| Knieprobleme

Nadine Müller hat Rezept gegen Schmerz gefunden

Zum ersten Mal in ihrer Karriere musste Diskuswerferin Nadine Müller eine Saison vorzeitig beenden. Seitdem versucht die Olympia-Vierte ihre Knieschmerzen loszuwerden. Das passende Gegenmittel zu finden, war nicht einfach.
Jan-Henner Reitze

Der Körper ist das Kapital des Leistungssportlers. Da gehört es dazu, sich ein wenig auszukennen. Sei es, um im Wettkampf möglichst das Maximum herauszuholen, Verletzungen vorzubeugen oder sie wieder loszuwerden. Und auch Leichtathletik-Fans können mit Begriffen wie Kreuzband oder Patellasehne nicht erst etwas anfangen, seitdem Diskus-Olympiasieger Robert Harting (SCC Berlin) das Band im Knie gerissen ist oder die entzündete Sehne Zehnkampf-Vize-Weltmeister Michael Schrader (SV Hessen Dreieich) die Saison gekostet hat.

Wenn Nadine Müller von ihren Knieproblemen spricht, wird deutlich wie sehr sie sich in den vergangenen Wochen mit ihrem Körperaufbau auseinandergesetzt hat. Der Bericht ihrer Leidenszeit und die Selbstverständlichkeit, mit der sie Fachbegriffe verwendet, verdeutlicht, wie tief die 28-Jährige in Anatomie und Medizin eingetaucht ist. Im Mittelpunkt der Gespräche mit Ärzten, Physiotherapeuten und Betreuern stand immer wieder eine Frage: Wie werde ich die Schmerzen los?

Schon im März meldete sich das rechte Knie. Der Verdacht fiel nach einem MRT auf die Patellasehne und nach verstärkter Arbeit mit ihren Physiotherapeuten ließen die Schmerzen nach. Der Saisoneinstieg mit stabilen Weiten jenseits der 64 Meter und der Saisonbestleistung in Halle (67,30 m) waren vielversprechend. Dann kamen die Schmerzen wieder - mit großer Wucht. Maximalkrafttraining unmöglich. Der gewohnte Bewegungsablauf unmöglich. Einfach nur sitzen oder Treppen steigen - schmerzhaft.

Schmerz wollte nicht verschwinden

Eine erneute MRT-Aufnahme brachte eine neue Diagnose: "Es hat sich rausgestellt, dass sich die Strecksehnen im Knie leicht entzündet haben", erklärt Nadine Müller. Wahrscheinliche Ursache: Ihre langen Hebel und starke Oberschenkelmuskulatur führten zu einer Überlastung. "Mit Physio haben wir das nicht wegbekommen und mussten die Notbremse ziehen", so die Vizeweltmeisterin von 2011, die von René Sack trainiert wird. "Ich mache dieselben Bewegungen seit 15 Jahren. Da kommt es zu Verschleiß. Irgendwann sagt der Körper: Ich brauche eine Pause."

Nüchtern und aufgeräumt zählt die Deutsche Meisterin der Jahre 2008 bis 2013 auf, welche Gegenmaßnahmen sie ergriffen hat: "Zwei, drei Wochen absolute Ruhe, Lasertherapie, Stoßwellentherapie, Spritzen, Physio. Es wurde nicht besser." In ihrem Inneren brodelt es auf der anderen Seite, beim Gedanken an diese Zeit. Warum muss dieses Leiden schon wieder sein?", fragte sich die Olympia-Vierte, die schon 2013 mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte und letzten Endes mit WM-Rang vier noch das Beste daraus machte.

Gartenarbeit und Autogramme verschicken statt EM

Während Shanice Craft (MTG Mannheim) ihren ersten DM-Titel einfuhr und auf dem Bronzerang die starken DLV-Diskuswerferinnen auch bei der EM anführte, suchte Nadine Müller Ablenkung. Die fand sie unter anderem im Garten des gemeinsamen Hauses mit ihrer Frau - seit zwei Jahren kam der etwas zu kurz. Umgraben, einpflanzen und gießen stand auf dem Tagesplan anstatt durch die Welt von einem Wettkampf zum nächsten zu reisen. "Ich bin als Gärtnerin aufgegangen", erzählt Nadine Müller, die auch ihre Fans glücklich machte und sonst in der Saison länger liegenbleibende Autogrammwünsche erfüllte.

Die Bundespolizei, unterstützt die oberste Priorität der Leistungssportlerin, die Schmerzen im Knie loszuwerden. "Ich hätte im Streifendienst niemandem hinterherlaufen können, auch längeres Sitzen am Schreibtisch wäre nur mit Schmerzmitteln möglich gewesen", erklärte die Hallenserin, die ihrem Arbeitgeber die Rücksicht dankt und dann ein Praktikum einschiebt, wenn es das Knie und die Planung wieder erlauben.

Endlich Mittel gegen die Schmerzen gefunden?

Auf dem Weg zurück in den Trainingsalltag, zu dem auch in den vergangenen Monaten immer Krafteinheiten für den Oberkörper gehörten, ist endlich ein Mittel gefunden, das anscheinend anschlägt: Spritzen in die Wirbelsäule. "Die sollen dafür sorgen, dass der Reset-Knopf des Nervs gedrückt wird, der das Signal Schmerz aus den Beinen weiterleitet", erklärt Nadine Müller, die hofft, dass sich ihre Leidensgeschichte damit dem Ende entgegen neigt.

Das Training soll in den kommenden Wochen wieder behutsam hochgefahren werden „ohne wieder in eine Spirale des Schmerzes zu geraten.“ Die Schmerzen lassen nach. Der erste Schritt auf dem Weg zur Rückkehr. Die Motivation ist ungebrochen und die Zuversicht groß, dass die Scheibe bald wieder so weit segelt, wie zu ihren besten Zeiten - und noch ein Stückchen weiter.

Im kommenden Jahr möchte sich die Diskuswerferin dann nicht mehr so genau mit Themen wie Medizin oder Anatomie auseinandersetzen, sondern wieder mit den Top-Weiten ihrer Disziplin und der Frage: "Wie kann ich noch ein paar Zentimeter rauskitzeln?"

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