| Interview

Sven Knipphals: „Nicht mehr Jäger, sondern der Gejagte“

Sven Knipphals trumpfte am Wochenende in Regensburg mit einer neuen Bestzeit über 100 Meter von 10,13 Sekunden auf. Damit ist der Athlet des VfL Wolfsburg momentan der schnellste Deutsche. leichtathletik.de hat mit ihm danach nicht nur über das Rennen gesprochen, sondern auch über die deutschen Sprinter, seine Arbeit als Chiropraktor und die Auswirkungen seines Crowdfundings.
Christian Fuchs

Sven Knipphals, Glückwunsch zu den 10,13 Sekunden. Hatten Sie eine solche Zeit in Regensburg erwartet?

Sven Knipphals:

Ehrlich gesagt ja. Nicht unbedingt eine 10,13, aber dass ich die WM-Norm angreifen kann auf jeden Fall. Vor drei Tagen habe ich noch mit Lucas Jakubczyk geschrieben. Er hat mich gefragt, wie ich mich fühle. Ich meinte, ich bin so bei 10,25 bei null Wind. Mit 1,9 Metern pro Sekunde Rückenwind habe ich jetzt Schwein gehabt. Mit 10,13 Sekunden ist das die Form, die ich mir vorgestellt habe. Das ist die WM-Norm, eine neue persönliche Bestleistung. Damit bin ich erst einmal zufrieden.

Ein paar Ihrer deutschen Sprintkollegen sind angeschlagen. Jetzt haben Sie die Pole Position übernommen…

Sven Knipphals:

Das ist jetzt eine andere Situation, nicht der Jäger, sondern der Gejagte zu sein. Aber das tangiert mich erst einmal nicht. Ich bin froh, dass ich die WM-Norm habe. Im Prinzip ist es auch so, dass wir eigentlich ein Team sind. Wir laufen regelmäßig in der Staffel und sind lange in den Trainingslagern zusammen unterwegs. Bei den Deutschen Meisterschaften sind das meine Gegner. Wenn ich dieses Jahr in der Pole Position bin, dann möchte ich natürlich auch um den deutschen Meistertitel mitlaufen.

Stichwort Team. Gerade dieser Teamgeist zeichnet die deutschen Sprinter die letzten Jahre aus. Wie erleben Sie das Ganze?

Sven Knipphals:

Jeder lernt von dem anderen. Lucas ist ein Typ, der sehr, sehr bedacht ist und genau weiß, was er tut. Er hat eine sehr gute Ruhe reingebracht. Julian [Reus] ist ein absoluter Arbeiter, mit dem man auch super zusammen trainieren kann. Jeder pusht, aber bremst auch den anderen. Das ist auch manchmal wichtig. Wir haben zusammen Spaß. Mit Christian Blum waren wir zum Beispiel auch sehr lange Zeit zusammen in einem Haus in Florida. Wir kochen zusammen, wir wohnen da zusammen. Wir sind nicht mehr nur Trainingspartner, wir sind durchaus Freunde geworden. Das ist eine ganz wichtige Sache.

Sie sind den Schritt nach Leipzig gegangen. War das der Schlüssel, der noch einmal einen Schub nach vorne brachte?

Sven Knipphals:

Das auf jeden Fall. Unter Ronald Stein zu trainieren ist eine sehr gute Sache und eine richtige Entscheidung für mich gewesen. Ronald Stein hat zusammen mit Idriss Gonschinska das komplette Sprintprogramm überarbeitet. Ich war vorher sehr lange in England. Ich habe den Schritt vom Studium dort zurück nach Deutschland, nach Leipzig gemacht. Unter anderem, weil ich dort auch meinen Job annehmen konnte.

Beruflich sind Sie als Chiropraktiker im Einsatz, wie gestaltet sich das Ganze?

Sven Knipphals:

Ich arbeite als Chiropraktor. Ich habe das fünf Jahre lang studiert, dann den Heilpraktiker gemacht und arbeite als vollzeitstudierter Chiropraktor. Das ist ein geschützter Begriff, während sich jeder Chiropraktiker nennen kann, der einen Heilpraktiker und ein paar Wochenendkurse gemacht hat. Ich arbeite halbtags. Mein Chef ist sehr, sehr entspannt, wenn ich mal sechs Wochen in Florida bin. Dafür auch vielen Dank. Es ist manchmal auch ein guter Ausgleich. Letztes Jahr hatte ich noch mehr gearbeitet. Jetzt mache ich nur noch zwölf bis 15 Stunden die Woche. Das ist sehr annehmbar und sehr kompatibel.

Was bedeutet Ihnen diese Aufgabe als Chiropraktor?

Sven Knipphals:

Es ist einfach auch ein Sicherheitsgedanke im Hinterkopf. Man weiß nie im Sport: Es kann von heute auf morgen zu Ende sein. Es ist definitiv nichts für die nächsten zwanzig Jahre. Ich weiß, danach habe ich einen Job, den ich mag, den ich gerne mache und mit dem man auch ein bisschen Geld verdienen kann. Das beruhigt auch innerlich ein bisschen.

Zum Geld verdienen: Sie haben ein eigenes Crowdfunding am Start. Wie läuft das im Moment?

Sven Knipphals:

Das Crowdfunding läuft ganz okay. Was deutlich besser dadurch geworden ist, ist die Popularität. Ich habe sehr viel Feedback gekriegt. Ich habe viele Interviewanfragen. Darüber habe ich auch zwei neue Sponsoren bekommen. Einen davon habe ich noch nicht bekannt gegeben, das kommt demnächst. Dadurch bin ich auch finanziell noch einmal ein deutliches Stück unabhängiger geworden. Ich bin im Moment auch gerade mit den Fußballern von meinem Verein in Gesprächen und werde da auch noch einmal eine kleine Professionalisierung erfahren. Ich habe viel positives Feedback bekommen, aber ich lasse auch meine Leistung dafür sprechen. Dadurch ist das eine sehr gute Kombination.

Wie muss man sich die Professionalisierung durch die Fußballer des VfL Wolfsburg vorstellen?

Sven Knipphals:

Es war eine zeitlang so, dass in Wolfsburg auf der einen Seite des Mittellandkanals VW und die Fußballer waren, auf der anderen Seite der e.V. und die Stadt. Diese Trennung gab es jahrelang. Es ist viel gegeneinander gearbeitet worden. Unter Klaus Allofs und Herrn Röttgermann gehen die Fußballer wieder deutlich mehr auf die Stadt ein. Sie versuchen alles zusammenzubringen und haben sich eben jetzt auch mit mir von ihnen aus auf ein Gespräch getroffen. Sie haben gefragt: Was können wir machen, um auch dich ein wenig zu unterstützen. Davon war ich sehr, sehr positiv überrascht. Wir sind jetzt in Verhandlungen, um mal zu kucken, wie man das Ganze noch ein bisschen professionalisieren kann.

Sie haben ja auch den Aufhänger „der schnellste Wolf“ zu sein…

Sven Knipphals:

Das habe ich zusammen mit meinem Manager Ingo Bartels, mit TalentEntdecker, vor einem Jahr entwickelt. „Profil schärfen“ nennt man das ja. Ein bisschen raus aus dem „nur geradeaus laufen“, Wiedererkennungswert schaffen. Meine Agentur hat da sehr, sehr viel geleistet. Homepages, Social Media etc. – das ganze Umfeld einfach professionalisiert. Das ist eine wichtige Sache.

Mit dieser Unterstützung sind Sie auch in Sachen Marketing und PR auf dem Vormarsch…

Sven Knipphals:

Das ist auch ein Full-Time-Job. Das merkt man auch bei Ingo. Selber könnte man das nicht. Man versucht natürlich als Sportler, sich auf den Sport zu konzentrieren und so etwas abzugeben. Da bin ich sehr froh, dass ich jemanden gefunden habe, der das so macht.

Sie haben den Spitznamen „Nipples“ abbekommen. Wie kam es zu dieser Geschichte?

Sven Knipphals:

Mein Name ist ja Knipphals. Die Engländer sagen bei „Kn“ nur das „N“. Ich habe mal die Britischen Uni-Meisterschaften gewonnen und dann haben sie auch Sven noch falsch ausgesprochen als "Seven". Dann hatte im Weitsprung „Seven Nipples“ gewonnen. Da hat natürlich die ganze Uni abgefeiert. Seitdem bin ich „Nipples“ oder noch ein bisschen abgewandelt „Nippes“. Den Spitzenamen habe ich weg, der wird auch bleiben. Damit komme ich aber absolut zurecht.

Zum Abschluss noch einmal zum Sportlichen. Wie würden Sie die Ziele für dieses Jahr definieren?

Sven Knipphals:

Die Team-EM wäre jetzt das nächste. Momentan bin ich der schnellste Deutsche, das wäre mein erster Einzelstart. Im Prinzip geht es jetzt über Cheboksary nach Nürnberg und dann nach Peking. Die Staffel ist natürlich auch immer ein Thema. Da wollen wir auch schnelle Zeiten abliefern.

Mehr:

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