| "Leichtathletin des Jahres" 2017

Gesa Felicitas Krause: "Ich bin gespannt, wo meine Grenze liegt"

Gesa Felicitas Krause zählt zu Deutschlands erfolgreichsten Leichtathletinnen. Nun wurde sie zum dritten Mal hintereinander zur "Leichtathletin des Jahres" gewählt. In einem Gespräch gibt sie Einblick in eine Saison mit Höhen und Tiefen.
Ralf Kerkeling

Gesa Felicitas Krause, herzlichen Glückwunsch. Sie wurden erneut zur Leichtathletin des Jahres gewählt. Nach einer Saison mit Höhen und Tiefen, wie fühlt sich das für Sie an?

Gesa Felicitas Krause:

Ich muss gestehen, ich bin ziemlich überrascht. Ich freue mich wirklich sehr, denn dies ist ein wirklich große Anerkennung. Meine Leistung aus dem letzten Jahr wird anscheinend doch honoriert. Es zeigt, dass nicht immer nur eine Medaille zählt, um diesen Titel zu erhalten. Denn das letzte Jahr ist sicherlich nicht so gelaufen, wie ich es ursprünglich geplant hatte. Nun stehe ich am Anfang einer neuen Saison, bin hoch motiviert, freue mich auf das kommende Jahr. Diese Auszeichnung ist jetzt ein zusätzlicher Ansporn.

Bei der nicht erreichten Medaille spielen Sie auf das WM-Finale in London an. Können Sie uns noch einmal mit zurücknehmen in dieses WM-Finale? Wie haben Sie den Lauf erlebt?

Gesa Felicitas Krause:

Man fährt immer mit sehr großen Zielen zu solchen Meisterschaften. Ich will noch nicht einmal behaupten, dass ich garantiert mit einer Medaille aus London heimgekehrt wäre, aber ich habe bereits 2015 mit Bronze überrascht. Ich wusste, wenn das Rennen für mich gut läuft, kann ich vorne mitlaufen. Gerade auf dem letzten Kilometer liegt meine Stärke. Leider bin ich an dem Tag sehr schnell zu Fall gekommen. Danach war es nicht mehr möglich, mich in den Ausgang des Rennens entscheidend einzumischen.

Das hört sich schon fast zu harmlos an. Denn die Ursache für den im Sturz im Finallauf ist sicherlich, sagen wir, ungewöhnlich …

Gesa Felicitas Krause:

Ja, ich bin unverschuldet zu Fall gekommen. Beatrice Chepkoech ist vor mir auf die Bahn gefallen, ich bin mehr oder weniger über sie drüber gefallen und konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Dadurch bin ich selber gestürzt, und in der Folge ist mir jemand auf den Knöchel getreten. Ich habe mich aufgerappelt und bin weitergelaufen. Ich bin dann Neunte geworden, mit einer, wie ich finde, sehr akzeptablen Zeit [9:23,87 Min., die Red.]. Natürlich war ich ziemlich enttäuscht. Im Anschluss hat mich dennoch eine Welle von positivem Feedback erreicht. Das hat mich sehr berührt, muss ich ehrlich gestehen. Zwar nicht direkt am ersten Abend, da war ich einfach nur traurig, aber danach. Ich habe daraus gelernt, dass im Leben nicht immer alles glatt läuft und dass man nicht aufgeben darf. Die Menschen haben letztlich wohl die kämpferische Leistung bewertet. Das alles zusammen genommen hat mich wohl zum dritten Mal hintereinander zur Leichtathletin des Jahres werden lassen.

Der Rennverlauf war wirklich sehr chaotisch. Erst läuft eine Kenianerin am Hindernis vorbei, dann überholt sie, fällt, dann fallen Sie – dramatischer für die Zuschauer und letztlich unglücklicher für Sie hätte es kaum verlaufen können. War denn im Moment des Sturzes niemals ein Gedanke ans Aufgeben? Denn eines war sofort klar: Die Medaille ist weg.

Gesa Felicitas Krause:

Zunächst einmal bin ich aufgestanden. Ich hatte in dem Moment keine großen Schmerzen, war jedoch komplett aus meinem Rhythmus, wurde aus dem Flow gerissen. Dadurch, dass ich auch ein Knie gegen den Kopf bekommen habe, war ich benommen, taumelig. Ich musste also erst einmal schauen, ob ich überhaupt wieder in das Rennen kommen kann. Nach etwa zwei weiteren Runden ist mir dies gelungen. Ab da habe ich auch nicht mehr ans Aufgeben gedacht. Wenn man den Anschluss wieder findet, packt einen auch wieder der Ehrgeiz. Wenn man jedoch hoffnungslos hinterherlaufen muss, würde einem das sicherlich sinnlos erscheinen. Gleichzeitig habe ich gedacht: „Es ist eine WM, die findet nur alle zwei Jahre statt, ich habe das ganze Jahr dafür trainiert“, also wollte ich es irgendwie zu Ende bringen.

Genau, diese Entscheidung wurde in der Folge von der Öffentlichkeit honoriert. Abgesehen von der Tragödie in London war das Jahr für Sie aber ja auch nicht gänzlich erfolglos. Sie sind Deutsche Meisterin geworden, haben maßgeblich zum Gewinn der Team-EM beigetragen und in vielen Wettkämpfen überzeugen können, beispielsweise mit deutschem Rekord beim ISTAF. Beschreiben Sie doch bitte einmal ihre Gefühlslage zwischen London und dem Wettkampf im Berliner Olympiastadion.

Gesa Felicitas Krause:

Kurz nach der WM war es zunächst schwierig, sich für das Training zu motivieren. Das war schon nicht ganz ohne, was da an Gefühlen in mir tobte. Aber das Gute war, dass mein Trainer und ich Berlin schon im Vorfeld geplant hatten. Ich bin also in die Schweiz zurückgeflogen, dort hatte ich schon vor der WM trainiert. Dort konnte ich in Ruhe und in vielen Gesprächen an meiner Form feilen. Ich habe dann erkannt, dass der Lauf in Berlin eine Chance sein kann mir selbst zu beweisen, dass ich schneller laufen kann, als diese '9:23' im WM-Finale. Das hat mich wieder motiviert, es nicht nur den Zuschauern zu beweisen, sondern auch mir selbst. Manchmal ist es ganz gut, sich wieder in die Arbeit zu stürzen, um etwas zu verarbeiten, was nicht ganz so gut gelaufen ist. Ich denke, das habe ich ganz gut hinbekommen. Dennoch war es schwer, den Lauf von London bei den nachfolgenden Wettkämpfen aus dem Kopf zu verdrängen. Das ist mir nicht vom einen auf den anderen Tag gelungen.

War denn nach dem erfolgreichen Wettkampf in Berlin und einem neuen deutschen Rekord etwas Zufriedenheit wiederhergestellt?

Gesa Felicitas Krause:

Es war eher ein Gefühl der Erleichterung. Man hatte mir ja keine Vorwürfe gemacht nach dem WM-Finale. Es war ja eher die persönliche Enttäuschung, mit der ich gekämpft habe. Demnach war der Lauf in Berlin für mich auch sehr, sehr wichtig. Es ging mir wirklich um die Zielzeit, um mir selbst zu beweisen, was in mir steckt zu diesem Zeitpunkt.

Im Moment befinden Sie sich in der Saisonvorbereitung. In diesem Jahr steht die EM in Berlin an. Sicherlich haben Sie schon Ziele für sich formuliert. Welche wären das?

Gesa Felicitas Krause:

Ja, natürlich. In diesem Stadion zu laufen ist somit das größte, was man sich vorstellen kann. Ich war schon Jungspund im Stadion, habe bei vielen ISTAFs die Stimmung mitbekommen. Das Stadion ist einfach der Hammer. Das ist eine riesige Motivation, dann in Topform zu sein. Auch wenn es noch sehr lang hin ist, gilt es schon jetzt, sich darauf zu konzentrieren. Das Training für die EM hat begonnen und ich freue mich drauf.

Was haben Sie sich über die EM hinaus für die kommende Saison vorgenommen?

Gesa Felicitas Krause:

Ich würde gerne noch mal den deutschen Rekord angreifen, weil ich da noch nicht so richtig zufrieden bin.

Welche Zeit würde sie glücklicher machen?

Gesa Felicitas Krause:

Die erste Schallmauer wäre die '9:10'. Grundsätzlich würde ich mich gerne in bei '9:05' einsortieren. Das ist mein Traum.

Wenn man in die Zukunft blicken möchte, wäre mit so einer Zeit bei der nächsten WM noch mehr mit einer Gesa Krause zu rechnen.

Gesa Felicitas Krause:

Damit habe ich mich noch nicht befasst. Ich schaue immer von Jahr zu Jahr. Das wäre dann meine fünfte WM, und natürlich möchte ich mich weiter vorne einreihen. Jetzt werden wir Schritt für Schritt die Sekunden anpacken. Es wird aber auch nicht einfacher. Denn wenn man ein bestimmtes Level erreicht hat, werden die Schritte immer kleiner. Ich will auf jeden Fall noch ein paar Jahre dabei sein. Ich bin gespannt, wo meine Grenze liegt. Ich glaube, diese habe ich noch lange nicht erreicht. Dafür lohnt es sich zu kämpfen und zu arbeiten.

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