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Spitzensportreform: Dagmar Freitag sieht noch viel Gesprächsbedarf

Nachdem der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und das Bundesinnenministerium (BMI) die Leistungssportreform hinter verschlossenen Türen ausgehandelt haben, sollen am Dienstag nun die Spitzenverbände darüber diskutieren. Am Mittwoch folgt eine öffentliche Debatte im Sportausschuss des Bundestages. Die Ausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag sieht noch viel Geprächsbedarf.
dpa/pr

Der Widerstand der deutschen Spitzenverbände gegen die Leistungssportreform hält sich in Grenzen. Denn es herrscht Nervosität unter den Verbänden, wie man bei der Verteilung der Fördergelder nach neuen Regeln in Zukunft abschneiden wird. "99 Prozent wollen die Veränderungen, jetzt geht es um den Feinschliff", sagte Siegfried Kaidel, Sprecher der Spitzenverbände, vor der ersten großen Debatte am Dienstag (13:00 Uhr) in Frankfurt mit dem DOSB.

Vor der Sitzung mit DOSB-Präsident Alfons Hörmann, seinem Vorstand Leistungssport Dirk Schimmelpfennig sowie einem Vertreter des Bundesinnenministeriums (BMI) konnten die olympischen und nichtolympischen Verbände sowie die Landessportbünde Fragen und Einwände zur Reform einreichen. "Viele haben das wahrgenommen", berichtete Kaidel. "Es gibt noch einiges zu tun."

Den richtigen Weg wählen

Monatelang war viel spekuliert und kritisiert worden. Nämlich, dass es bei der Reform nur um mehr Medaillen gehe, den zuletzt nicht so erfolgreichen Verbänden die Förderung empfindlich gekappt werden könnte und die erfolgreichen mehr profitieren würden. "Es wird sicher noch das eine oder andere heißer diskutiert als es ist", meinte Kaidel. Aber alle wollten ja, dass sich etwas tue im deutschen Sport. "Mehr Medaillen heißt nicht, dass der Rest hinten runter fällt, aber es muss das oberste Ziel sein, auch für Athleten."

Deshalb ist Kaidel, der auch Präsident der Ruderer ist, sehr optimistisch, dass der "richtige Weg" eingeschlagen wurde und die gemeinsame Sitzung mit DOSB und BMI ein "großer Schritt nach vorne" wird: "Jetzt müssen wir Stellschrauben nachjustieren oder lockern."

Medaillenfixierung in der Kritik

Dagmar Freitag, die als Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag für Mittwoch zu einer öffentlichen Anhörung zur Reform in Berlin eingeladen hat, sieht dagegen noch viel Gesprächsbedarf. "Klar ist, dass jede Veränderung nicht nur Zustimmung, sondern auch Gegenwind hervorrufen würde. Das ist zurzeit der Fall", sagte die SPD-Politikerin. "So wird über das vorliegende Konzept relativ heftig in den Spitzenverbänden diskutiert, die aus meiner Sicht zu wenig Zeit hatten, sich mit den Details der Reform auseinanderzusetzen, was nicht nur zu bedauern, sondern durchaus auch zu kritisieren ist."

Dagmar Freitag begrüßt die Hinterfragung der Strukturen. Die verfehlten Medaillenprognosen seitens des DOSB hätten gezeigt, dass Einschätzung, Strukturen und Förderung schon lange nicht mehr zusammenpassen. Persönlich fehlt ihr die Möglichkeit einer breiten gesellschaftlichen Diskussion: "Der DOSB hat den Begriff 'Sportdeutschland' kreiert. Wer oder was ist Sportdeutschland überhaupt? Der Begriff ist nie mit Leben und Inhalt erfüllt worden", sagt Freitag. Stellungnahmen, Einwände und konstruktive Vorschläge seien "nicht einfach vom Tisch zu fegen, sondern einer gründlichen und ergebnisoffenen Prüfung zu unterziehen".

Die Gesetzgeber haben sich der Förderung eines sauberen Sports verschrieben. "Das zeigt nicht zuletzt die Verabschiedung eines wegweisenden Anti-Doping-Gesetzes. Deutsche Athleten sollen ihre Leistungen manipulationsfrei erbringen, müssen sich im Zweifel aber mit gedopten Konkurrenten messen", gibt die Ausschuss-Vorsitzende des Bundestages zu bedenken. "Wollen wir uns tatsächlich mit Nationen und Systemen wie Russland, China oder Kenia vergleichen?"

Athlet steht im Mittelpunkt

Das "Eckpunktepapier zur Neustrukturierung des Leistungssports" enthält einigen Reizstoff wie das Potenzialanalyse-System, nach deren 20 Kriterien die Fördermittel künftig verteilt werden sollen. In der Attributeliste bleibt das Ungleichgewicht der Dopingbekämpfung in der Sportwelt ebenso unberücksichtigt wie die internationale Konkurrenzsituation in den jeweiligen Sportarten. Zudem gibt es Kritik an der absoluten Fixierung auf mehr Medaillen in Zukunft.

"Die Reform nur anhand der Medaillenziele zu diskutieren, ist falsch und wird weder den Athleten gerecht, die die Medaillen gewinnen müssen, noch spiegelt es deren Notwendigkeit wieder", sagte DOSB-Athletensprecher Christian Schreiber. Auch Platzierungen hinter Medaillen und "Bestleistungen ohne Edelmetall" müssten gewürdigt werden. Zugleich forderte er dazu auf, bei der Bewertung des Reformmodells weniger den Fokus auf "wie viel bekommt jeder" Verband zu legen, sondern darauf, was für Athleten und Trainer herauskomme.

"Die Reform stellt den Athleten erst dann in den Mittelpunkt, wenn notwendige Veränderungen auch beim Athleten wirken", meinte Schreiber. Es müsse eine Leistungssportreform für die Athleten werden. "Das muss das absolute Ziel aller Beteiligten sein", sagte er. "Denn an wen geht im Grunde die Forderung nach mehr Medaillen? Weder der Minister, der Verbandspräsident noch der Sportdirektor steht am Startblock. Der Athlet muss es reißen."

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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