| Olympische Spiele 2016

"Einfach bombastisch" – Thomas Röhler wie einst Klaus Wolfermann

Ein Streichholz wirft Thomas Röhler – man lese und staune – 32 Meter weit. Den Speer über 90 Meter. Das reichte für den 24-Jährigen zum Olympiasieg. Die historische Dimension seines Erfolgs ist ihm bewusst.
dpa/ pr

Versonnen blickte Thomas Röhler auf die Goldmedaille, die um seinen Hals hing, und sagte – voller Staunen und Stolz – als erstes diesen Satz: "Seit 44 Jahren hat Deutschland wieder einen Speerwurf-Olympiasieger." Die sporthistorische Bedeutung seines Gold-Coups war dem 24-Jährigen schnell bewusst. 1972 in München war Klaus Wolfermann zuletzt dieses Kunststück gelungen.

Nun setzte Thomas Röhler einen glanzvollen Schlusspunkt am letzten Leichtathletik-Abend im Olympiastadion von Rio de Janeiro (Brasilien) und bescherte dem deutschen Team den zweiten Sieg nach Diskuswerfer Christoph Harting (SCC Berlin) und die dritte Medaille insgesamt.

Klaus Wolfermann begeistert von seinem Nachfolger

München-Olympiasieger Klaus Wolfermann ist von seinem Nachfolger begeistert. "Ich habe heute Nacht alles verfolgt und mich riesig gefreut. Da kann man nur gratulieren, gratulieren und nochmals gratulieren", sagte der Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele 1972 in München am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. "Ich habe es an seinen leuchtenden Augen gesehen: da war viel Aggressivität und die Körpersprache: Ich will, ich will!" Er traue dem Thüringer auch in den kommenden Jahren stabile Würfe zwischen 90 und 95 Metern zu.

Ob er Wolfermann denn kenne, wurde Thomas Röhler gefragt, als er in den Katakomben auftauchte. "Ich hab' ihn schon mal gesehen, mal gegrüßt. Er hat mir mal zugewunken. Aber geredet habe ich nicht mit ihm." In der Pressekonferenz wurde der Goldmedaillengewinner fälschlicherweise als erster deutsche Speerwurf-Olympiasieger seit 1936 vorgestellt. Da grinste Thomas Röhler die Journalisten an.

Krönung eines "super Jahres"

Im fünften Durchgang hatte der WM-Vierte von 2015 sein 800 Gramm schweres Wurfgerät auf 90,30 Meter geschleudert. Strahlend winkte er nach seinem letzten Versuch ins Publikum und ließ sich auf einer Ehrenrunde mit der deutschen Fahne um die Schultern feiern. "Ich hatte schon beim Aufstehen ein super Gefühl. Es war ein super Jahr – das ist die Krönung", sagte Thomas Röhler.

Er war als Weltjahresbester mit 91,28 Metern angereist, jagte aber lange der Führungsweite von Julius Jego nach, der 88,24 Meter vorgelegt hatte. Am Ende ging Silber an den Weltmeister aus Kenia, der sich allerdings mit den eigenen Spikes an der Wade verletzte und die letzten zwei Würfe nicht mehr absolvieren konnte.

Bronze gewann vier Jahre nach seinem Sensations-Olympiasieg in London Keshorn Walcott aus Trinidad und Tobago mit 85,38 Metern. Johannes Vetter aus Offenburg freute sich über seinen vierten Platz und schwärmte vom neuen Olympiasieger: "Einfach bombastisch! Er hat es sich wirklich verdient nach dem Jahr."

"Risky-Plan" ist aufgegangen

Bei der WM vor einem Jahr in Peking hatte Thomas Röhler die Bronzemedaille nur um 23 Zentimeter verfehlt. Bei der EM im Juni in Amsterdam (Niederlande) war er wegen eines Muskelfaserrisses im Rücken nur Fünfter geworden. In der Qualifikation in Rio hielt er sich bewusst zurück: "Es war ein Risky-Plan, aber er hat voll funktioniert."

Und dann verriet der Thüringer vom LC Jena, wie er seine weiten Würfe plant. Vor der Ausscheidung war er im Stadion, hat Fotos gemacht und sich eine Stelle ausgesucht, die er anpeilt: "Wir arbeiten viel mit Punkten. Ich suche mir einen Punkt, den ich anvisiere." Welcher das diesmal war? "Eine Treppe – oder was weiß ich. Sie können ja suchen gehen", meinte er lachend.

Gekonnter Hobby-Streichholzwerfer

Genauso geht Röhler vor, wenn er dem Hobby vieler Speer-Asse nachgeht: Streichholzwerfen – mit gaaanz viel Gefühl. "Ich habe schon 32 Meter geworfen", verriet er in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Wenn man das Streichholz an der richtigen Stelle anpacke, an seinem Schwerpunkt, und wenn man Wurfgefühl habe, dann sei es möglich, es so weit zu werfen. "Es fängt an zu fliegen wie ein Speer. Die Kunst ist, so wenig Kraft wie möglich einzusetzen. Man wirft es ähnlich wie einen Dart-Pfeil."

Uwe Hohn, der Hundert-Meter-Werfer mit dem alten Speer, soll einen persönlichen Rekord von 34 Metern haben. Klaus Wolfermann könnte Thomas Röhler nun mal fragen, wenn sich die beiden bisher einzigen deutschen Olympiasieger in dieser klassischen Disziplin treffen sollten. Den Film von Wolfermanns Triumph 1972 kennt Röhler natürlich. Das brachte ihn aber nicht groß weiter: "Das war ein alter Speer. Das können wir uns inhaltlich nicht ansehnen, das würde uns nicht helfen."


Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

 

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