| Ernährung

Du bist, was du isst – Mit Julian Reus

Lowcarb, alkalisch, vegan, paleo und so weiter und so fort: Ernährung ist ein großes Thema. Erst recht unter Leistungssportlern, die in der Ernährung ein wichtiges Element sehen, um mit ihrem Körper Höchstleistungen vollbringen zu können. Dabei ist die Ernährung so individuell wie die Athleten selbst. Wir sind daher auf die Suche gegangen mit der Frage: Wie ernähren sich Deutschlands Top-Leichtathleten? Herausgekommen sind ganz unterschiedliche Antworten von Athleten, die die für sie individuell passende Ernährung gefunden haben. Heute: Sprinter Julian Reus (Erfurter LAC Top Team).
Julian Reus/Alexandra Dersch

„Ernährung ist für mich im Prinzip wie der Sprint selbst: komplex. Aber kein Hexenwerk. Bis vor zehn Jahren habe ich eigentlich gar keine großen Gedanken an meine Ernährung verschwendet. Ich war damals Anfang zwanzig und habe einfach das gegessen, auf was ich Hunger hatte. Aber dann habe ich im Training erlebt, dass es im Sprint auf so viele Kleinigkeiten ankommt, um schneller zu werden. Ich habe verstanden, dass mein Körper mein Motor ist, der mich zu dem macht, der ich bin. Und dass ich entsprechend auch dafür sorgen muss, dass er gut versorgt ist.

Also habe ich mich in das Thema Ernährung eingelesen und bin schlussendlich dabei hängen geblieben, dass die Qualität der Nahrungsmittel eine große Rolle spielt. Guter Fisch, qualitativ hochwertiges Fleisch und Gemüse. Das ist teurer als im Discounter, keine Frage. Aber ich hatte den Luxus, dass ich mir das erlauben kann.

Seit zwei Jahren hole ich mir regelmäßig auch Tipps bei einem Ernährungsberater, weil ich skeptisch war, ob ich das alles so richtig mache. Ich wollte aber auch nicht, dass meine Ernährung zu einer Wissenschaft wird, die mich viel Zeit kostet und nicht in meinen Familienalltag passt. Man kann ja auch zu viel wollen. Aber der Ernährungsberater hat mir einen einfachen Leitfaden an die Hand gegeben, in dem ich mich wiederfinde, und seitdem achte ich verstärkt darauf, dass meine Ernährung sich auch in meinem Trainingsplan spiegelt und dazu passt. Sprich: Nach Krafteinheiten esse ich heute noch proteinhaltiger, vor Sprinteinheiten achte ich verstärkt auf Kohlenhydrate.

Proteinquellen sind für mich vor allem Käse, Nüsse, Magerquark, hochwertiges Fleisch und Fisch. Ich achte da sehr auf die Qualität und auch auf hochwertige Öle. Früher habe ich auch mal Schwein gegessen, heute esse ich eher Rind, Hühnchen oder Lachs. Bei Kohlenhydraten hat sich meine Ernährung insofern geändert, als dass ich fast keine Nudeln mehr esse und mir auch mein früher so geliebtes Frühstücksbrötchen abgewöhnt habe. Ich esse heute eher Reis oder Kartoffeln.

Dieses erhöhte Bewusstsein für die Ernährung und die Anpassung an die jeweilige Belastung hat dazu geführt, dass ich gerade in Wettkampfphasen weniger Muskelmasse verliere. Damit hatte ich früher immer Probleme. Aber dennoch bleibe ich dabei, dass Ernährung kein Hexenwerk ist und mich entsprechend auch nicht stressen soll. Ich wiege keine Lebensmittel ab, tracke nicht meine Kalorien oder faste in Intervallen. Das wäre mir zu aufwendig. Ich weiß, dass mein Bedarf an Kalorien so zwischen 3.000 und 3.500 Kalorien liegt, und die erreiche ich auch eigentlich immer.

Ich koche zu 80 Prozent alles selbst. Das ist zwar aufwendiger, aber dann weiß ich, was drin ist. Und ich finde warmes, frischgekochtes Essen persönlich auch einfach bekömmlicher, daher koche ich auch mittags und abends. Insgesamt achte ich dabei auf qualitativ hochwertige Lebensmittel, die so wenig verarbeitet sind wie möglich. Und auch Zucker, vor allem raffinierten Zucker, versuche ich weitgehend zu vermeiden.

Das ist natürlich nicht immer möglich, das ist mir klar. Aber auch wenn jetzt die Vorweihnachtszeit kommt, bleib ich ziemlich strikt bei meiner Ernährung. Bei mir ist es nämlich so: Entweder ich halte mich ganz konsequent an meinen Plan, oder überhaupt nicht. Ich bin kein Typ, der abends ein kleines Stückchen Schokolade essen kann und den Rest der Tafel dann problemlos zurück in den Schrank legt. Das geht für mich nicht. Dann muss ich immer die ganze Tafel essen. Also haben wir am besten gar keine Schokolade im Haus.“

Ein typischer Essensplan in der Aufbauphase von Julian Reus

Frühstück Rührei, Lachs oder Spiegelei.
Mittagessen Ich bin ein großer Freund von Pfannengerichten. Entweder fettreich mit Fleisch oder Fisch und Gemüse, oder kohlenhydratreich mit Kartoffeln, Reis, Linsen und dazu fettarmes Fleisch. Bei Gemüse achte ich immer darauf, dass es frisch ist. Aber ab und zu, wenn es mal richtig schnell gehen muss, gibt es auch schon mal Tiefkühlgemüse.
Snack kurz vor dem zweiten Training: Obst, Milchreis oder Magerquark
Abendessen Das ist unser Familienessen, also gemeinsam mit meiner Frau und meinem Kind. Die Beiden essen dann auch gerne Brot, aber ich habe da freie Hand, was meine Ernährung angeht, und esse daher ähnlich wie beim Mittagessen, wobei Eiweiß hier immer ein wichtiger Bestandteil ist.
Abendsnack Wie nachmittags

Sein Lieblingsrezept, eine Hähnchen-Curry-Pfanne, verrät Julian Reus exkusiv auf unserem Instagram-Kanal.

Das sagt Prof. Dr. Anja Carlsohn,
Professorin für Ernährungswissenschaft/Ökotrophologie an der HAW Hamburg und
Leiterin der AG Sporternährung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB):

„Julian Reus zeigt einen relaxten, sehr kompetenten Umgang mit der Ernährung. Anstelle eines detaillierten Ernährungsplans hält er sich an die grundlegenden Faktoren einer sportgerechten Ernährung, nämlich: energiebedarfsdeckend, ausreichend Gemüse, hohe Qualität der Lebensmittel und frische, nährstoffschonende Zubereitung. Zudem hat er die beiden für die Trainingsadaptation und muskuläre (Glykogen-)Regeneration entscheidenden Makronährstoffe – Kohlenhydrate und Proteine – im Blick und setzt entsprechende Lebensmittel an die Trainingsbelastung angepasst ein.

Julian hat insgesamt tolle individuelle Strategien entwickelt (z.B. keine Schokolade im Haus haben). Zudem ist es super, dass er selbst mindestens einmal täglich mit frischen Zutaten kocht. Ernährungswissen und Zubereitungskompetenz sind wichtige Schlüsselfaktoren, die auch Spitzensportlern die Umsetzung einer gesunden, die individuellen Trainingsziele unterstützenden Ernährung im oftmals stressigen Trainings- und Familienalltag erleichtern.“

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