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Max Heß springt zurück in die Weltspitze

Nach seinem Leidensjahr 2019 sammelte Max Heß mit einer erfolgreichen Saison 2020 neues Selbstvertrauen. Mit Sprüngen über 17 Meter meldete sich der Dreispringer in der Weltspitze zurück und sendete ein klares Signal an die Konkurrenz: Bei den Olympischen Spielen wird mit ihm zu rechnen sein.
Jane Sichting

Die Pause hat er sich verdient. Nach einer etwas ungewöhnlichen Saison mit vielen Einschränkungen und Ungewissheit aufgrund von Corona lehnt sich Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz) entspannt zurück und genießt zwei Wochen trainingsfrei. Gern auch mal beim Golfen. Vor drei Jahren habe er die Platzreife im Uni-Sport gemacht und nutze den Sport nun als Ausgleich zum kräftezerrenden Dreisprung, erklärt er. „Golfen ist eher eine mentale Belastung. Zugleich aber auch ein super Kopftraining: Jeder Schlag zählt von vorn – wie beim Dreisprung. Es reicht nicht, einen ersten guten Hop zu treffen, auch der zweite und dritte Sprung, Step und Jump, müssen passen.“

Und das haben sie bei Heß in diesem Sommer. „Rückblickend war es trotz der vielen ‚Aber‘ eine sehr gute Saison für mich. Vor allem emotional war es ein schönes Jahr, denn ich konnte endlich wieder springen“, sagt er erleichtert, „die Entwicklung über die Wettkämpfe hinweg war sehr positiv und das Wichtigste: ich bin verletzungsfrei durchgekommen“.

Nach dem Leidensjahr 2019 hat sich der 24-Jährige wieder in der Weltspitze zurückgemeldet und zu alter Stärke gefunden. Peu à peu hat er sich gesteigert, den kurzen Anlauf aus dem ersten Wettkampf allmählich verlängert und nur das umgesetzt, was auch im Training schmerzfrei funktioniert hat, denn er wollte kein Risiko eingehen. Aus nur zehn Schritten Anlauf landete er direkt im ersten Wettkampf Anfang Juli bei 16,71 Metern. „Damit hatte sich schon angedeutet, dass es wieder gut klappt“, erzählt er, „das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben“.

Mit 17 Metern zurück in der Weltspitze

Nur zwei Wochen später knackte der schnelle Techniker beim heimischen Springermeeting in Chemnitz erstmals seit drei Jahren wieder die 17-Meter-Marke unter freiem Himmel. Es folgten der vierte deutsche Meistertitel in Braunschweig und ein spannendes Duell mit dem viermaligen Weltmeister und zweimaligen Olympiasieger Christian Taylor (USA) zum Saisonabschluss beim ISTAF in Berlin.

„Bis zum letzten Versuch habe ich gedacht, dass ich gegen ihn gewinnen könnte“, gibt Heß zu. Nach fünf Durchgängen hatte er mit 17,17 Metern geführt und seine Bestleistung (17,20 m) nur knapp verfehlt. „Doch dann hatte er plötzlich diesen anderen Gesichtsausdruck und klar signalisiert: ‚Ich will es!‘ Schon bei seinem Anlauf wusste ich, dass ich ihn nur schlagen kann, wenn der Sprung ungültig ist.“ War er nicht. Mit 17,57 Metern sprang Taylor Weltjahresbestleistung.

Eine Weite, die auch für den Deutschen Hallenrekordler nicht utopisch ist. Unter dem Hallendach liegt Max Heß' Bestwert bei 17,52 Meter. Über die mentale Stärke des US-Amerikaners sagt er: „Im Wettkampf ist Christian ein Biest. Da kann ich mir definitiv noch was abgucken. Mir fehlt das noch ein bisschen, im letzten Versuch den Schalter umzulegen und so einen rauszuhauen. Die Wettkämpfe mit ihm haben mir sehr geholfen, Einblick in diesen Biest-Modus zu bekommen. Auch habe ich mit ihm viele gute Gespräche geführt – trotz seiner Titel ist er ein sehr bodenständiger und freundlicher Typ, der sehr interessiert an seinem Gegenüber ist,“

Krisenjahr 2019

An den Konter-Qualitäten innerhalb eines Wettkampfes will Heß demnach noch arbeiten – ein gelungenes Comeback auf der internationalen Bühne ist ihm bereits gelungen. Nachdem er 2016 mit dem U20-WM-Titel einen fabelhaften Aufstieg gefeiert und seine Erfolgswelle 2017 mit dem deutschen Rekord unterm Hallendach einen Höhepunkt erreicht hatte, erlebte er 2019 ein Jahr der Rückschläge und bestritt mit den siegreichen Deutschen Meisterschaften nur einen einzigen Wettkampf.

„Das war eine sehr schwierige Zeit. Ich bin normalerweise kein Kopfmensch und mache mir keine Gedanken. Aber wenn du nach dem fünften Mal wieder bei Null anfangen musst, nagt das schon an dir“, erinnert er sich. Und ergänzt schulterzuckend: „Aber mir blieb ja nichts Anderes übrig, als positiv zu bleiben.“

Auf Schockdiagnose folgt Entwarnung

Seine Motivation habe er vor allem daraus gezogen, „bald wieder springen zu können“. Und dabei auch auf sein junges Alter vertraut. Als dann jedoch die Diagnose Bandscheibenvorfall kam, fragte er sich dann aber doch: „Warum ich? Muss das sein?“ Musste es nicht – viele Expertenmeinungen und Untersuchungen später gab es die Entwarnung: Nicht die Bandscheibe war das Problem, sondern eine chronische Entzündung des Iliosakralgelenks, dem Kreuzbein-Darmbein-Gelenk. Dies habe zu einer Fehlstellung und schließlich zu einer schmerzhaften Verfestigung der Rückenmuskulatur geführt. Inzwischen habe er die Beschwerden dank einer Kombination aus Ruhe und Mobilisationstraining im Griff. „Jetzt läuft wieder alles rund“, strahlt er.

Dass die Saison wegen Corona später gestartet war, kam dem Dreispringer nach dieser schwierigen Zeit sogar entgegen. „So konnte ich es entspannter angehen. Nur in der Zeit, als alles abgesagt wurde, war es seltsam ins Leere hinein zu trainieren. Auch die Saisonplanung gestaltete sich schwierig.“ Dass die Late-Season schließlich größtenteils ohne Publikum stattfand, damit konnte sich der angehende Wirtschaftsingenieur arrangieren: „Als Athlet lernst du schnell damit klarzukommen. Und bei der DM haben wir Dreispringer uns gegenseitig unterstützt.“

"Noch mehr als einmal Olympische Spiele vor mir"

Ob und wie viele Zuschauer es bei den Olympischen Spielen in Tokio nächstes Jahr geben wird, ist noch ungewiss. Dass Max Heß die internationale Norm (17,14 m) erneut überbieten und dann ins olympische Finale springen will, steht für ihn hingegen fest. „Wenn ich es schaffe, mich bei den 17 Metern zu stabilisieren, setze ich mir nach oben hin keine Grenzen. Mit 17,40 Metern wäre ich nicht unzufrieden“, formuliert er seine Ziele. Gemeinsam mit seinem langjährigen Trainer Harry Marusch geht es zuvor aber in die Vorbereitung auf eine mögliche Hallensaison – „... auch wenn es fraglich ist, ob die Hallen-WM stattfinden wird.“

Selbst für Olympia habe er Restzweifel: „100 Prozent drauf einstellen kannst du dich nicht. Wenn die Spiele stattfinden, wäre das cool. Aber nicht auf Krampf.“ Seine Leidenschaft für den Hop-Step-Jump davon abhängig macht er jedenfalls nicht. „Mit meinen 24 Jahren habe ich hoffentlich noch mehr als einmal Olympische Spiele vor mir“, sagt er mit einem Leuchten in den Augen, das verrät: Mit Max Heß ist auch in den kommenden Jahren fest zu rechnen.

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