| Trainingslager II

Deutsche Mehrkämpfer fighten gemeinsam in Südafrika

Naht der Frühling, machen sich alle Kaderathleten auf, noch sommerlichere Trainingsbedingungen aufzusuchen. In alle Winde verstreut schlagen sie ihre Trainingszelte auf. Wir haben ihre Camps aufgespürt und bringen in unserer Trainingslager-Serie das Flair aus der Ferne auf leichtathletik.de. Nummer zwei: die Mehrkämpfer im südafrikanischen Stellenbosch.
Pamela Ruprecht

So unterschiedlich die An- und Abreisezeitpunkte, die Phasen und Schwerpunkte der verschiedenen Athleten und Trainingsgruppen auch sind, bei der Anzahl an Disziplinen auch wenig verblüffend, so gemeinsam ist dem großen Mehrkampf-Team das Ziel des Aufenthalts in Stellenbosch: topfit für die Wettkämpfe im Sommer werden.

„Es sind oder waren alle da, die Rang und Namen haben“, sagte Siebenkampf-Bundestrainer Wolfgang Kühne am Tag seines Rückflugs am vergangen Samstag. Unter den Siebenkämpferinnen sind das: Lilli Schwarzkopf (LG Hannover), Kira Biesenbach, Jennifer Oeser (beide TSV Bayer 04 Leverkusen), Julia Mächtig (SC Neubrandenburg), Cindy Roleder (LAZ im SC DHfK Leipzig) und die beiden Frankfurterinnen Carolin Schäfer und Claudia Rath, die noch bis Mitte April bleiben.

Verschiedenste Trainingsstände

Mit dabei die Heimtrainer der Athletinnen: Reinhard Schwarzkopf, Jürgen Sammert aus Frankfurt und Kühne, der Oeser, Mächtig und Roleder betreut. So wurde in eigenen Trainingsgruppen trainiert, fast jede Mehrkämpferin hat einen anderen Trainingsstand. Jennifer Oeser hat nach ihrer Babypause erst im Januar wieder mit dem Training begonnen, Cindy Roleder das Hürdensprint-Finale der Hallen-EM mitgenommen und Lilli Schwarzkopf die Hallensaison ausgelassen.

Da passen gemeinsame Maßnahmen schwer ins Programm. Auch wenn sich alle Mehrkämpfer am Modell des Blocktrainings orientieren. „Eine große Strategie gibt es, aber jeder macht es momentan ein bisschen anders“, so Kühne. „Sehr zufrieden“ ist der Bundestrainer mit dem Verlauf der Trainingswochen. Die Vorbereitung von Schwarzkopf sah gut aus. Dazu sind Schäfer und Rath nach ihren Verletzungen wieder schmerzfrei.

Vom Muskelkater noch verschont

Bei der WM-Vierten erfolgte der Umbruch von Aufbau- zu mehr Technikeinheiten reibungslos. "Ich bin bis jetzt sogar vom Muskelkater verschont geblieben", sagt Claudia Rath nach der Hälfte des Aufenthaltes. Die Patellasehne, die ihr letztes Jahr noch Probleme bereitete, "hält sich hervorragend". Im Hochsprung ist sie dran, sich das Vertrauen wieder zu erarbeiten.

Auch bei Kira Biesenbach geht es nach ihrer Kreuzband-Operation vor einem knappen Jahr voran. „Wie weit und was ich dieses Jahr machen werde lass ich noch offen“, sagt sie aber noch im Hinblick auf die anstehenden Wettkämpfe. In den freien Stunden erfreute sich die U23-Vize-Europameisterin an den mit Liebe geführten Cafes und den kleinen Geschäfte in Stellenbosch. Zur Erholung machten die Athletinnen auch einen Shopping-Ausflug nach Kapstadt.

Spezialtraining bei Werner Goldmann

„Die Freizeit kann man schon relativ günstig verbringen“, sagt der Bundestrainer. Aber das Training steht natürlich klar im Vordergrund. Seine Zehnkämpfer, der WM-Zweite Michael Schrader (SC Hessen Dreieich) und WM-Siebte Rico Freimuth (SV Halle), mit denen er insgesamt vier Wochen in Stellenbosch verbrachte, haben eine sogenannte „Realisation-Phase“ hinter sich. Schrader sei „ohne Probleme“ durch das Training gekommen und habe „einen guten Eindruck gemacht“. Auch bei Freimuth lief es rund.

Die weiteren Mehrkämpfer Kai Kazmirek (LG Rheinwied), Jan Felix Knobel (Königsteiner LV) und die Ulmer Arthur Abele und Matthias Brugger, sowie Zehnkampf-Bundestrainer Rainer Pottel, sind noch bis nach Ostern in Südafrika. Pascal Behrenbuch (LG Eintracht Frankfurt) bereitet sich wie schon in den vergangenen Jahren separat vor, dieses Jahr in den USA.

Trotz der Periodisierung und den daraus resultierenden verschiedenen Phasen, „versuchen wir einige Einheiten zusammen zu absolvieren“, sagt Kazmirek. Besonders die von den meisten angenommenen Wurfeinheiten mit Kugel und Scheibe bei Diskus-Bundestrainer Werner Goldmann zahlen sich aus,  „sodass schon einige Fortschritte zu erkennen sind.“ Auch mit den Stabhochsprung-Trainern absolvierten die Mehrkämpfer ein paar Stunden. Solche Gelegenheiten werden natürlich genutzt.

Kai Kazmirek über Freundschaft und Konkurrenz

Die Trainingsintensität in diesen Wochen in Stellenbosch ist enorm und fordert den Körpern der Mehrkämpfer alles ab. Jeden Tag Training außer Sonntag. Je nachdem welche Schwerpunkte in den Gruppen gesetzt wurden, werden in den einzelnen Disziplinen mehr oder weniger Einheiten veranschlagt. Dass das straffe Programm erfolgreich gemeistert wird, liegt nicht nur am Ambiente, „sondern größtenteils an den Freundschaften, die unter uns Mehrkämpfern entstanden sind“, erzählt Kazmirek.

Das Verhältnis zwischen den Athleten beschreibt er als sehr locker: „Man scherzt untereinander und steht harte Trainingseinheiten gemeinsam durch.“ Sobald anstrengende Laufserien oder Tempoläufe anstehen, feuert man sich an. Gegenseitige Unterstützung und ein starker Teamgeist herrscht – das reicht bis in die Konkurrenzsituation der deutschen Zehnkämpfer hinein.

„Zwar wird im Wettkampf gegeneinander gefightet, aber selbst dort geht der Teamgeist nicht verloren“, beschreibt der U23-Europameister. Denn: Jeder muss seinen eigenen Ritt durch die zehn Disziplinen gewinnen. Und deshalb: „Wieso sollte man es jemandem, der genauso hart für sein Ziel kämpft, nicht gönnen, zu zeigen, was er drauf hat?“ Dafür nimmt Kazmirek sogar in Kauf „nicht die Nummer eins zu sein.“ Der EM-Sechste wird mit vielen neuen Ansätzen und Erfahrungen im Gepäck die Heimreise und den Weg Richtung WM in Peking (China; 22. bis 30. August) antreten.

Ein Mittagschlaf darf es schon einmal sein

Der Jüngste im Bunde, Tim Nowak, ist schon am Wochenende aus Südafrika abgereist. Angereist ist der Ulmer Nachwuchssportler des Jahres mit der Einstellung: „Unter perfekten Bedingungen, so hart und qualitativ hochwertig wie möglich zu trainieren.“ Ein typischer Trainingstag seiner Gruppe unter Leitung von Christopher Hallmann beginnt nach dem Frühstück um 9:30 Uhr mit der Fahrt ins fünf Minuten entfernte Stadion. Nach einer Runde Frisbee und Aufwärmen stehen ein bis zwei Disziplinen auf dem Plan.

Um 13 Uhr folgt das Mittagessen, „nach dem wir uns, erschöpft wie wir zu dem Zeitpunkt sind, nur noch ins Bett legen können“, erzählt der U20-WM-Dritte. Eine halbe Stunde Mittagsschlaf, ein paar Zeilen für die Uni und dann geht es schon wieder los. Die Taschen werden gepackt, die Getränkeflaschen für die zweite Einheit gefüllt. Von 15 bis 18 Uhr auf den Trainingsplatz.

Arthur Abele puscht seine Kollegen

Besonders viel Antrieb kommt von Arthur Abele. „Er bereichert unsere Trainingsgruppe mit seiner langjährigen Wettkampferfahrung und seinem unbändigen Ehrgeiz“, sieht Nowak ihn manchmal als zweiten Coach. Außerdem trägt der Hallen-EM-Zweite sehr viel zur spaßigen Atmosphäre bei. „In gewissen Situationen, bei Tempoläufen zum Beispiel, wandelt sich das allerdings und er peitscht uns dazu, über unsere Grenzen hinaus zu gehen.“

Nach dem Trainingstag geht es zur Abkühlung ins Eisbad, bevor die Athleten den Abend zusammen bei Filmen und Gesprächsrunden genießen. „An unseren freien Tagen schlendern wir durch die Stadt, gehen gut essen oder liegen am Strand in versteckten Buchten“, schildert Nowak. Badewetter hatte es mit Temperaturen zwischen 25 und 32 Grad sowieso. Zu Beginn des Trainingslagers an einem Tag sogar 42 Grad.

Harte Arbeit in Urlaubs-Atmosphäre

Und was machen die Coaches am Feierabend? „Wir haben nur gearbeitet, es gab keine Freizeit“, scherzt Kühne. Zeit, sich die schöne Gegend anzusehen, den Sonnenuntergang über Kappstadt zu bewundern oder einen Ausflug in die Weinberge zur Weinverköstigung, gab es aber doch. Südafrika besticht mit seiner Natur und seinem Panorama, das sich um das Trainingsgelände rund um die Uhr bietet.

Nach dem wichtigen Stopp in Stellenbosch sind die Aussichten auf den Sommer für alle Beteiligten spannungsgeladen. Kühne ist positiv gespannt, was das Meeting Ende Mai in Götzis (Österreich) bringt. Dort werden das harte Training und die Form in Punkten sichtbar. Kazmirek geht zuversichtlich von spannenden Qualifikationswettkämpfen aus - mit dem Showdown beim <link>Mehrkampf-Meeting in Ratingen (27./28. Juni), wo die WM-Tickets final vergeben werden. Und für Nowak steigt die Spannung, wenn er bei den ersten Wettkämpfen plötzlich neben den Profis im Startblock steht.

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