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Ruth Beitia zwischen Sport und Politik

Mit 37 Jahren hat die Spanierin Ruth Beitia alles gewonnen: EM, Olympia und die Diamond League – und will auch bei der WM 2017 noch hochspringen.
Ewald Walker

Hochspringerin Ruth Beitia war einfach nur glücklich. Sie umarmte ihren Trainer, ihre Managerin im Publikum, sie drückte alle ihre neun Konkurrentinnen und wirkte wie die Mutter einer (Hochsprung-)Kompanie. Eine 37-Jährige war in diesem Sommer auf dem Olymp angekommen.

„Das war definitiv meine erfolgreichste Saison“, sagte die Spanierin, als im Züricher Letzigrund die Scheinwerfer erloschen. Mit vier blitzsauberen Sprüngen und 1,96 Meter hatte Beitia ihren fünften Sieg in der laufenden Diamond-League-Saison eingefahren und damit zum zweiten Mal die lukrative Gesamtserie gewonnen. Dass sie die Weltjahresbestleistung von 2,02 Meter nicht mehr geschafft hatte, war eine  Randnotiz.

Beitia ging von der Matte, verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und wischte die Tränen aus den Augen. 90.000 Dollar hatte sie in diesem Moment verdient. „Nein, das Geld ist in diesem Moment wirklich nicht das Wichtigste“, sagte diese Frau, die inzwischen über den Dingen zu stehen scheint, die offensichtlich jeden Wettkampf genießen kann, in diesem Moment.

Erfolgreicher Rücktritt vom Rücktritt

Beitia hat in diesem Sommer alles gewonnen: sie wurde Europameisterin in Amsterdam (Niederlande), die älteste Hochsprung-Olympiasiegerin aller Zeiten in Rio (Brasilien) und nun auch Diamond-League-Gewinnerin. Dabei hatte die Spanierin 2012 ihre Karriere bereits beendet, ohne olympische Medaille. In London (Großbritannien) war sie Vierte geworden. Die Russin Anna Chicherova, Siegerin von London, ist inzwischen des Dopings überführt worden. Beitias Trainer überredete sie im Winter 2013 zum Comeback. 

„Ich bin dem Sport sehr dankbar, dass er mir die vierte Chance zu einer Olympiateilnahme gegeben hat“, sagt Beitia am Ende einer langen Saison. Ob es auch das Ende ihrer langen Karriere ist? Immerhin springt sie seit ihrem zehnten Lebensjahr hoch.

Sitz im regionalen Parlament

13 internationale Medaillen hat sie inzwischen gewonnen. „Ich denke, man wird mich im nächsten Jahr bei der WM in London wieder sehen“, sagt sie. Ihre Motivation ist ungebrochen. Dass sie mit ihren Sprüngen bis zu 1,98 Meter international fast alles dominierte, liegt auch daran, dass sich die Maßstäbe im Frauen-Hochsprung verschoben haben. Sprünge über die „Zimmertür“ von zwei Metern sind seltener geworden.

Lediglich die US-Amerikanerin Chaunté Lowe (2,01 m) sowie im Juli in Eberstadt erstmals auch Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart; 2,00 m) sind in diesem Jahr über diese Marke gesprungen. Aber: Die 1,91 Meter große Beitia ist in diesem Jahr noch einmal über sich hinaus gewachsen. Wie lange ihre Jagd über Latte und Matte noch gehen wird? „Ich weiß es nicht, ich will weiterhin viel Spaß haben dabei“, sagt sie.

Neben dem Leistungssport hat Beitia noch eine ganz andere Profession: Sie ist Politikerin. Seit 2011 sitzt sie für die Partido Popilar (PP) im regionalen Parlament von Kantabrien. Dort in Santander setzt sie sich für soziale Dinge ein: für Behinderte und Jugendliche. „Ruth Beitia ist eine Frau, die gelernt hat, ihren Körper und ihren Geist vorbildlich zu verwalten“, schrieb die spanische Zeitung Marca über die derzeit wohl größte Botschafterin des Sports in Spanien. Sie besitzt große Ausstrahlungskraft über die Landesgrenzen hinaus.          

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