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Marc Reuther – Lieber groß denken und scheitern als klein denken und hadern

Spätstarter, erfolgreiche Nachwuchsathleten auf dem Weg in die Spitze bei den „Großen“ und eine Rückkehrerin nach schwerer Verletzung. Bei der Hallen-DM in Dortmund haben DLV-Athleten mit unterschiedlichen Geschichten ihren ersten nationalen Titel ihrer Karriere gewonnen. leichtathletik.de erzählt ihre Geschichten. Heute die von 800-Meter-Läufer Marc Reuther (Wiesbadener LV).
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail marc-reuther _blank>Marc Reuther
Wiesbadener LV

*23. Juni 1996
Größe: 1,93 m
Gewicht: 77 Kilo

800 Meter

Bestleistung: 1:45,22 min (2017)

Erfolge:

Deutscher Hallenmeister 2018
Bronze U23-EM 2017
Siebter U20-EM 2015
Fünfter U18-WM 2013

Marc Reuther ist ein Athlet, der ganz klar ausspricht, wo er sich innerhalb der nationalen Konkurrenz einordnet. „Ich sehe mich schon seit ein, zwei Jahren als bester 800-Meter-Läufer in Deutschland“, erklärt der 22-Jährige selbstbewusst. In den Jahren 2016 (1:46,19 min) und 2017 (1:45,22 min) war er jeweils der schnellste DLV-Athlet über diese Strecke. Bei der Freiluft-DM 2016 wurde er Dritter, im vergangenen Sommer konnte der Wiesbadener wegen der damals unmittelbar bevorstehenden U23-EM bei den nationalen Titelkämpfen seine selbst erklärte Position mit einer Goldmedaille nicht untermauern. So war es die abgelaufene Hallensaison, die eine Premiere bot: In Dortmund war der Favorit der Konkurrenz deutlich voraus und gewann seinen ersten deutschen Meistertitel bei den Großen.

Diesen Sieg hatte der 21-Jährige von sich erwartet, und so war er in diesem Winter auch eher Nebensache. Marc Reuther und sein Trainer Georg Schmidt entschieden sich dieses Jahr wieder eine Hallensaison zu bestreiten, um Wettkampfpraxis zu sammeln und nicht ein dreiviertel Jahr lang nur zu trainieren. 2017 führte das Duo taktische Probleme in den ersten Rennen des Sommers auf den kompletten Verzicht auf die Wintersaison zurück. Dieses Jahr waren vor allem die Rennen in Düsseldorf (6.; 1:47,91 min) und Boston (USA; 2. 1:46,78 min) wichtige Erfahrungen gegen internationale Konkurrenz auf dem Weg Richtung Freiluftsaison.

Die Halle ist insgesamt nicht die große Liebe des Mittelstrecklers. Die Nachteile einer Beinlängen-Differenz von 1,8 Zentimetern werden durch die engen Kurvenradien der 200-Meter-Bahnen verstärkt. Dank medizinischer Betreuung sowie außergewöhnlich viel Mobilisations- und Athletiktraining hat Marc Reuther diese Problematik im Griff und nimmt sie als gegeben hin. „Ich habe dieses kleine Handicap, aber es hindert mich nicht dran, gute Leistungen zu bringen.“

Jugend trainiert für Olympia offenbart Mittelstrecken-Talent

Nachdem er in der Kinderleichtathletik aktiv war, stand Fußball in Sachen Sport zuerst ganz oben bei Marc Reuther. 2011 nahm er dann für seine Schule bei "Jugend trainiert für Olympia" teil und gehörte ohne großen Trainingsaufwand über 1.000 Meter zu den Besten seines Jahresgangs auf Landesebene. Mit seiner damaligen Bestzeit (2:43,62 min) und für seinen ersten Verein TuS Eintracht Wiesbaden stand er außerdem unter den Top 30 in der DLV-Bestenliste der M15.

Davon motiviert setzte er immer mehr auf die Leichtathletik, steigerte sich schnell, und mit dem Wechsel in die Trainingsgruppe des heutigen Bundestrainers Georg Schmidt gelangen 2013 sogar Qualifikation und Finaleinzug bei der U18-WM in Donetsk (Ukraine). Die Leistung entwickelte sich auch in den Folgejahren rasant. Die Zeiten wurden von Jahr zu Jahr etwa eine Sekunde schneller. Mit der aktuellen Bestleistung von 1:45,22 Minuten, Bronze bei der U23-EM und der ersten WM-Teilnehme stellte Marc Reuther, der mit Sprinterin Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) zusammen ist, im vergangenen Sommer den Anschluss an die internationale Spitze her.

Möglich wurde diese Entwicklung auch dadurch, dass der Athlet sein Umfeld professionalisiert. Das Studium der Wirtschaftswissenschaften zum Beispiel steht hinten an. Durch eine Kooperation in Sachen Spitzensport bietet ihm die Uni Sondertermine für Klausuren an. „Alles ist auf den Sport ausgerichtet. Ich bin kein Fan davon nach der Saison zu fragen: Was wäre, wenn ich alles probiert hätte?“

Langfristige Ziele: Finals bei WM oder Olympia

In insgesamt vier Trainingslagern läuft die Vorbereitung auf das große Ziel Heim-EM in Berlin (7. bis 12. August). Zuletzt in Flagstaff (USA) waren die Trainingsergebnisse so gut wie nie zuvor zu diesem Zeitpunkt. Für den Feinschliff stehen noch einmal vier Wochen Potchefstroom (Südafrika) an, bevor dann am ersten Juni-Wochenende der Saisoneinstieg angepeilt ist. Wo genau, steht noch nicht fest.

Angesichts seiner Steigerungen in den vergangenen Jahren traut sich Marc Reuther, sofern er verletzungsfrei bleibt, in diesem Sommer eine Zeit von 1:44,5 Minuten und schneller zu. In diesen Bereich waren aus deutscher Sicht zuletzt René Herms (LG asics Pirna; 2004; 1:44,14 min) und Nils Schumann (SV Creaton Großengottern; 2002; 1:44,16 min) gelaufen. Ein solches Niveau würde auch die taktischen Möglichkeiten in international besetzen Rennen erweitern. „Es gilt, diesen Sprung zu machen“, sagt der junge Athlet. „Außerdem muss ich mich im richtigen Moment trauen anzugreifen. National ist mir das schon gelungen, international noch nicht. Wenn das alles gelingt, sollte es reichen, im EM-Finale vorne mit dabei zu sein.“

Mit dem Hallen-Weltmeister und fünfmaligen Europameister Adam Kszczot (Polen) nennt er den momentan wohl besten europäischen 800-Meter-Läufer als Orientierungspunkt. „Ich möchte internationale Medaillen gewinnen“, sagt der Deutsche Hallenmeister. „Finals bei Olympia und WM sind die Ziele für die nächsten Jahre. Mein Trainer und ich, wir sind keine Kleindenker. Ich gehe lieber mit fliegenden Fahnen unter, als dass ich mir zu kleine Ziele setze.“

Video: <link video:17993>Marc Reuther dominiert das Rennen
Video-Interview: <link video:17997>Marc Reuther: "Das war nicht so geplant"

Das sagt Bundestrainer Georg Schmidt:

Es hatte sich vor der Hallensaison zwar angedeutet, dass Marc gut drauf ist. Nachdem es in der Halle sonst aber nie besonders lief, war das Ergebnis von 1:46,5 im ersten Rennen nicht zu erwarten. Düsseldorf war dann wieder ein Rennen zum Lernen, Boston ein starker Auftritt in einem internationalen Topfeld, dann kam der deutsche Meistertitel. Weil er krank wurde, musste Marc leider auf die Hallen-WM verzichten. Zusammengefasst haben wir in der Halle geschafft, was wir uns vorgenommen haben.

Marc zeichnet sich dadurch aus, dass er noch nie ernsthaft verletzt war. Seine Entwicklung ist sehr gleichmäßig. Er weiß ganz klar, was er will, und richtet von Studium über Sponsoren, Management oder Trainingslagern alles auf den Sport aus. Wir arbeiten seit sechs Jahren zusammen. Er ist ein absoluter Heißsporn. Auf der Laufbahn genauso wie neben der Laufbahn. Mit 18, 19 hatte er seine Sturm und Drang-Zeit. Mittlerweile schafft er es, diese Eigenschaften zu kanalisieren und im richtigen Augenblick positiv zu nutzen.

Für die EM habe ich zwölf Medaillen-Kandidaten ausgemacht. Von daher ist viel möglich, aber auch der Kampf um die Finalplätze wird schon hart. Eine Medaille wäre das Maximalziel, das Finale das Optimalziel und das Halbfinale das Minimalziel. Immer vorausgesetzt, dass er gesund bleibt, traue ich Marc langfristig zu, 1:44,0 und darunter zu laufen.

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