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Manuel Eitel – Sprinter wider Willen

Eigentlich schlägt sein Herz im Takt des Zehnkampfs. Doch Manuel Eitel ist nicht nur vielseitig begabt, sondern auch im Speziellen ein Riesen-Talent. So talentiert gar, dass der Ulmer, den in diesem Sommer eine Fußverletzung an Zehnkampf-Auftritten hindert, sich am Wochenende bei der Bauhaus Junioren-Gala über 100 Meter nicht nur in 10,31 Sekunden an die deutsche U20-Spitze setzte, sondern sich plötzlich auch in seiner Altersklasse unter den Top-20-Sprintern der Welt wiederfindet. Perfekte Voraussetzungen vor seiner U20-WM-Premiere in Bydgoszcz.
Alexandra Dersch

Bester U20-Sprinter seit 2007 und dem heutigen Rekordmann Julian Reus (TV Wattenscheid 01). Zeitgleich mit Christian Blum (TV Wattenscheid 01) aktuell viertbester Männer-Sprinter in Deutschland. Platz 18 in der Welt in seiner Altersklasse. Es sind Zahlen wie diese, die selbst einen redefreudigen Nachwuchsathleten wie Manuel Eitel kurzzeitig sprachlos werden lassen. „Die Leute fragen mich auf einmal, ob ich auch zu Olympia nach Rio fahre, jetzt wo ich so weit vorne in der deutschen Männer-Bestenliste stehe“, sagt der 19-Jährige vom SSV Ulm 1846, und aus jedem Wort spricht seine eigene Ungläubigkeit ob dieser Entwicklung. 10,31 Sekunden lief Manuel Eitel am Samstag in Mannheim. Es wird wohl aber deutlich länger dauern, bis diese Zeit auch in seinem Kopf angekommen ist.

Denn eigentlich denkt der Schützling von Christopher Hallmann in Punkten. Er trainiert ja auch in der starken Zehnkampf-Truppe um den König von Ratingen – Arthur Abele. „Ich bin durch und durch Zehnkämpfer“, sagt Manuel Eitel. „Das möchte ich gern auch bleiben.“ Und doch ist es das zweite Jahr in Serie, in dem er seiner eigentlichen großen Liebe, dem Zehnkampf, nicht nachgehen kann.

Im letzten Sommer war er bereits für die U20-Europameisterschaften in Eskilstuna (Schweden) nominiert. Als bester Europäer im Zehnkampf. Doch eine Ellbogen-Verletzung machte sein Debüt bei einer internationalen Meisterschaft zunichte. „Ich wollte so sehr nach Eskilstuna“, erinnert sich Manuel Eitel an seine damalige Enttäuschung. Fast hätte ihn in diesem Jahr ein ähnliches Schicksal ereilt. Im März landete er bei Sprüngen unglücklich zwischen zwei Matten. Im linken Fuß rissen drei Bänder, ein Knochenödem bildete sich. Anfang Juni, als der Fuß trotz Alternativtrainings immer noch dick war, fiel erst die Entscheidung: Das war's dieses Jahr mit dem Zehnkampf.

Sprint als Trostpflaster

Doch ein Trostpflaster war schnell gefunden. Die Hürden und der Sprint sollten es sein. „Weitsprung ging mit dem Fuß einfach nicht“, sagt Manuel Eitel. Nicht ohne Grund wäre sonst auch diese Disziplin infrage gekommen, ist er doch ein exzellenter Weitspringer, gewann im letzten Jahr zum dritten Mal in Serie den deutschen Meistertitel bei den Spezialisten. 7,55 Meter sprang er dabei im letzten Sommer in Jena. Eine Weite, die der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) in diesem Jahr als Richtwert für die U20-WM in Bydgoszcz (Polen; 19. bis 24. Juni) angesetzt hat.

„Ich glaube, mein Trainer hatte nach der Zehnkampf-Absage im Juni vor allem große Hoffnungen auf die Hürden“, sagt Manuel Eitel. Kein Wunder, schließlich war er über die U20-Hürden im letzten Jahr in 13,90 Sekunden schnell unterwegs gewesen. Seine 100-Meter-Bestzeit stand dagegen bei 10,65 Sekunden. Doch sein erster Auftritt bei den Spezialisten in Regensburg brachte schnell Klarheit. „Die Hürden waren fast peinlich“, sagt Manuel Eitel zu den 14,51 Sekunden, die er Mitte Juni erzielte. „Ich konnte vorher ja auch kaum im Sprintbereich trainieren, geschweige denn über die Hürden. Nach dem Rennen hatte ich fast Angst, überhaupt noch über die 100 Meter zu starten, weil ich dachte, ich habe nach der Verletzung einfach nicht genug drauf.“

Eingewöhnung in den Staffel-Kader

Doch dann lief er über 100 Meter in 10,49 Sekunden. Bestzeit, U20-WM-Norm und aus dem Stand auf Platz zwei in der U20 in Deutschland. „Das war ein schönes Gefühl.“ Keine Frage, dass er fortan festes Mitglied der deutschen Nachwuchs-Staffel war. „Die Trainer und die anderen Sprinter haben mich gut aufgenommen. Auch wenn ich in ihren Augen bestimmt manchmal seltsame Fragen stelle.“ Dass die Wechselzonen-Markierungen in manchen Stadien rot, in anderen aber blau sind – darüber macht sich ein Zehnkämpfer in seinem Alltag nun mal selten Gedanken. „Es macht megaviel Spaß, Staffel zu laufen, aber es ist auch eine große Verantwortung und mir fehlt natürlich noch die Technik und Routine“, sagt Manuel Eitel ganz selbstkritisch.

Wie wertvoll seine Sprintqualitäten aber für die Staffel sind, zeigte sich auch am Sonntag in Mannheim. Nachdem sich am Samstag über 4x100 Meter Kurvenläufer Felix Straub (LAC Quelle Fürth) noch kurz vor der Staffelübergabe auf Manuel Eitel verletzt hatte, brachte am Sonntag das Quartett mit Startläufer Roger Gurski (LG Rhein-Wied), Thomas Barthel (SC Magdeburg), Niels Torben Giese (SC DHfK Leipzig) und eben Schlussläufer Manuel Eitel den Stab in starken 39,74 Sekunden ins Ziel. Sieben Jahre lang war keine DLV-Nachwuchs-Staffel schneller. „Damit haben wir Medaillenchancen“, sagt Manuel Eitel mit Blick auf die U20-WM. Recht hat er, denn mit dieser Zeit teilt sich das DLV-Quartett derzeit den dritten Platz im weltweiten Vergleich mit Jamaika.

Sabbatjahr für den Zehnkampf

Für seinen Einzelstart über 100 Meter träumt der junge Ulmer vom Halbfinale, doch in seiner Vorfreude auf die U20-WM bremst er sich noch selbst. „Ich warte jetzt erstmal auf die Nominierung und darauf, dass ich wirklich dabei bin. Aber so richtig freuen möchte ich mich erst, wenn ich dann auch tatsächlich im Flugzeug nach Polen sitze.“ Zu groß ist noch die Enttäuschung aus dem letzten Jahr, als er kurz vor dem Abflug zur U20-EM seine Teilnahme doch absagen musste.

Die Vorzeichen stehen in diesem Jahr gut. Der Fuß hält, „das Tape trage ich im Wettkampf nur noch für meinen Kopf“, und auch sonst ist der 19-Jährige gut drauf. „Wir arbeiten momentan mehr sprintspezifisch, aber ich trainiere auch weiterhin Würfe für den Zehnkampf“, sagt Manuel Eitel. „Das tut meinem Kopf gut.“ Und er macht klar: 2016 ist nur ein Sabbatjahr für den Mehrkampf. Spätestens im nächsten Jahr schlägt sein Herz wieder im Takt des Zehnkampfs.

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