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Tüftler am Werk: Die sportwissenschaftlichen Partner des DLV

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) arbeitet in allen Disziplinblöcken mit einem Netz an kompetenten Sportwissenschaftlern zusammen. Die wissenschaftlichen Experten von IAT, Olympiastützpunkten (OSP) und Unis sollen im harten internationalen Konkurrenzkampf entscheidende Trends und Tipps für eine individuell optimale Technik und das effektivste Training ausfindig machen.
Pamela Lechner

Leichtathletik-Spitzensport ist ständig in Bewegung und der Konkurrenzkampf zwischen den Nationen nimmt stetig zu: Um am Ball zu bleiben oder sogar einen eigenen Wissensvorsprung zu erarbeiten, sorgen ausgewählte Sport- und Trainingswissenschaftler integriert in die DLV-Kompetenzteams mit Trainern und Athleten für neues Know-How. In den sogenannten „Trainer-Berater-Systemen“ soll die Schnittstelle zwischen Trainingspraxis und Wissenschaft den sportlichen Fortschritt bringen. Es gilt auf dem neuesten Stand technischer und trainingsmethodischer Entwicklungen zu sein.

„Die Bundestrainer entwickeln viele praxisrelevante Fragestellungen, die die Sportwissenschaftler der Kompetenzteams versuchen, wissenschaftlich fundiert zu beantworten“, erklärt DLV-Generaldirektor Sport Idriss Gonschinska die Arbeitsweise. Die Philosophie dabei: „Wir versuchen die beste Idee und den besten Lösungsansatz zu fördern und die beste Kompetenz in einem Team zu bündeln.“ Damit soll die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Leichtathleten auf Weltniveau geebnet werden.

Wissensaustausch innerhalb des Disziplinblocks

Die wissenschaftliche Trainingsbegleitung der Wurf-Disziplinen und des Bereichs Lauf/Gehen erfolgt über das Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig. Die Sprint- und Hürdendisziplinen werden federführend durch die Trainingswissenschaftler des OSP Berlin betreut, die Stabhochspringer durch den OSP Rheinland (Leverkusen), die Horizontalsprünge am OSP Hessen (Frankfurt) und der Hochsprung durch den OSP Stuttgart.

Neben der intensiven Zusammenarbeit mit diesen und weiteren Olympiastützpunkten und dem IAT gibt es für spezielle Fragestellungen zusätzlich universitäre Partner, die an speziellen Themen forschen. Ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt war etwa die sportsoziologische Untersuchung der Trainer-Athlet-Kommunikation durch die Unis in Stuttgart und Bielefeld.

Das generierte Wissen soll nicht intern bleiben, sondern wird im Sinne der Disziplinentwicklung und des Wissenstransfers in Workshops an Nachwuchsbundestrainer, Landestrainer und Vereinstrainer weiter gegeben. Die Leitenden Bundestrainer und im Wurf/Stoß-Bereich zudem Bundestrainer Wissenschaft Wilko Schaa verantworten den Wissensaustausch zwischen OSP-Trainingswissenschaftlern, IAT und ausgewählten universitären Einrichtungen und Instituten. Auch aktuelle Forschungsergebnisse und Erkenntnisse aus anderen Sportarten wie dem Fußball, Handball und Wintersport können relevant sein.

Trainingsprozess unter der Lupe

Mittels sportwissenschaftlicher Methoden wird der individuelle Trainingsprozess der Kaderathleten laufend begleitet und bewertet. Dazu reisen die Trainingswissenschaftler das ganze Jahr über mit in Trainingslager, auf Lehrgänge und Wettkämpfe. Durch Wettkampfanalysen, Leistungsdiagnostiken, Trainingsanalysen und Messplatztraining können Stärken und Defizite aufgezeigt und individuell passende Interventionen abgeleitet werden.

In der Vor- und Nachbereitung des Wettkampfjahres zeigen die Trainingswissenschaftler die Trends der Weltstandsentwicklung auf und analysieren gemeinsam mit dem DLV-Trainerteam die Saisonhöhepunkte. Was machen die absoluten Weltklasse-Athleten und was im Vergleich dazu die deutschen Top-Athleten? Ziel der wissenschaftlichen Kooperationen ist es, einen Beitrag für künftige DLV-Erfolge bei internationalen Meisterschaften zu leisten.

Disziplinspezifische Leistungsgrößen

Woran aber wird konkret in den einzelnen Bereichen gearbeitet? Was sind die entscheidenden Parameter, die Top-Leistungen ermöglichen? In den Wurf-Disziplinen ist die Abfluggeschwindigkeit der Geräte die zu maximierende Größe. Die Trainingskonzeption wird also mittlerweile verstärkt auf die Schnelligkeitsentwicklung ausgerichtet. In den Lauf-Disziplinen werden besonders Renn-Verläufe bei wichtigen Wettkämpfen betrachtet, um daraus zu lernen. Analysiert wird zum Beispiel auch die maximale Sauerstoff-Kapazität (VO2max) der Athleten zur Messung der Ausdauerleistungsfähigkeit.

Im Stabhochsprung geht es speziell um die biomechanische Auswertung des Anlauf-Absprung-Komplexes und der Energiebilanz. Die Technikmuster der DLV-Kaderathleten werden mit der aktuell angesagten Technik der weltbesten Springer verglichen. Mit Hilfe des Messplatz-Trainings in Leverkusen kann mit Projektleiter Dr. Falk Schade die individuell optimale Nutzung der Stabenergie untersucht werden.

Athleten-Monitoring im Sprint erfolgreich implementiert

Im Sprint und Hürdensprint untersucht der OSP Berlin systematisch die Kinematik des Sprintschrittes in der Phase maximaler Geschwindigkeit. Wissenschaftlicher Projektleiter für den Sprint-Bereich ist Dr. Ralf Buckwitz, der schon seit 1995 für den DLV im Einsatz ist und auch zur Vorbereitung der Staffel-Weltmeisterschaften in Yokohama (11./12. Mai) mit nach Japan reisen wird.

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Rainer Knöller (Uni Hannover) wurde bei den Sprintern zuletzt ein Athleten-Monitoring implementiert, bei dem über eine App fünf Parameter zur Messung des momentanen Stress-Levels erhoben werden. Trainer erhalten so aktuell wichtige Informationen über den Zustand des Athleten und können unmittelbar in der Trainingsgestaltung darauf reagieren. Das Monitoring soll in Zukunft auf weitere Disziplinen ausgeweitet werden.

Ableitung von wissenschaftlichen Trainingsempfehlungen

Auch in den horizontalen Sprung-Disziplinen steht die Analyse der Schnelligkeitsfähigkeiten im Fokus der Wissenschaft – mit Projektleiter Dr. Luis Mendoza, der am OSP Hessen in Frankfurt arbeitet. Die Sprung-Leistung wird wesentlich durch die Anlauf-Geschwindigkeit und die Qualität des Absprung-Komplexes bestimmt.

Daneben gibt es viele weitere gut funktionierende wissenschaftliche Kooperationen, die an den zukünftigen Erfolgen der DLV-Nationalmannschaft feilen. Die jeweiligen Teams aus Bundestrainern, Trainingswissenschaftlern und weiteren Kompetenzteam-Mitgliedern erarbeiten basierend auf den kontinuierlichen Analysen wissenschaftlich fundierte Trainingsempfehlungen. Mit entsprechenden Angeboten für die individuelle Gestaltung des Trainings wird der Weg in Richtung der nächsten großen Ziele WM in Doha und Olympische Spiele in Tokio eingeschlagen.

Hinweis:
In einer dreiteiligen Serie stellen wir in den kommenden Wochen beispielhaft drei trainingswissenschaftliche Kooperationen genauer vor.

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