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Robert Hering – Zurück in der Zukunft

Sechs Jahre ist es her, dass ein 19 Jahre junger deutscher Sprinter bei den Heim-Weltmeisterschaften in Berlin unbekümmert bis ins Halbfinale rannte. Da wusste er noch nicht, dass viele schwere Jahre folgen würden. Aber er hat sich durchgekämpft: In Peking steht Robert Hering (SC DHfK Leipzig) sechs Jahre nach seinem Debüt in der A-Nationalmannschaft wieder im WM-Aufgebot.
Silke Morrissey

„Wenn jemand schon in der Jugend gezeigt hat, dass er schnell laufen kann, dann ist das ein Indiz für sein Talent und Potenzial“, sagt Sprint-Bundestrainer Ronald Stein. Dass es da auch mal einige Jahre dauern kann, bis ein Athlet in der Aktivenklasse den nächsten Schritt schafft, sei normal. „Julian ist auch lange weg gewesen“, erklärt er mit Hinweis auf Julian Reus (TV Wattenscheid 01). Nach 100-Meter-Gold 2007 bei der U20-EM hatte dieser fünf Jahre auf sein erstes DM-Gold bei den Aktiven warten müssen. Weitere zwei Jahre später folgte in 10,05 Sekunden der deutsche Rekord.

Bis in diese Dimensionen hat es Robert Hering (SC DHfK Leipzig) noch nicht geschafft. Aber er ist wieder zurück in der deutschen Spitze. Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg rannte er auf beiden Sprintstrecken zur Bronzemedaille, über 100 Meter im Vorlauf zudem zu einer neuen Bestzeit (10,27 sec). Seine Bestzeit über 200 Meter dagegen hat seit sechs Jahren Bestand – und steht bei 20,41 Sekunden. Nicht nur sie ist ein Indiz für Talent und Potenzial des heute 25-Jährigen.

Vier internationale Nachwuchsmedaillen

Robert Hering durfte früh erfahren wie es ist, ganz oben zu stehen. Bei Deutschen Meisterschaften der Jugend sowieso. Aber auch im internationalen Vergleich. Noch der U18-Altersklasse angehörig, wurde er 2007 für die deutsche Staffel der U20-EM nominiert, die Gold holte. Zwei Jahre später war Hering bei den U20-Europameisterschaften am nächsten deutschen Staffel-Gold beteiligt und gewann Silber über 200 Meter. Dazwischen überraschte er auf dieser Strecke als Dritter der U20-WM.

Unbeschwert, unbekümmert, mit dem Wissen, nur gewinnen zu können, ging Robert Hering bei den Weltmeisterschaften in Berlin an den Start. Und er gewann: viele Sympathien, großen Respekt, neue Erfahrungen sowie die Erinnerung an ein WM-Halbfinale im tobenden Olympiastadion fast Seite an Seite mit WM-Superstar Usain Bolt (Jamaika).

Magere Jahre folgten

Nicht nur Robert Hering selbst wird gehofft haben, dass es nahtlos so weiter geht. Ging es aber nicht. Seit den Weltmeisterschaften 2009 fanden alle internationalen Großereignisse ohne den in Gera geborenen Sprinter statt. „Irgendwie kam immer wieder was dazwischen“, sagt er selbst. Und: „Manchmal war auch die Motivation weg.“ Muskelverletzungen traten auf, eine Bandscheiben-Vorwölbung machte lange Probleme, die Achillessehne schmerzte, dann meldete sich wieder die Bandscheibe – an Durchstarten war da nicht zu denken.

Für zwischenzeitliche Lichtblicke sorgten kleinere Auftritte mit der Nationalmannschaft. Hier mal ein Einsatz beim Hallen-Länderkampf, da eine Nominierung für die Penn Relays, dort ein Startplatz beim U23-Ländervergleich. Robert Hering musste kleinere Brötchen backen. „Die Selbstzweifel waren da“, gesteht er heute. Der Gedanke ans Hinschmeißen aber, der sei ihm nie gekommen. „Ich wollte nie aufhören ohne eine gute Saison“, betont er, „kampflos aufgeben – das ist nicht mein Ding.“

Unterstützung von Verband und Bundeswehr

Als „großes Glück“ bewertet Robert Hering, dass er in all den Jahren die Unterstützung seines Trainerteams hatte. Beim TuS und später beim LC Jena war Stefan Poser lange Zeit der Mann an seiner Seite. Seit Ende 2012 trainiert Robert Hering in Leipzig bei Bundestrainer Ronald Stein.  „Die haben an mich geglaubt“, sagt er. So behielt er seinen Kaderstatus und mit diesem auch seinen Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr.

Ronald Stein erklärt, dass man Talenten wie Robert Hering „Vertrauen schenken“ müsse. Dazu gehöre auch, Phasen der Verletzungen, der Probleme im Umfeld oder persönliche Schwierigkeiten zu tolerieren. „Das kann man nicht über vier, fünf Jahre durchziehen“, fügt er hinzu, „aber auch ein Athlet muss das ja erst einmal so lange durchstehen.“

2014 erste Schritte zurück

Robert Hering hat die schwere Zeit durchgestanden. Wieder bergauf ging’s schon im vergangenen Jahr, das er selbst als entscheidend betrachtet. „Da habe ich endlich mal wieder eine Wettkampf-Saison durchgemacht.“ Zwar über 100 (10,44 sec) und 200 Meter (20,99 sec) noch mit Zeiten recht deutlich über Hausrekord. Aber mit einem Achtungserfolg als DM-Fünfter über die halbe Stadionrunde.

2015 waren dann endlich wieder Bestzeiten fällig, wenn auch noch nicht auf der Paradestrecke. Schon in der Halle bewies Robert Hering mit 6,77 Sekunden über 60 Meter, dass die Arbeit an seiner Beschleunigung Früchte getragen hat. Über 100 Meter tastete er sich über 10,37 und 10,41 Sekunden an den Hausrekord heran, bis in Nürnberg in 10,27 Sekunden der Knoten platzte. Das letzte Ergebnis vom WM-Test in Mannheim: 10,37 Sekunden.

Zuspruch der Mitstreiter

Angedeutet hatte sich die gute Form schon im Trainingslager in Florida. „Da habe ich gemerkt, dass ich viel besser drauf bin. Ich konnte die Tempoläufer viel schneller absolvieren und war danach nicht so erschöpft“, sagt Robert Hering. „In Clermont hat er einen sehr guten Eindruck gemacht“, sagt der Bundestrainer. Und die Mitstreiter? „Von denen habe ich viel Zuspruch bekommen“, berichtet Robert Hering. „Aleixo-Platini Menga, Sven Knipphals, Martin Keller… Ganz viele haben mir gesagt, dass sie sich freuen, dass ich wieder da bin!“

Von einer Genugtuung spricht der zweifache DM-Dritte aber noch nicht. „Das wäre die Nominierung für einen Einzelstart bei der WM gewesen“, erklärt er. Es sei schön, endlich wieder dabei zu sein, die Aufregung vor Peking sei aber lange nicht so groß wie die damals vor Berlin. Zumal nicht sicher ist, ob Robert Hering in Peking überhaupt zum Einsatz kommt, schließlich streiten sich sechs DLV-Athleten um vier Staffelplätze.

Bei der WM-Verabschiedung durfte Robert Hering als Schlussläufer des Quartetts mit Aleixo-Platini Menga (TSV Bayer 04 Leverkusen), Sven Knipphals (VfL Wolfsburg) und Julian Reus (TV Wattenscheid 01) ran. Ein Vorgeschmack auf das, was in Peking folgen könnte. Wie es ist, in einem WM-Einzelrennen auf der Bahn zu stehen, weiß er ja schon längst. Und er ist auf einem guten Weg dorthin zurück.

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