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Homiyu Tesfaye: Zurück auf der Laufbahn

Die Zeit des Wartens ist vorbei. Nach fast einjähriger Wettkampfpause steht Mittelstreckler Homiyu Tesfaye wieder auf der Bahn. Das Knie? Zu 90 Prozent wieder fit. Die Ziele fürs Olympia-Jahr? Form kommen lassen, Olympia-Norm abhaken und dann wieder ganz vorne mitmischen.
David Köndgen

Homiyu Tesfaye ist zurück auf der Laufbahn. Mit seiner Zeit über 600 Meter vom Sonntag beim Läufermeeting in Pliezhausen kann er zwar noch nicht ganz zufrieden sein. Aber: 1:17,52 Minuten „sind auch nicht so schlecht“. Schließlich ist der Athlet der LG Eintracht Frankfurt erst vor zwei Monaten wieder richtig ins Training eingestiegen. Und der Lauf zum Auftakt in die olympische Saison war auf jeden Fall „eine gute Standortbestimmung gegen starke Konkurrenz“.

Auf die Frage, ob er wieder gesund sei, antwortet er nach seinem Comeback in Pliezhausen lapidar: „Ja, es sieht gut aus“, fügt hinzu: „Das Knie ist zu 90 Prozent wieder fit" und deutet auf eine etwa mandelgroße Schwellung an der Außenseite seines rechten Knies. Dabei hätte er noch vor wenigen Monaten „nie gedacht, dass bis Olympia wieder alles läuft“.

Auf Nachfragen reagiert er nachdenklich: Er habe während der vergangenen Monate gelernt, dass die Gesundheit das höchstes Gut sei. Talent alleine genüge nicht. Fast ein Jahr konnte er keine Wettkämpfe bestreiten. Auch die WM in Peking (China) musste er absagen. Eine solch lange Verletzungspause macht demütig.

Steiler Aufstieg, lange Pause

Rückblick. Es war ein kometenhafter Aufstieg: 2013 Fünfter und schnellster Europäer bei der WM in Moskau (Russland), ebenfalls Fünfter bei der EM in Zürich (Schweiz) ein Jahr später. Und noch ein Jahr später erreichte er den vorläufigen Höhepunkt: deutscher 1.500-Meter-Rekord in der Halle von Wien (Österreich; 3:35,71 min), den er fünf Tage später in Stockholm (Schweden) nochmals verbesserte (3:34,13 min).

Dann vor zehn Monaten ein letzter Post auf seiner Facebookseite: „Leider muss ich euch mitteilen, dass ich meine Saison aufgrund einer Knieverletzung beenden muss.“ Danach war es lange Zeit ruhig um den 22-jährigen mit äthiopischen Wurzeln, der seit drei Jahren für Deutschland startberechtigt ist.

Er habe zu viel trainiert, verrät er in Pliezhausen. „Aber Verletzungen gehören eben zum Sport dazu, das muss ich akzeptieren“, sagt er. Knorpelschaden lautete die Diagnose im Sommer des vergangenen Jahres. OP bei Kniespezialist Dr. Siebold. Anschließend alles geben für’s Comeback. Physiotherapie statt Laufbahn. Er habe „vieles probiert, um wieder fit zu werden“.

Konkurrenzbeobachtung in Pliezhausen

Nun ist er wieder da, will wieder seine Leistungen für sich sprechen lassen. Oder die Konkurrenz beobachten. Denn nach seinem eigenen Lauf verfolgt Homiyu Tesfaye das Rennen von Timo Benitz über 1.000 Meter hinter der Bande. Benitz siegt. Wieder einmal. Vor zwei Jahren hatte sich der Athlet der LG farbtex Nordschwarzwald im direkten Duell gegen Homiyu Tesfaye in Meeting-Rekordzeit von 2:16,90 Minuten durchgesetzt. Und das wenige Tage nachdem Tesfaye selbst über 1.500 Meter beim Diamond League-Meeting von Doha (Katar) in 3:33,33 Minuten neue Bestzeit und auf Rang vier der ewigen deutschen Bestenliste gerannt war.

Homiyu Tesfaye sieht einen schnellen 1.000er. Einen der schnellsten in der Geschichte des Läufermeetings, klar wäre er da gerne mitgelaufen. Aber auch die ungewohnte Rolle hat ihren Reiz: „Zuschauen ist schön, da kann man sich entspannen.“ Noch schöner ist allerdings selbst laufen. Und genau das konnte er nun auch endlich wieder.

Fast das eigene Rennen verpasst

Der eigene Lauf hatte jedoch eine nicht optimale Vorgeschichte: Auf der Fahrt von Frankfurt nach Pliezhausen stand er nämlich im Stau, erreichte das Schönbuchstadion erst etwa eine halbe Stunde vor dem Start. Lediglich zehn Minuten einlaufen. Eine perfekte Vorbereitung sieht anders aus.

Rang acht im wieder einmal top besetzten 600-Meter-Rennen – in dem die ersten beiden Läufer, Amel Tuka (Bosnien-Herzegowina; 1:15,21 min) und Rudolf Zan (Slowenien; 1:15,49 min) unter dem bisherigen Meeting-Rekord bleiben – sieht er nicht nur deshalb gelassen: „Meine Form wird mit der Zeit wieder kommen. Ich bin mir sicher, die Olympia-Norm zu laufen.“

1.500-Meter-Comeback in Dessau

Die nächsten Wettkämpfe stehen schon fest: 800 Meter in Rehlingen (16. Mai), anschließend dann erstmals wieder seine Lieblings- und Paradestrecke 1.500 Meter in Dessau (27. Mai). Auch für das Diamond League-Meeting in Rom (Italien; 2. Juni) ist er bereits gemeldet. „Training ist zwar gut und recht, aber erst durch die Wettkämpfe komme ich wieder richtig rein“, ist er sich sicher. Denn: „Nur dort sieht man, wo man wirklich steht.“

In einer Sache ist er sich heute schon sicher, dass ihn sein Talent und sein Trainingsfleiß schon bald wieder zurück an die Spitze führen werden: „Mein Ziel ist es immer, bei Großereignissen eine Medaille zu holen.“ Da kommen EM und Olympische Spiele in diesem Jahr gerade recht. Wenn sein Knie möglichst bald wieder bei 100 Prozent ist, wird er wohl bei beiden Großereignissen an den Start gehen können. Das passende Motto hat er bereits: „Never give up - ich kämpfe immer für meine Ziele!“

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