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Jennifer Montag und ihr steiniger Weg in die deutsche U20-Spitze

Schon in der vergangenen Hallensaison sorgte Jennifer Montag mit ihrer Silbermedaille bei den nationalen U20-Titelkämpfen über 60 Meter für eine Überraschung. Den nächsten Paukenschlag hielt die Athletin von Hans-Jörg Thomaskamp am Samstag in Weinheim bereit. In 11,44 Sekunden pulverisierte die 19-Jährige ihre bisherige Bestzeit und stellte damit den seit 1991 gültigen U20-Nordrhein-Rekord ein. Der Weg bis dahin war steinig.
pm/pr

Dass Weinheim ein gutes Pflaster für Sprinter ist, ist seit Jahren bekannt. Doch dass es so schnell gehen kann, überraschte nicht nur Jennifer Montag, sondern auch Trainer Hans-Jörg Thomaskamp. „Nach dem Lauf habe ich Hans-Jörg gefragt, was er mir zugetraut hätte. Ich bin mit dem Ziel nach Weinheim gefahren, eine Zeit um 11,65 Sekunden zu laufen. Hans-Jörg hätte mir eine Zeit im 50er Bereich zugetraut“, erklärte Jennifer Montag.

Erst vor zwei Wochen lief die Auszubildende in 11,75 Sekunden zu einer neuen persönlichen Bestleistung – in Weinheim ging es vergangenes Wochenende noch einmal mehr als drei Zehntel schneller. Damit egalisierte sie nicht nur den knapp 26 Jahre alten U20-Nordrhein-Rekord, sondern rannte auch auf Platz zwei der aktuellen europäischen U20-Bestenliste. Angeführt wird diese von U18-Europameisterin Keshia Kwadwo (TV Wattenscheid 01) in 11,38 Sekunden.  

Viele gesundheitliche Rückschläge weggesteckt

Trotz ihrer zarten 19 Jahre musste Jennifer Montag lange auf Erfolge warten und einen steinigen Weg mit zahlreichen Krankheiten und Verletzungen meistern. Fast vier Jahre laborierte die Auszubildende zur Bürokauffrau immer wieder an Verletzungen und Krankheiten, die sogar zahlreiche Operationen unumgänglich machten. Die Odyssee begann mit entzündeten Kreuzbändern. Es folgte eine Knochenabsplitterung im Fußballen – Operation Nummer eins!

In den anschließenden zwei Jahren verbrachte Jennifer Montag deutlich mehr Zeit bei Ärzten, als auf dem Sportplatz. Ständige Bauchkrämpfe und Flüssigkeitsansammlungen im Bauch stellten selbst die Spezialisten vor eine Herausforderung. Eine Bauchspiegelung, bei der auch der Blinddarm entfernt wurde, lieferte weder eine Linderung der Schmerzen, noch eine Diagnose. Nach ersten Anzeichen von Nierenversagen wurde dann endlich das Problem gefunden: Eine angeborene Engstelle am Übergang von der Niere zum Harnleiter. Zwei große und kräfteraubende Operationen brachten endlich Erleichterung.  

Starke Hallensaison

Vor drei Jahren wechselte Jennifer Montag in die Trainingsgruppe von Hans-Jörg Thomaskamp, in der auch ihr Freund und Hochspringer Mateusz Przybylko trainiert. Auch ihre Eltern – die Mama Sprinterin, der Papa ebenfalls Sprinter und Weitspringer – haben schon unter dem Erfolgscoach trainiert.

Vor der Hallensaison 2017 hatte die ehemalige Athletin vom LAV Bayer Uerdingen/ Dormagen kaum Erwartungen an sich selbst. „Ich konnte eigentlich noch nie lange Zeit ohne Verletzungen trainieren. Ich wusste noch nicht einmal, welche Zeiten über 60 Meter gut sind – komischerweise. Meine Bestleistung stand vorher bei 7,69 Sekunden. Mein einziges Ziel war es, diese Zeit zu unterbieten“, sagte Jennifer Montag.

Und das tat sie mehr als eindrucksvoll. Seit Ende Februar steht ihr Hausrekord bei 7,46 Sekunden. Gedanken über eine mögliche 100-Meter-Zeit mit dieser Vorleistung wollte sie sich zu dem Zeitpunkt noch nicht machen. Jetzt hat sie schwarz auf weiß, welche Zeit möglich ist: 11,44 Sekunden!

Ziel U20-EM, im Windschatten von Keshia Kwadwo

Mit dem Ziel der U20-EM in Grosseto (Italien) schuftete sie in der Vorbereitung im südafrikanischen Stellenbosch. Die geforderte Norm (11,80 sec) hat Sie bereits jetzt deutlich unterboten. Das wäre dann ihr zweiter internationaler Einsatz. Ihr Debüt feierte die 19-Jährige Ende Februar beim U20-Hallen-Länderkampf in Halle. „Als ich nach den Deutschen Meisterschaften für den Hallen-Länderkampf nominiert wurde, war ich unglaublich happy. Dass man das Nationaltrikot tragen darf und neben den eigenen Teammitgliedern auch von anderen Ländern angefeuert wird, fand ich schon ziemlich schön“, erinnerte sich Jennifer Montag.

Dass Konkurrenz das Geschäft belebt, zeigt die Situation zwischen Keshia Kwadwo und vielen anderen nationalen Top-Nachwuchs-Sprinterinnen. Die Ausnahmeathletin aus Wattenscheid läuft in einer anderen Liga und ist derzeit unschlagbar. Jennifer Montag sieht das gelassen: „Keshia läuft vorneweg. Das kann man nicht ändern. Am Anfang hatte ich immer ein bisschen Angst, an der Startlinie neben ihr und den anderen großen Sprinterinnen zu stehen. Inzwischen kann ich damit ganz gut umgehen. Sie zieht mich und ich habe immer wieder die Chance, ein bisschen näher an sie ranzukommen.“

Nächste Überraschung auf den 200 Metern möglich

Unbedingt im Vordergrund stehen muss Jennifer Montag nicht, auch viel Aufmerksamkeit ist ihr eher unangenehm. Vielmehr wünscht sie sich – gerade mit Blick auf ihre sportliche Vergangenheit –, dass Sportler nicht ausschließlich über die Leistung auf dem Papier definiert werden. „Die Umstände und der Weg zum Erfolg sind, wie ich finde, oftmals sehr viel beeindruckender als die Leistung an sich.“

Am kommenden Wochenende steht für Jennifer Montag eine nächste große Aufgabe auf dem Programm: ein Start über die etwas ungeliebte 200-Meter-Strecke. Doch gerade unter dem Aspekt, dass sie fliegend sehr starke Zeiten aufweist, wird sie wohl in ein paar Tagen für die nächste Überraschung sorgen – dann über die doppelte Sprintdistanz.

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