| U20-WM Kommentar

Talente in besten Händen

Zwei Wochen USA mit der deutschen U20-Nationalmannschaft. Mit Athleten, Ärzten, Physiotherapeuten, einem Team-Psychologen und insgesamt 23 Bundes- und Disziplintrainern. Was bleibt da an Eindrücken und Erinnerungen? Natürlich die sportlichen Erfolge. Und dann vor allem eines: die Arbeit der Nachwuchstrainer.
Silke Morrissey

„Das DLV-Team hat bei der U20-WM super Arbeit geleistet.“ Das schreibt sich so leicht. Das liest sich so schön. Den Beteiligten gefällt es sicher auch. Aber ganz im Ernst: Wenn ich das heute so formuliere, dann meine ich das so. Und irgendwie finde ich, ich kann mir diese Meinung auch bilden, schließlich war ich dabei. Zwei Wochen lang.

Zum Team zählen natürlich die 57 Athleten – über sie ist viel geschrieben worden. Zum Team zählen Ärzte, Physiotherapeuten und der Team-Psychologe Sebastian Debnar-Daumler. Sie waren rund um die Uhr für die Mannschaft da. Sowohl für die Athleten als auch für die Betreuer, und alle waren voll des Lobes. Diese will ich nicht vergessen. Aber hier sollen die Trainer im Mittelpunkt stehen.

Bunter Haufen

Ohne respektlos klingen zu wollen: Die Gruppe der Trainer ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Da sind Ex-Weltklasse-Athleten wie die dreimalige Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch oder der Ex-Weltmeister im Dreisprung Charles Friedek. Da sind Weltklasse-Trainer wie Gerald Bergmann, Coach des ehemaligen Kugelstoß-Europameisters Ralf Bartels.

Da sind die Trainer, die seit Jahren an der Basis in ihren Vereinen und Verbänden die Topathleten von morgen formen, wie der Gladbecker Coach Heiner Preute. Da sind nebenberufliche Trainer wie Alex Seeger (Sprint) oder Christoph Sahner (Hammerwurf), die nach Dienstschluss und am Wochenende auf dem Platz stehen. Und da sind die jungen Nachwuchstrainer wie Jörg Schulte (Diskus) oder Georg Schmidt (Mittelstrecke), die frischen Wind in ihre Disziplingruppen bringen sollen.

Ganz unterschiedlich ist auch der Umgang mit den Athleten. Da gibt es den sachlichen, analytischen Jan-Gerrit Keil, der sich den Titel „Hochsprung-Professor“ mehr als verdient hat. Emotionale Coaches wie Zehnkampf-Trainer Christopher Hallmann, der nach zehn Disziplinen so fix und fertig ist, als hätte er selbst auf dem Platz gestanden. Oder Eva Rapp (Siebenkampf) und Peter Schörling (Hürdensprint), die grenzenlose Ruhe und Routine ausstrahlen.

Zum Team geformt

Die Übergänge der Rollen sind fließend. Denn jeder der Trainer war selbst einmal Athlet, Weltklasse hin oder her. Jeder hat als Trainer klein angefangen. Und irgendwie waren auch fast alle von ihnen schon mal an internationalen Medaillen beteiligt, sei es als Athlet, als Heimtrainer oder als Disziplintrainer.

Nicht immer sind sich alle einig. Nicht alle sind sich untereinander grün. Ist doch klar, bei so einer großen Gruppe, zu der viele charakterstarke Leitwölfe zählen. Keine einfache Aufgabe für U20-/U18-Bundestrainer Dietmar Chounard, der den „bunten Haufen“ zusammenhalten muss. Er hat, wie es scheint, eine gute Mischung gefunden zwischen Zuckerbrot und Peitsche, zwischen klaren Anweisungen zum Zwecke eines reibungslosen Ablaufes der Meisterschaften und einer langen Leine für die individuelle Wettkampf-Vorbereitung und -Gestaltung in den einzelnen Disziplinen.

Und schließlich gibt es da doch etwas, was alle Trainer verbindet: Die Liebe zur Leichtathletik, der Wille, für das bestmögliche Ergebnis zu kämpfen, die Eigenschaft, sich nicht mit dem Erreichten zufrieden zu geben und der bedingungslose Einsatz für die Athleten - die in einem Alter sind, in dem es um mehr als nur um das Feilen an Form und Technik geht. Das hört nicht auf dem Sportplatz auf, und auch nicht bei den eigenen Schützlingen. Da ist er dann auf einmal, der vielzitierte Teamgeist.

Gemeinsam leiden, gemeinsam freuen

Wenn Jan-Gerrit Keil in der Hochsprung-Qualifikation zwei Athleten auf zwei verschiedenen Anlagen betreuen muss, hilft Stabhochsprung-Trainerin Christine Adams aus. „Sie kennt sich aus mit Vertikalsprüngen“, sagt Keil. Das Vertrauen ist da, die Bereitschaft mitzuhelfen ebenfalls.

Im Kugelstoßen der Zehnkämpfer wird Christopher Hallmann von Gerald Bergmann unterstützt. Jörg Schulte ist an der Seite von Franka Dietzsch, wenn Claudine Vita im Diskus-Finale in den Ring steigt. Und für Stefan Ritter ist der Wettkampf nicht schon nach dem Stabhochsprung der weiblichen Jugend vorbei, er sitzt auch beim Finale der männlichen Jugend auf der Tribüne und hat ein Auge auf Absprungmarken und Windfähnchen.

Wer zusammen arbeitet, kann auch zusammen feiern – viel schöner gar als alleine. Wer nicht gerade mit seinen Athleten im Wettkampf-Tunnel ist hat ein Auge auf das, was in den anderen Disziplinen passiert. Nach jedem erfolgreichen Abschneiden können sich die Trainer der Anerkennung ihrer Kollegen sicher sein. Oder aufmunternder Worte, wenn es mal nicht so gut gelaufen ist.

Immer da für die Athleten

Rührend sind viele Szenen der Trainer im Umgang mit den Athleten. Als 400-Meter-Läuferin Ann-Kathrin Kopf am Boden zerstört war, weil sie nur um eine Hundertstel den Einzug ins Finale verpasst hatte, machte sie Disziplintrainer Andreas Knauer kurzerhand in der Teamsitzung vor versammelter Mannschaft zur Anführerin der Staffel. Zwei Tage später rettete sie Bronze ins Ziel.

„Ich bin ja eigentlich stets für meine humorvollen Zusammenfassungen bekannt“, startete Gerald Bergmann in der Teamsitzung seinen Bericht über das Kugelstoß-Finale der männlichen Jugend. Wie zwei Häufchen Elend standen seine Schützlinge Henning Prüfer und Patrick Müller im Türrahmen und wollten nach Rang elf und zwölf wohl am liebsten im Boden versinken. Das entging auch ihrem Disziplintrainer nicht, der mit ihnen litt und dem an diesem Tag die humorvollen Worte fehlten.

Für Charles Friedek eine der größten Herausforderung im Trainerberuf: „Ich sehe, was ein Athlet besser machen kann, um noch weiter zu springen. Aber ich kann diese Anweisungen nur weitergeben, nicht – wie noch als Athlet – selbst umsetzen.“ In Max Heß hatte er einen Athleten, der seine Tipps in die Tat umsetzte. Nach Versuch eins war im Finale noch Gesprächsbedarf. Nach Versuch zwei gab’s nur ein freudiges Abklatschen und Lob für den U20-Vize-Weltmeister, der nun auf den Spuren seines Mentors wandelt.

Heimtrainer nicht vergessen

Den Grundstein für die Leistungen der Athleten legen die Heimtrainer in ihrer täglichen Arbeit. Das soll nicht unerwähnt bleiben. Einige von ihnen waren in Eugene sogar dabei, als ihre Schützlinge im Hayward Field nach den Sternen griffen. Jochen Wetter zum Beispiel, Coach der Landauer Stabhochspringer Oleg Zernikel und Lamin Krubally. Auch Harald Bottin konnte Gina Lückenkemper persönlich zu Bronze mit der Sprintstaffel gratulieren.

Die meisten aber haben ihre Schützlinge für die U20-WM in die Obhut der Disziplintrainer gegeben, die sich auskennen mit internationalen Meisterschaften, mit dem Trubel auf dem Aufwärm-Platz, Call-Room, Coaching-Zone und Doping-Kontrollen. "Da habe ich keine Bedenken“, hatte Max Heß‘ Trainer Harry Marusch schon im Vorfeld gesagt. Die brauchten auch die anderen Heimtrainer nicht zu haben. Die deutschen Athleten waren in Eugene in besten Händen.

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