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Karl Bebendorf – „Geheimplan“ geht auf

Gleich 13 Athleten haben bei den Deutschen Meisterschaften im Sommer den ersten nationalen Titel ihrer Karriere gefeiert. Unter ihnen sind einige neue Gesichter und andere, die schon länger zur DLV-Spitze zählen. leichtathletik.de erzählt, wie sie es ganz oben aufs Podest im Berliner Olympiastadion geschafft haben, heute geht es um Hindernisläufer Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898).
Jan-Henner Reitze

Karl Bebendorf
Dresdner SC 1898

Bestleistung:

3.000 Meter Hindernis: 8:27,52 min (2019)
1.500 Meter: 3:39,02 min (2019)

Erfolge:

Siebter Hallen-EM 2019 (1.500 Meter)
Deutscher Meister 2019 (3.000 Meter Hindernis)

9:04,78 Minuten. Mit dieser Bestzeit aus dem Jahr 2016 stand Karl Bebendorf bei den Deutschen Meisterschaften an der Startlinie des Finals über 3.000 Meter Hindernis. Seit mehr als drei Jahren und Erfolgen in der Jugend hatte er kein Hindernisrennen mehr bestritten. Dass er in dieser Zeit alles andere als untätig war, stellte der 23-Jährige auf der blauen Bahn im Berliner Olympiastadion eindrucksvoll unter Beweis.

Karl Bebendorf steigerte sich um mehr als eine halbe Minute und lief in 8:33,59 Minuten zum Sieg vor Titelverteidiger Martin Grau (ASV Erfurt; 8:33,84 min). Ein echter Überraschungs-Coup. Zweieinhalb Wochen später erfüllte der Dresdner sogar noch die WM-Norm (8:29,00 min) und startete in Doha (Katar) erstmals bei einer Weltmeisterschaft.

Lange keine Hindernisse im Wettkampf, aber kontinuierlich Hürden im Training

Die Rückkehr zu den Hindernissen war einerseits spontan. „Wir haben erst sechs Wochen vor den Deutschen Meisterschaften entschieden, dass ich über diese Strecke starte, und dann im Training zum Beispiel die Wettkampfgeschwindigkeit simuliert“, erzählt der Deutsche Meister. Anderseits war diese Strecke auch in den drei Jahren Abstinenz immer im Hinterkopf.

„Um das Gefühl nicht zu verlieren, habe ich im Winter immer Hürden in die Tempoläufe eingebaut und auch regelmäßig Hürdenkoordination gemacht. Das wusste nur, wer mich trainieren sah. Sonst war es geheim. So hatte ich in Berlin auch den Überraschungseffekt auf meiner Seite.“

Im kommenden Jahr sollte es ursprünglich zurück auf die Hindernis-Distanz gehen. Denn der Traum von Olympia begleitet Karl Bebendorf schon länger. Und über die Hindernisse sieht er die besten Chancen, international möglichst weit vorne mitzumischen und auch einmal ein großes Finale zu erreichen. 

Kampfgeist und kuriose Rennen bringen schon in der Jugend Erfolge

Sportbegeistert ist der gebürtige Dresdner schon seit seiner Kindheit. Er spielte Fußball und besuchte ab der fünften Klasse eine Sportschule. Das größte Talent brachte er fürs Laufen mit und begann in der Gruppe der Olympia-Fünften von Atlanta (USA) über 400 Meter Hürden, Heike Morgenstern, zu trainieren. „Allerdings bin ich körperlich ein Spätentwickler, deshalb hatte ich gegenüber einigen Konkurrenten in der Jugend einen Nachteil“, erinnert sich der diesjährige WM-Teilnehmer.

Was ihn schon damals auszeichnete, war sein Kampfgeist. Bestes Beispiel dafür ist sein Sieg bei den Deutschen Jugendmeisterschaften 2014, als er in Wattenscheid dem verfrüht siegessicher jubelnden Patrick Karl (TV Ochsenfurt) über 2.000 Meter Hindernis noch den Titel wegschnappte und damit nebenbei für einen Klick-Hit bei leichtathletik.TV sorgte. Zu diesem Zeitpunkt war er im Training schon in die Laufgruppe von Katja Hermann gewechselt.

Kurios war auch das Rennen, in dem der Athlet des Dresdner SC 1898 seinen zweiten nationalen U20-Titel gewann. Im 1.500 Meter Finale der Jugend-Hallen-DM 2015 war die Rundenanzeige zu früh auf null gestellt worden. Gefühlt gleich zweimal lief Karl Bebendorf als Sieger über die Ziellinie.

Sport soll der Lebensmittelpunkt sein

In dieser Zeit war der Läufer beruflich voll eingespannt. Nach seinem Realschulabschluss absolvierte er eine dreijährige Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, die ihm zeigte, dass der Beruf danach erst einmal noch nicht komplett den Takt des Lebens vorgeben sollte. „Mir ist klar geworden, dass ich erst einmal den Sport in den Mittelpunkt stellen möchte und es sich lohnt, dafür zu kämpfen.“

Seit gut vier Jahren arbeitet er bei der AOK Plus mittlerweile 25 Stunden pro Woche als Kundenberater. Das ließ sich gut mit dem Sport kombinieren und „ist auch eine gute Ablenkung, mal nicht ans Laufen zu denken. Und es ist natürlich auch beruhigend, einen Beruf zu haben, in den ich jederzeit voll einsteigen kann.“

Grundlagen über 1.500 Meter gelegt

Trotz der nationalen Erfolge in der U20 war das internationale Niveau damals noch ein Stück entfernt, gerade als es mit dem Aufstieg in die U23 von den 2.000 Meter Hindernis auf die 3.000 Meter Hindernis ging. Gemeinsam mit Dietmar Jarosch als neuem Trainer, der Bebendorf bisher in der Hindernistechnik betreutet hatte, entschied der Athlet, erst einmal Grundlagen zu legen und die 1.500-Meter-Zeit zu steigern.

„Es war eine Umstellung auf ein anderes Trainingskonzept, das erst einmal eher nach hinten losgegangen ist“, erzählt Karl Bebendorf. „Ich war häufig krank oder verletzt.“ Über 1.500 Meter ging es dennoch aufwärts. So richtig fruchtete das Training 2018, als bei der U23-DM über 800 Meter der Titel und nur anderthalb Stunden später noch Silber über 1.500 Meter heraussprang.

Die Vorbereitung auf das Jahr 2019 verlief dann so reibungslos wie noch nie. Ohne ein Trainingslager verbesserte sich der Dresdner im Winter beim Meeting in Karlsruhe auf 3:40,67 Minuten und erfüllte damit überraschend die Norm für die Hallen-EM in Glasgow (Großbritannien), wo er sogar das Finale erreichte und als Siebter einen starken Einstand im Nationaltrikot hinlegte. „Das hat mir gezeigt, dass etwas in mir steckt.“

Rückkehr mit Hindernissen

Nach zwei Höhentrainingslagern in Südafrika und Flagstaff (USA) verlief auch der Beginn der Sommersaison mit der erneuten Steigerung über 1.500 Meter auf 3:39,02 Minuten vielversprechend. Die Überlegung, über welche Distanz die WM-Norm eher erreichbar ist, führte dann zur Rückkehr zu den 3.000 Metern Hindernis. Die guten Ergebnisse über 1.500 Meter waren gut fürs Selbstvertrauen, aber „der letzte Kilometer fällt mir immer noch schwer, da ich von der Unterdistanz komme. Da entscheidet der Kopf.“

Mit der Chance auf den Titel vor Augen und dann im Rennen von Pfungstadt der WM-Norm fiel es Karl Bebendorf nicht schwer, den Kampfgeist zu wecken. Im WM-Vorlauf von Doha (Katar) sei das schwieriger gewesen: „Ich hatte den Kontakt zum Feld verloren und wollte das Rennen einfach nur noch so gut wie möglich zu Ende bringen“, blickt der 23-Jährige auf seine erste WM zurück. „Das hat mir gezeigt, woran ich noch arbeiten muss.“

Weil er weiß, wie hart es auf den Abschlussrunden wird, hat Karl Bebendorf noch nicht endgültig seinen Frieden mit der Strecke geschlossen. „Das war auch auf den 1.500 Metern so. Aber irgendwann erreichst du ein Leistungsniveau, mit dem du das hohe Tempo besser wegsteckst.“ Mit einem erstmals gezielten Aufbau in Richtung längerer Strecke soll es im kommenden Jahr noch etwas schneller gehen. „Ich brauche mehr Grundlage und mehr Härte, um den letzten Kilometer mithalten zu können. Auch technisch sehe ich noch Potenzial, schneller und kraftsparender über die Hindernisse zu kommen.“

Olympia-Chance über Punktesystem größer?

Dass 2020 ein Olympiajahr ist, in dem er eventuell um die Teilnahme oder sogar noch mehr mitmischen kann, hatte Karl Bebendorf schon in seiner Jugendzeit im Kopf. 8:22,00 Minuten ist die internationale Norm, die nach Tokio (Japan) führt, oder die Qualifikation über die Weltranglisten-Position.

„Das zu schaffen, halte ich sogar für realistischer“, so der Rückkehrer zu den Hindernissen. „Obwohl ich natürlich auch meine Bestzeit steigern und Richtung 8:20 laufen möchte.“ Die vorgezogene Rückkehr auf die Hindernisse verbessert die Olympiaaussichten über die Weltrangliste. Denn dank seiner drei Rennen über diese Strecke hat er schon Punkte gesammelt und steht momentan an Stelle 57, über 1.500 Meter übrigens mit Rang 66 nur kaum schlechter. Über die Hindernisse sind in Tokio 45 Starter vorgesehen, maximal drei jeder Nation.

Kurze Hallensaison geplant

Auf dem Weg dahin wird der Sport wohl noch etwas mehr Zeit beanspruchen. In den vergangenen Jahren hatte Karl Bebendorf im Job im Winter immer Überstunden aufgebaut, die er im Sommer für den Sport abbummeln konnte. Jetzt hofft er, mit seinem Arbeitgeber eine Lösung zu finden und über etwas mehr Unterstützung der Sporthilfe einen finanziellen Ausgleich zu erhalten.

Um nicht zu einem unpassenden Zeitpunkt dazu gezwungen zu werden, hat er sich vor dem Start der Wintervorbereitung noch die Weisheitszähne ziehen lassen.

Im Winter ist eine kurze Hallensaison zur Überprüfung des Trainingsstandes und als Motivationsschub geplant. Die Weichen in Richtung Tokio sind gestellt. „Dieses Jahr soll nur die Generalprobe gewesen sein.“

Video: Karl Bebendorf meldet sich mit DM-Gold über die Hindernisse zurück
Video-Interview: Karl Bebendorf: "Richtung Olympia geht der Weg für mich nur über die Hindernisse"

Das sagt Bundestrainer Enrico Aßmus:

Schon die Zeit, als Karl in der Jugend die Hindernisse als Hauptdisziplin gelaufen ist, habe ich als damaliger Nachwuchsbundestrainer genau verfolgt. Mit 5:40 Minuten über die 2.000 Meter hatte er eine Zeit stehen, die in den vergangenen Jahren nur eine Handvoll Athleten gelaufen sind. Auf den 3.000 Metern ist ihm dann allerdings weder in der Jugend noch im ersten U23-Jahr eine adäquate Leistung gelungen.

Mit seinem Heimtrainer Dietmar Jarosch folgte der Entschluss, zwei bis drei Jahre auf die Mittelstrecke zu gehen. Die Rückkehr zu den Hindernissen war schon damals angedacht. Nachdem es in diesem Jahr mit der Finalteilnahme bei der Hallen-EM so gut über die 1.500 Meter lief, hat mich die Anfrage im Juni etwas überrascht, ob Karl bei den Deutschen die Hindernisse laufen kann. Im DLV haben wir das gern mit dem Sonderstartrecht unterstützt.

In Berlin waren eine gute Leistung und eine Medaille abzusehen, der Sieg nicht. Aber das Mittelstreckentraining hat sich anscheinend auch so gut auf die Ausdauerleistung ausgewirkt, dass Karl die siebeneinhalb Runden durchstehen kann. Seine Technik und eine gute Endspurtfähigkeit hat er schon in der Jugend unter Beweis gestellt. Wir haben uns sehr gefreut, dass ein weiterer starker Athlet zu den Hindernissen zurückgekehrt ist, auch wenn Karl eher von einer Art Hassliebe spricht.

In diesem Jahr war er im Flow, mit dem DM-Titel und dann der WM-Norm. Möglicherweise wird es nicht genauso weitergehen. Ich sehe aber noch Potenzial. Das Gesamtkonzept im Training über die Mittelstrecke hat Erfolg gebracht. Er und Dietmar Jarosch haben die Ruhe, an kleinen Stellschrauben zu drehen, um noch ein paar Sekunden schneller zu laufen. Dazu könnte gehören, die Grundlagenausdauer weiter zu entwickeln und gleichzeitig die Stärken auf der Unterdistanz weiter zu fördern.

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