| Anti-Doping-Kampf

Lokalisierung mit „eves“: Mehr Sicherheit im ADAMS-System

Tagein, tagaus im Vorfeld den Aufenthaltsort bekanntgeben – für Athleten in Anti-Doping-Testpools Teil des Alltags. 400-Meter-Läufer Jonas Plass macht das seit acht Jahren. „Das muss doch auch praktischer gehen!“ dachte er sich. Und entwickelte das Projekt „eves“ als Ergänzung zum Kontrollsystem ADAMS der WADA. In einer Feedback-Phase können jetzt auch andere Athleten ihre Vorschläge einbringen. Und vielleicht dazu beitragen, dass ein wenig mehr Freiheit, Spontanität und Sicherheit in den Alltag der Topathleten zurückkehrt.
Silke Morrissey

Im letzten Semester seines Studiums in Medienmanagement und Entrepreneurship musste Jonas Plass einen Business-Plan entwickeln. „Was stört mich besonders, was will ich ändern?“ überlegte er sich – und war schnell beim Doping-Kontrollsystem der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Mit ADAMS, kurz für „Anti-Doping Administration and Management System“, müssen Topathleten vorab ganz genau ihre Aufenthaltsorte erfassen, online oder per App, um stets für unangekündigte Dopingkontrollen erreichbar zu sein.

„Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt“, erklärt Jonas Plass, „aber gerade für junge Athleten, die neu in den Testpools sind, ist der Prozess eine große Herausforderung.“ Die Angst davor, beim Eintragen Fehler zu machen oder Änderungen des Aufenthaltsorts nicht rechtzeitig zu vermerken, ist groß. Freiheit und Spontanität – zwei Faktoren, bei denen Topathleten zugunsten des Kampfs für den sauberen Sport Abstriche machen müssen.

„Natürlich benötigen wir ein System, dass unangekündigte Trainingskontrollen ermöglicht. Wir wollen ja gleiche Chancen für alle. Das muss in unserem Interesse sein“, sagt Jonas Plass und zeigt Verständnis für ein strenges Kontrollsystem. „Aber es muss dem Athleten so einfach wie möglich gemacht werden. ADAMS alleine kann nicht das wahre Leben widerspiegeln.“ Wer bei einer Kontrolle nicht genau dort anzutreffen ist, wo er angegeben hat, riskiert einen „Missed Test“. Drei davon führen zu einer Sperre. Und genau hier setzt „eves“ an.

Lokalisierung des Athleten

„eves ist ein Sicherheitsnetz für Athleten, wenn in ADAMS irgendetwas nicht passt“, sagt Jonas Plass. Die Idee ist die: Athleten tragen freiwillig ein kleines Modul mit sich, das sicherstellt, dass ihr Aufenthaltsort im Falle einer Dopingkontrolle stets ausfindig gemacht werden kann.

Dabei werden die Aufenthaltsdaten nicht getrackt und aufgezeichnet – ein häufig geäußertes Bedenken der Athleten, das Jonas Plass gleich ausräumen kann:  „Wir haben uns höchste Datenschutzstandards auferlegt und eine renommierte, deutsche Datenschutzbeauftragte mit in unser Projektteam aufgenommen.“  So ist das Modul stets im Stand-by-Modus und wird lediglich „angefunkt“ und aktiviert, wenn ein Kontrolleur den Athleten nicht am hinterlegten Aufenthaltsort antreffen kann. Und nur der zuständige Kontrolleur darf den Athleten orten und zu ihm Kontakt aufnehmen. „Auch für die Kontrolleure ist das eine immense Zeitersparnis“, sagt der Entwickler.

„eves“ kann und soll ADAMS nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen, betont Jonas Plass. Schließlich setzt die WADA mit ADAMS weltweit einheitliche Standards, die auf nationaler Ebene nicht untergraben werden können. Das Erfassen des Aufenthaltsortes bliebe den Athleten also auch mit „eves“ nicht erspart. Sie könnten jedoch ein Stück Sicherheit und Bewegungsfreiheit gewinnen dadurch, dass die Wahrscheinlichkeit von verpassten Dopingkontrollen minimiert würde.

NADA unterstützt „eves“

Aus dem Uni-Business-Plan von Jonas Plass ist heute ein offizielles Projekt der gekko mbH geworden, die 1994 als Spin-off der Fraunhofer Gesellschaft gegründet wurde. Hier hat der Vierteilmeiler, der 2014 mit der deutschen EM-Staffel Sechster wurde, mittlerweile einen 20-Stunden-Job. „eves“ brachte er mit in das Unternehmen und betreut es als eines von mehreren Projekten.

Auch die Nationale Anti-Doping-Agentur  NADA ist von der Idee, Herangehensweise und Kompetenz des „eves“ Teams überzeugt und erklärte sich nun offiziell dazu bereit das Projekt zu unterstützen. Anfang September stellte Jonas Plass „eves“ bei der Vollversammlung der Athletenvertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vor, deren stellvertretende Vorsitzende Silke Kassner zugleich Mitglied des Aufsichtsrats der NADA ist. Mit ihr gemeinsam treibt Jonas Plass das Projekt nun auch in offiziellen Gremien des Sports weiter voran.

Athleten können mitbestimmen

In einem Fragebogen, dessen Zugangsdaten der DOSB in der kommenden Woche an ausgewählte Athleten verschickt, können Spitzensportler nun selbst ihre Ideen und Vorschläge zur Weiterentwicklung von „eves“ einbringen. „Wir wollen den Athleten kein fertiges System vorsetzen“, sagt Jonas Plass und fügt hinzu: „Wenn sich ein Athlet bereit erklärt „eves“ zu nutzen, werden ihm daraus keine Nachteile entstehen.“

Bereits bei der Präsentation des Projekts seien viele nachvollziehbare Fragen zu Persönlichkeitsrechten, Datensicherheit oder Eigenschaften des Moduls aufgetaucht, die in der nächsten Projektphase berücksichtigt werden.

Ebenfalls mit einfließen werden die Rückmeldungen auf die Fragebögen, die sowohl allgemeine Fragen zur Einschätzung des Doping-Kontrollsystems beinhalten als auch Fragen zur Bereitschaft, freiwillig ein solches Modul mit sich zu tragen. Auch Designwünschen für „eves“ können geäußert werden: Ob Schlüsselanhänger, Armband oder Amulett – noch ist alles offen.

Traum von weltweitem System

Mehr als zweieinhalb Jahre arbeitet Jonas Plass bereits an „eves“ und muss lachen, wenn er an seine „Sturm- und Drang-Phase“ zurückdenkt: „Am Anfang wollte ich alles auf einmal und hätte am liebsten sofort losgelegt“, sagt er. Heute weiß er, dass er für kleine Schritte viel Geduld mitbringen muss.

Das große Ganze hat er dennoch nicht aus dem Blick verloren. Jonas Plass träumt von einem Doping-Kontrollsystem, bei dem Athleten sich in der Planung ihres Alltags nicht mehr einschränken müssen. Bei dem sie niemandem darüber Rechenschaft ablegen müssen, wann sie sich wo aufhalten und warum. Bei dem sie keine Angst haben müssen, eine Kontrolle zu verpassen. Ein weltweites System, bei dem Athlet und der nächste verfügbare Kontrolleur bei Bedarf ganz einfach zueinander finden – zum Beispiel durch einen Lokalisierungsdienst.

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