TV-Sender vorliegenden und vom früheren Moskauer Kontrolllaborleiter Grigori Rodshenkov verfassten Dokument wird behauptet, dass sie sich permanent in die tägliche Arbeit des Labors eingemischt habe. Und nicht nur das.

Außerdem soll die russische Anti-Doping-Beauftragte absichtlich Kontrollpläne für Athleten der internationalen Ski- und Biathlon-Verbände untergraben haben. Shelanova wird in dem Dokument auch beschuldigt, Zahlungen und Bestechungsgelder an den Leichtathletik-Weltverband IAAF ausgehandelt zu haben, um positive Tests russischer Sportler geheim zu halten. Der ehemalige IAAF-Präsident Lamine Diack ist in Frankreich wegen Bestechlichkeit im Amt angeklagt. Er soll Doping-Proben gegen Geld vertuscht haben.

Damit erhält der generelle Verdacht, dass Russlands Regierung an der Vertuschung des staatlich gesteuerten Dopings beteiligt sein könnte, neue Nahrung. Die von der IAAF für den 17. Juni angekündigte Entscheidung, ob die Suspendierung des russischen Verbandes aufgehoben wird oder der Bann für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro bestehen bleibt, wird damit noch mehr belastet.

Belasteter Geher-Coach noch im Einsatz

Und damit nicht genug: Der ARD-Film zeigt neue Filmaufnahmen, die dokumentieren sollen, dass der wegen Dopings lebenslang gesperrte frühere Geher-Cheftrainer Viktor Tschegin offenbar noch immer die besten Athleten des Landes coacht. Er hatte jahrelang die russische Medaillenschmiede in Saransk geleitet – zwei Dutzend seiner Schützlinge wurden als Doper erwischt.

Entdeckt hat die ARD ihn offenbar in Adler nahe der Olympiastadt Sotschi, als er im Minibus eine Trainingsgruppe von Elitegehern begleitete. Hinter getönten Glasscheiben sind nur Schemen seines Gesichts erkennbar, doch im Auftrag der ARD identifizierte der Gesichtserkennungsexperte Friedrich Rösing aus Blaubeuren den Coach zu "95 bis 99 Prozent". Dabei hatte Mutko der ARD im April in einem Interview noch versichert: "Tschegin arbeitet nicht mehr. Er arbeitet überhaupt im Sport nicht mehr."

Russland nimmt Ermittlungen gegen Ex-Funktionäre auf

Im Zuge des Dopingskandals in der russischen Leichtathletik hat die Justiz in Moskau Ermittlungen gegen ehemalige Sportfunktionäre aufgenommen. Es gehe um "Personen, die zwischen 2009 und 2013 ihre Vollmachten missbraucht" hätten, teilte Behördensprecher Wladimir Markin am Mittwoch ohne Details mit.

Die Funktionäre seien mitverantwortlich dafür, dass Sportler wegen der Einnahme verbotener Präparate gesperrt worden seien, sagte Markin der Agentur Interfax zufolge. Russland arbeite in dem Fall mit anderen Staaten zusammen, wie Frankreich. Grundsätzlich lehne es Moskau aber ab, dass andere Länder russische Dopingfälle untersuchen, unterstrich Markin.

Russlands Leichtathletik-Verband hat indessen den früheren Weltklasse-Hammerwerfer Kirill Ikonnikov lebenslang gesperrt. Der Olympia-Fünfte von London 2012 sei zum wiederholten Mal positiv getestet worden, sagte Sportminister Witali Mutko am Mittwoch in Moskau der Agentur Tass zufolge.

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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