| Interview

Gesa Krause: „Die Olympischen Spiele haben mir viel zu denken gegeben“

Nicht alle Träume haben sich für Gesa Felicitas Krause im Olympia-Jahr 2016 erfüllt. Aber sie hat viel erreicht und alles gegeben – und mit mitreißenden Auftritten nicht nur Medaillen gewonnen, sondern die Herzen der Fans. Zum zweiten Mal in Folge wählten diese die Hindernis-Europameisterin zu Deutschlands „Leichtathletin des Jahres“. Im Interview erklärt die 24-Jährige, warum der Blick zurück nach Rio für sie gemischte Gefühle hervorruft, wie gut die vergangenen Monate ohne Druck und Reisestress getan haben und welcher sportlichen Herausforderung sie sich im Jahr 2017 zum ersten Mal stellen wird.
Silke Bernhart

Gesa Felicitas Krause, Sie sind zum zweiten Mal in Folge zu Deutschlands „Leichtathletin des Jahres“ gewählt worden. Ein Erfolg mit Seltenheitswert: Zuletzt erhielt 400-Meter-Läuferin Grit Breuer in den Jahren 2001 und 2002 zweimal in Folge die Auszeichnung. Überrascht?

Gesa Krause:

Ich habe absolut überhaupt nicht damit gerechnet! Ich war schon im letzten Jahr überrascht. Aber in diesem Jahr hatte ich das gar nicht auf dem Schirm. Als ich den Anruf aus Darmstadt erhalten habe, hatte ich erst Sorge, ich hätte vergessen, beim DLV etwas abzugeben. An die Auszeichnung habe ich gar nicht gedacht. Umso mehr freue ich mich! Das ist eine tolle Anerkennung und ein Motivationsschub.

Sie haben mittlerweile so einige Trophäen im Schrank. Sie sind auch zweimal in Folge „Läuferin des Jahres“ geworden, haben letztes Jahr die Abstimmung von Sport1 gewonnen, sind Frankfurts „Sportlerin des Jahres“… Wo finden all diese Trophäen Platz?

Gesa Krause:

Das ist in der Tat ein Problem. So viel Platz habe ich gar nicht! Einiges habe ich weg getan, die neuen Auszeichnungen stehen oben auf einem Regal. Im Moment wohne ich in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Zwar mit einem relativ geräumigen Wohnzimmer, aber da kann man ja auch nicht alles mit dem sportlichen Besitz vollstellen. Ich bin froh, wenn ich dort einen Ruhepol habe und mich der Sport nicht ständig einholt. Aber wenn ich später mal mehr Platz habe, plane ich, einen Raum einzurichten für meine sportlichen Errungenschaften, meine liebsten Trikots, die Olympia-Kleidung – vielleicht mit einem Laufband oder einer Fitness-Ecke.

In Ihrem Zuhause in Frankfurt waren Sie in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele und während der Wettkampf-Saison relativ selten. Nach der Saison haben Sie bewusst auf Trainingslager oder einen Bundeswehr-Lehrgang verzichtet, um wieder mehr Zeit in der Heimat zu verbringen. Wie gut haben diese Monate getan?

Gesa Krause:

Ich wollte einfach nicht mehr die Koffer packen. Nach einem USA-Urlaub habe ich mich einfach nur darauf gefreut, drei Monate in meiner Wohnung zu leben, vielleicht mal einen Tagesausflug zu meinen Eltern zu machen oder nach Hamburg zu fahren zu den Eltern meines Freundes Marc. Aber ich wollte nicht mehr jede Woche woanders sein und alles genau planen. Diese Zeit habe ich richtig genossen! Nebenbei habe ich natürlich voll trainiert – das macht mir Freude, wenn ich den Sport nicht habe, bin ich einfach nicht ausgelastet. Aber dieses ständige Wegsein war eine große Belastung. Ich bin froh, dass ich mir diese Auszeit genommen habe und dass ich die Möglichkeit hatte, den Bundeswehr-Lehrgang um ein Jahr zu verschieben.

Sie hatten in den vergangenen Monaten auch Zeit, Ihre Saison noch einmal Revue passieren zu lassen. Welche Emotionen kommen hoch, wenn Sie an den Höhepunkt denken – an die Spiele in Rio, wo Sie mit deutschem Rekord Sechste geworden sind?

Gesa Krause:

Es ist ganz schwer, das in Worte zu fassen. Bei Olympia denkt man immer an das Ereignis schlechthin, das einen flasht und total viele Emotionen auslöst, vor allem im positiven Sinne. Auch bei mir haben die Spiele Emotionen ausgelöst – mir aber auch sehr viel zu denken gegeben. Denn es war nicht das Event, das ich mir erhofft und erträumt hatte. Mir hat einfach die Liebe zum Detail gefehlt. Alles war so weitläufig, wir konnten die Wettbewerbe nur schwer mitverfolgen, uns schwer mit anderen Athleten oder Familienangehörigen treffen. Die Sauberkeit in den Zimmern ließ zu wünschen übrig. Man hat gemerkt, dass die Rahmenbedingungen vielen an die Substanz gingen. Olympia hat andere Regeln, darauf muss man sich einstellen. Es war ja auch alles da, was man für den Wettkampf brauchte. Ich habe mich nicht in meiner Vorbereitung gestört gefühlt. Aber das, wovon ich geträumt hatte, fehlte. Man denkt dann: Das ist Jammern auf hohem Niveau. Daher fiel es mir auch lange schwer, darüber zu reden.

Und wie ordnen Sie Ihre sportliche Leistung ein?

Gesa Krause:

Es war eine sehr, sehr gute Leistung. Aber nach WM-Bronze im Jahr zuvor hatte ich mir hohe Ziele gesteckt. Auch ich träume von einer Olympia-Medaille und hatte gehofft, dass ich in so einem Moment über mich hinauswachsen kann. Das habe ich nicht geschafft. Es war ein brutaler Tag, es war früh morgens, es war unheimlich heiß, ich war nicht so frisch, wie ich es mir gewünscht hätte. Dass ich mit dem Höllen-Tempo nicht mitgehen konnte, war für mich in dem Moment schon die erste Enttäuschung. Ich habe alles gegeben und bin – in Anführungszeichen – „nur“ Sechste geworden. Ich war froh, dass ich den deutschen Rekord haarscharf unterbieten konnte, aber nach dem Vorlauf hätte ich gedacht, es wären ein paar Sekunden mehr drin. Jetzt im Nachhinein weiß man nie, wofür es gut war. Ich kann den Rekord immer noch verbessern. Die Medaillen waren außer Reichweite. Aus der Perspektive heraus war es schon ein tolles Jahr, da will ich mich gar nicht beschweren. Aber es gab vieles, was ich verarbeiten musste.

Das neue Jahr startet für Sie nun mit einem vierwöchigen Trainingslager in Kenia. Wie groß ist die Motivation?

Gesa Krause:

Mittlerweile ist der Punkt gekommen, an dem ich mich freue, wieder ins Trainingslager zu fahren. Zuhause tritt man irgendwann doch auf der Stelle. Ich freue mich einfach darauf, mir in Kenia eine gute Basis zu erarbeiten und wieder einen Schritt nach vorne zu machen. Auch weil ich weiß, dass das Trainingslager nötig ist, um im Sommer wieder gut zu sein. Ich hatte tolle Wochen, von denen ich zehren kann. Jetzt kommt die Zeit, in der ich wieder arbeiten muss.

Bei zumindest äußerlich leicht veränderten Rahmenbedingungen: Sie sind von der LG Eintracht Frankfurt zum Verein „Silvesterlauf Trier“ gewechselt. Zudem hat Ihr Trainer Wolfgang Heinig den Weg in den Ruhestand eingeschlagen und alle weiteren Athleten abgegeben. Welche Auswirkungen hat das für Sie?

Gesa Krause:

Im Großen und Ganzen wird sich nicht viel verändern. Mein Lebensmittelpunkt bleibt in Frankfurt. Wolfgang Heinig bleibt mein Trainer, er ist im Odenwald zuhause. Alles wird weiterhin so laufen, wie ich es gewohnt bin. Zur Saison-Vorbereitung sind wieder drei Höhentrainingslager geplant. In zweien davon werden uns Katharina [Marathonläuferin Katharina Heinig] und Kathrin [Marathon-Bundestrainerin Kathrin Dörre-Heinig] begleiten. Wir trainieren in einer ähnlichen Struktur, sodass wir einige Einheiten gut kombinieren und gemeinsam machen können. Das harmoniert gut.

In Deutschland steht derweil die Hallensaison vor der Tür. Mit oder ohne Gesa Felicitas Krause?

Gesa Krause:

Vorerst ist nicht geplant, dass ich Hallen-Wettkämpfe bestreite. Ich werde aber etwas ganz Neues machen. Ich werde nach meinem Trainingslager am 10. Februar den Halbmarathon in Ras al Khaimah nördlich von Dubai laufen! Ich will mich einer neuen Herausforderung und zugleich meiner großen Schwäche stellen – das sind alle Strecken über zehn Kilometer. Ich werde dort sicher nicht vorne mitlaufen – ich bin froh, dass ich einen Startplatz bekommen habe. Und meine Lieblingsstrecke wird es sicher auch nicht. Aber zu diesem Zeitpunkt im Jahr passt ein Halbmarathon gut in die Trainingsplanung, und im Jahr nach Olympia kann man mal alles anders machen. Daher habe ich mir das ausgesucht. Ich werde das Rennen gut mit meinem Trainer vorbereiten, es geht nicht um eine gute Platzierung, sondern um einen guten Wettkampf und eine gute Zeit, und ich freue mich jetzt auch darauf! 

Mehr:

<link news:52855>Gesa Krause und Thomas Röhler sind Deutschlands "Leichtathleten des Jahres" 2016

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