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Julian Weber kehrt in die Weltspitze zurück

Er war in den vergangenen Jahren immer wieder vom Verletzungspech verfolgt. Zum Saisonende hat sich Julian Weber erneut in der Weltspitze zurückgemeldet. Bei anhaltender Gesundheit traut sich der Mainzer Speerwerfer auch Würfe jenseits der 90 Meter zu.
Jane Sichting

Auf dem Papier ist er mit seiner Saison-Bestweite von 86,63 Metern aktuell die Nummer vier im deutschen Speerwurf der Männer. Weiter geworfen hat in diesem Jahr nur das 90-Meter-Trio um Weltmeister Johannes Vetter (LG Offenburg; 92,70 m), Diamond Trophy-Sieger Andreas Hofmann (MTG Mannheim; 92,06 m) und Europameister und Olympiasieger Thomas Röhler (LC Jena; 91,78 m).

Vom Verletzungspech verfolgt, war es für Julian Weber (USC Mainz) bereits ein kleiner Erfolg, sein Wurfgerät in diesem Sommer überhaupt wieder fliegen zu lassen. Ein Abbild seines wahren Leistungsvermögens seien die Ergebnisse der letzten zwei Monate allerdings nicht, so die Einschätzung des einstigen U20-Europameisters, der schon als 19-Jähriger an der 80-Meter-Marke gekratzt hatte und sie ein Jahr später erstmals überbot. Ein Rückblick:

2017: Erst Rekordwurf, dann frühes Saison-Ende

Schon 2017 beim Winterwurf-Europacup auf Gran Canaria (Spanien) habe er gespürt, dass er sogar die 90-Meter-Marke knacken kann, erinnert sich Julian Weber. Mit Meisterschaftsrekord von 85,85 Metern hatte der Mainzer damals ein erstes Ausrufungszeichen in Richtung WM gesetz. Doch nur drei Wochen später war die Saison war für den damals 23-Jährigen beendet.

Bei einem technisch unsauberen Trainingswurf zieht sich der junge Speerwerfer einen Einriss des Innenbandes im Ellenbogen zu und landet statt bei den Weltmeisterschaften in London (Großbritannien) auf dem OP-Tisch. Die Ärzte setzen ihm eine Spendersehne ein und machen ihm klar, dass es bis zu einem Jahr dauern könne, bis der Arm wieder voll belastbar ist.

Im Sommer 2017 entscheidet sich Julian Weber für eine Auszeit. Er reist drei Wochen durch Thailand, besucht Festivals und verbringt Zeit mit seinen Freunden. „Klar war es mal schön, auch Dinge tun zu können, die neben dem Sport sonst zu kurz kommen. Dennoch wäre ich viel lieber bei Wettkämpfen gestartet“, blickt er zurück.

2018: Schon vor dem Comeback erneut ausgebremst

Aufgeben ist für Julian Weber keine Option. Mit dem neu gesteckten Fernziel, der Teilnahme an den Europameisterschaften in Berlin, arbeitet er fortan akribisch an seinem Comeback. Doch zehn Tage vor dem geplanten Saisoneinstieg 2018 in Rehlingen wird er erneut ausgebremst. Diesmal ist es der Rücken, vier kleine Lendenwirbel. Mit gleich zwei Bandscheibenvorfällen verabschiedet er sich aus dem Trainingslager in Portugal. Während die Konkurrenz bei Wettkämpfen die ersten weiten Würfe zeigt, absolviert Julian Weber zunächst vier Wochen Reha-Training.

An sich gezweifelt hat er nicht. „Ich habe die Verletzungen einfach ausgeblendet, den Blick nach vorn gerichtet und Vollgas gegeben. Wir haben den Bandscheibenvorfall konservativ behandelt und in der Reha ordentlich an den Grundlagen und der Stabilität gearbeitet. Ich wusste, dass ich Potenzial habe. Das hat mich gepusht“, erklärt er seinen anhaltenden Kampfgeist.

ISTAF als EM-Ersatz

Seine positive Einstellung und sein Ehrgeiz zahlen sich schließlich doch noch aus. Zwar schafft er es nicht mehr, sich für die Heim-EM in Berlin zu empfehlen. Doch beim Diamond League-Meeting in Birmingham (Großbritannien) stellt er kurz nach der EM mit 86,63 Metern eine starke Saisonbestleistung auf, wird Zweiter und qualifiziert sich für das Diamond League-Finale in Zürich (Schweiz). Dort landet er mit 83,68 Metern auf Platz sechs.

„Als ich bei der EM zugeguckt habe, dachte ich schon, dass ich gern selbst im Olympiastadion dabei gewesen wäre. Die Stimmung und die Art und Weise, wie die Leute den Speerwurf gefeiert haben, waren einfach sensationell", erzählt Julian Weber und fügt sogleich hinzu: „Dass ich jetzt beim ISTAF dabei sein durfte, war fast genauso gut.“

Wettkampf-Routine fehlt

Während sich bei dem einen oder anderen Athleten zum Saison-Ende langsam die Müdigkeit bemerkbar machte, präsentierte sich Julian Weber am Sonntag nur drei Tage nach dem Diamond-League-Finale und vier Tage nach seinem 24. Geburtstag hellwach. Mit 85,56 Metern und Platz zwei unterstrich er beim ISTAF eindrucksvoll seine Ambitionen, zukünftig selbst eine aktive Rolle in der Weltspitze und bei der Vergabe der Topplatzierungen zu spielen.

Zwischenzeitig hatte er im Kreise der fast vollständig vertretenen EM-Starter sogar die Führung übernommen, stand kurz davor, seinen Erfolg aus dem Jahr 2016 zu wiederholen. Damals hatte er mit 88,29 Metern die viertbeste Weite der langen ISTAF-Geschichte erzielt. Am Sonntag zog Europameister Thomas Röhler (86,50 m) noch vorbei. „Nachdem mich Thomas im vierten Versuch überboten hatte, dachte ich, dass ich die 86 Meter auch noch schaffen kann. Doch da fehlt dann einfach die Wettkampf-Routine und ich musste viel improvisieren“, erklärt Julian Weber.

Potenzial längst nicht ausgeschöpft

Noch fehle ihm die Belastungsfähigkeit, noch zwickt es hier und zwackt es da ein bisschen. „Der Körper merkt es einfach, wenn entsprechende Trainingseinheiten und Würfe fehlen. Letztlich bin ich ohne Wettkampfvorbereitung aus dem Reha-Training in die Saison eingestiegen“, so der 1,90 Meter-Mann. „Ich bin in meiner jetzigen körperlichen Verfassung weit von dem Punkt entfernt, an dem ich sein könnte."

Doch endlich gibt es wieder viel Grund zum Optimismus. Der Ellenbogen sei inzwischen gut belastbar, die Bandscheiben funktionieren wieder „fast perfekt“. „Ich bin mega motiviert und hoffe, den Winter gut durchtrainieren zu können. Ich weiß selbst, dass ich es besser kann: mit viel Training, einer guten Betreuung und der Erinnerung an alte Erfolge ist auch vom Kopf her noch Einiges möglich“, zeigt sich der Mainzer bereits auf die nächste Saison fokussiert.

"Ich habe richtig Bock"

Was Julian Weber besonders reizt, ist der Auftritt im Nationaltrikot. Dass er im Sommer bei seinem Comeback gleich beim Athletics World Cup im Londoner Olympiastadion Teil der DLV-Mannschaft sein durfte, empfand er als große Ehre. „Ich wusste gar nicht mehr, wie so ein Wettkampf funktioniert“, lacht er.

Was er hingegen sicher weiß ist, dass er die Nationalfarben auch bei der WM 2019 in Doha (Katar) vertreten will. Hier dürfen dank der Wild Card von Weltmeister Johannes Vetter vier deutsche Speerwerfer starten. Oberstes Ziel sei es zunächst, komplett gesund und fit zu werden. "Ich bin optimistisch, dass es dann auch für ein WM-Ticket reicht. Und vielleicht sogar auch für mehr“, erzählt Julian Weber mit strahlenden Augen.

Feilen will er auch an der Fußarbeit im Abwurf: „Das Stemmen war schon immer meine Schwachstelle. Über eine saubere Technik ist da noch einiges mehr rauszuholen. Das betrifft jegliche Bereiche. Ich habe auf jeden Fall richtig Bock, alles dafür zu tun, so stark wie nie zuvor zurückzukommen.“

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