| Erinnerung an einen Mittelstreckler

Werner Lueg lief einzigen Weltrekord bei DM

Bei den bisher 113 Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften hat Werner Lueg eine ganz besondere Rolle gespielt. Der begnadete Mittelstreckler, der vor wenigen Tagen im Alter von 82 Jahren starb, ist der einzige deutsche Läufer, der bei einer DM für einen offiziellen Weltrekord gefeiert wurde.
Gustav Schwenk

Am 29. Juni 1952 stellte der Westfale Werner Lueg mit nur 20 Jahren und neun Monaten mit 3:43,0 Minuten den von dem legendären Schweden Gunder Haegg 1944 gelaufenen und 1947 von dessen Landsmann Lennart Strand egalisierten Rekord in Berlin ein. Damit sorgte er auch für den ersten Weltrekord eines deutschen Mannes im Olympiastadion.  Es geschah nur fünf Jahre, nachdem er beim Lauf „Rund um den Seilersee“ von Heinz Schlundt entdeckt worden war. Vom Deutschen 800-Meter-Meister der Jahre 1943 und 1944, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Iserlohn gekommen war.

Nach dem 1.000-Meter-Sieg (2:31,3 min) bei den ersten Deutschen Jugendmeisterschaften nach dem Krieg 1949 und den Hungerjahren brauchte Lueg nur zwei Jahre, um beim ersten großen Nachkriegs-Länderkampf am 3. Juli 1951 in Stockholm (Schweden) mit 3:49,4 Minuten als erster Deutscher unter 3:50 Minuten zu bleiben. Und fast auf den Tag ein Jahr später folgte der Weltrekord als frühe Krönung seines Aufstiegs.

An einen Weltrekord, wie ihn über 1.500 Meter bis dahin als einziger Deutscher Otto Peltzer (3:51,0 min) 1926 bei seinem Sieg gegen den finnischen Wunderläufer Paavo Nurmi auf dem nahen SCC-Platz an der Avus aufgestellt hatte, dachte man im Vorfeld der Berliner DM allerdings nicht.

Schnelles Finish

Tempoläufer Günther Dohrow versuchte, mit 56,6 Sekunden (400 m) und 1:58,1 Minuten (800 m) die Spurtkraft des für Sportfreunde Gevelsberg startenden Lueg im Olympiastadion zu brechen. Der rannte trotzdem die letzten 300 Meter in 42,8 und nicht in 45,0 Sekunden wie Haegg beim Rekord. Hätte er nicht kurz vor Ziel abgestoppt und sich nach Dohrow (3:44,8 min) umgesehen, wäre er alleiniger Weltrekordler geworden.

So flog er als Favorit zu den ersten seit 1936 wieder für deutsche Sportler offenen Olympischen Spielen nach Helsinki (Finnland). Das schnelle Duo Lueg-Dohrow wurde allerdings schon im olympischen Dorf geschwächt. Bei einer Kabbelei riss ein Spikes-Dorn des Westfalen eine Wunde in Dohrows Ferse. Schon im Zwischenlauf schied die Hoffnung des SCC Berlin aus.

Zwei in Helsinki schneller

Der Dins-lakener Rolf Lamers, der im Rekordrennen Dritter (3:47,4 min) geworden war, machte im Olympiafinale zunächst das Tempo. Lueg übernahm nach 1.000 Metern die Spitze, kam mit fünf Metern Vorsprung auf die Zielgerade, wurde dort aber von zwei Außenseitern geschlagen. Von Luxemburgs bis heute einzigen Leichtathletik-Olympiasieger Josy Barthel, den der einstige Rudolf-Harbig-Trainer Woldemar Gerschler beraten hatte, und vom US-Amerikaner Robert McMillen (beide 3:45,2 min) um zwei Zehntelsekunden. Lueg hatte sich auf der Zielgeraden mehrfach umgeschaut und so Zeit verloren.

Angesichts seiner Jugend wurde dennoch gefragt: „Ist Lueg ein Mann für die Traummeile?“ Die Antwort lautete nein, weil Roger Bannister, der in Helsinki Vierter wurde (3:46,0 min), sie am 6. Mai 1954 in 3:59,4 Minuten lief. Bald darauf trat der Brite nach dem Sieg bei der EM 1954 in Bern zurück, nach einem Lauf, der für Werner Lueg (Fünfter in 3:46,4 min) schon der internationale Abschied war.

Er wurde zwar von 1953 bis 1955 noch Deutscher Meister, der Riss der Achillessehne im linken Fuß verhinderte 1956 allerdings jeden Wettkampf. Nach DM-Silber 1957 beendete er seine Karriere. Man sah Werner Lueg nach seinem Abschied kaum noch in Stadien, die ihm sportlichen Ruhm und vor allem einen Weltrekord als Höhepunkt seiner Laufbahn gebracht hatte.

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