Die Zwillingsbrüder Aurelio und Matteo Maulana haben im Jahr 2020 auf sich aufmerksam gemacht – in Disziplinen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Während Matteo einen sächsischen U20-Rekord mit dem Diskus erzielte, legte sein Bruder Aurelio in Wetzlar eine deutsche U20-Jahresbestleistung über 400 Meter hin. Jetzt träumen die Brüder von gemeinsamen Starts auf internationaler Ebene.
Geschwisterpaare in der Leichtathletik – nichts Ungewöhnliches. Deutschland vertraten in den vergangenen Jahren unter anderem die Hochspringer Eike und Imke Onnen und die Diskus-Olympiasieger Robert und Christoph Harting. International überzeugten der ehemalige Stabhochsprung-Weltrekordler Renaud Lavillenie und sein Bruder Valentin (Frankreich) oder die drei Ingebrigtsen-Brüder aus Norwegen über Mittel- und Langstreckendisziplinen. Auch Zwillinge finden sich in den Ergebnislisten, wie die Berliner Marathonis Deborah und Rabea Schöneborn und nicht zuletzt die Zwillinge Kevin und Jonathan Borlée, 400-Meter-Sprinter aus Belgien.
Von internationalen Erfolgen träumen auch Aurelio und Matteo Maulana (LAC Erdgas Chemnitz). Zwillinge sind die beiden ebenfalls. Doch eines unterscheidet sie von den meisten anderen Geschwisterpaaren der Leichtathletik: Die beiden Chemnitzer, die am 16. Dezember ihren 18. Geburtstag feierten, haben sich auf vollkommen verschiedene Disziplinen spezialisiert. Matteo hat als Diskuswerfer erste Erfolge bei internationalen Nachwuchsmeisterschaften gefeiert, Aurelio vor allem im vergangenen Sommer über die Stadionrunde überzeugt.
Vom Fußball zur Leichtathletik
Ihre ersten Schritte im Sport machten Aurelio und Matteo Maulana im Vor- und Grundschulalter zunächst im Fußball. „Das hat uns aber nicht gefallen“, erklären die Brüder übereinstimmend. Schnell verloren sie die Lust an diesem Sport: „Unsere Eltern haben dann gefragt, ob wir Leichtathletik ausprobieren wollen.“ Den Weg ebnete den Zwillingen schließlich ihre Mutter, die in ihrer Jugend, damals noch in der DDR, hobbymäßig Leichtathletik betrieben hatte sowie die ältere Schwester, die diesen Sport ebenfalls ausübte.
So begannen Matteo und Aurelio mit Leichtathletik – anfangs waren beide in mehreren Disziplinen aktiv. Gemeinsam feierten sie im Herbst 2018 mit ihrer Schule, dem Sportgymnasium Chemnitz, einen Sieg bei „Jugend trainiert für Olympia“. Beide bewiesen dabei ihr vielfältiges Talent: Aurelio war über die 800-Meter-Strecke am Start, Matteo im Kugelstoßen und mit dem Speer – und beide liefen zudem in der 4x100-Meter-Staffel mit.
Unterschiedliche Präferenzen schon früh erkennbar
Dass die Brüder sportlich verschiedene Wege einschlagen würden, zeichnete sich jedoch bereits früh ab. „Das war eigentlich schon in der Kindheit klar“, erzählt Aurelio Maulana. „Matteo war schon immer fixiert auf Wurf. Ich habe lange Zeit viele Disziplinen gemacht, mich mit meiner Sprintstärke, aber auch Ausdauer dann jedoch auf die 400 Meter festgelegt.“ Sein Bruder bestätigt das: „Spätestens nach der U14 hat es sich rauskristallisiert. Ich war schon immer etwas größer und hatte mehr Kraft.“ Eine Spezialisierung aufs Werfen lag also nahe.
Als Teilnehmer der U18-EM in Györ (Ungarn) durfte der Diskuswerfer bereits 2018 erste internationale Erfahrungen sammeln, seinen bisher größten Erfolg verzeichnete er ein Jahr später beim Europäischen Olympischen Jugendfestival (EYOF) in Baku (Aserbaidschan), wo er die Bronzemedaille erringen konnte. Auch für Aurelio, der bislang vor allem national überzeugte, ein großer Ansporn: „Ich habe gesehen, wie toll das (Matteos Erfolge, Anm. d. Red.) war. Unser Ziel ist jetzt natürlich, gemeinsam zu internationalen Wettkämpfen zu fahren.“
Im kommenden Jahr haben die Brüder eine Teilnahme an den U20-Europameisterschaften in Tallinn (Estland) angepeilt. Auch die ursprünglich für 2020 geplanten, aufgrund des Coronavirus jedoch auf 2021 verschobenen U20-Weltmeisterschaften haben beide fest im Blick: „Es gibt nichts Besseres, als an einer WM teilzunehmen.“
Erfolgreicher Sommer – trotz der Einschränkungen
Für die Nachwuchsathleten war 2020 trotz der Einschränkungen durch das Coronavirus und zahlreicher abgesagter Wettkämpfe ein erfolgreiches Jahr. Diskuswerfer Matteo schleuderte die 1,75-Kilo-Scheibe im Juli auf 62,71 Meter und stellte damit einen neuen sächsischen U20-Landesrekord auf. Die bis dahin gültige Bestmarke von Maximilian Klaus aus dem Jahr 2014 übertraf er um eineinhalb Meter. Und nachdem er bereits im Februar in Neubrandenburg den deutschen U20-Meistertitel im Winterwurf errungen hatte, krönte sich der Schüler im September auch bei den Deutschen U20-Meisterschaften in Heilbronn zum Sieger im Diskuswurf.
Ebenso gut lief es für Aurelio: Bereits in seinem ersten Saisonrennen beim „fast arms, fast legs“-Meeting im hessischen Wetzlar pulverisierte der Langsprinter seine Bestleistung – von 48,75 Sekunden steigerte sich der Chemnitzer auf 47,16 Sekunden. Eine Leistung, die er im Vorlauf der Deutschen Meisterschaften in Braunschweig nochmals bestätigte: Mit 47,57 Sekunden lief der damals erst 17-Jährige die zweitschnellste Zeit seiner Karriere. Ein toller Erfolg, auch wenn es nicht zum Finaleinzug reichen sollte. Zum Saisonabschluss wurde Aurelio Maulana schließlich Deutscher U20-Vizemeister über 400 Meter in Heilbronn.
Aktuell befinden sich beide Athleten im Aufbautraining für den nächsten Sommer. Das Corona-Virus soll ihre Vorbereitung nicht stoppen. „Wir sind genauso motiviert wie immer“, sagt Aurelio. „Wir wissen beide, was wir draufhaben, und sind optimistisch, dass in der Sommersaison wieder Wettkämpfe stattfinden können, wie zum Beispiel die U20-EM und -WM.“ Matteo betont: „Wir sind dankbar für die Möglichkeit, in der Halle in Chemnitz zu trainieren. Als Kaderathleten ist für uns einigermaßen normales Training möglich. Wir lassen uns nicht unterkriegen!“
Gesunde Konkurrenz als Ansporn
Gemeinsam mit ihren Trainern haben die Zwillinge ihre Trainingspläne überarbeitet und fiebern nun dem kommenden Sommer hingegen. Aurelios Training leitet seit 2017 Lars Milde, der früher den aktuellen Deutschen Meister Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz) betreute. Matteos Trainer ist Steve Schneider, ein Hammerwurftrainer, der sich seit einigen Jahren auch in die Betreuung von Diskuswerfern einarbeitet. „Mein Trainer leistet tolle Arbeit“, lobt der 18-Jährige.
Trotz der so verschiedenen Disziplinen können Aurelio und Matteo Maulana voneinander „sicherlich profitieren“, wie Matteo Maulana sagt. „Erfolge von Aurelio, wie das super Rennen in Wetzlar, spornen auch mich an“, sagt Matteo, „dann will ich auch eine tolle Leistung zeigen.“ Sein Bruder ergänzt: „Wir stehen in einer Art gesundem Konkurrenzkampf. Ich denke, jedes Geschwisterpaar will sich gegenseitig übertrumpfen. Gleichzeitig können wir uns aber auch aneinander orientieren und voneinander lernen.“
Wie alle Sportler träumen auch Matteo und Aurelio Maulana von einer Teilnahme an den Olympischen Spielen. Mit gerade 18 Jahren bleibt den Athleten, die beide in der Disziplinanalyse des DLV zum „Talent des Jahres“ in ihrer jeweiligen Disziplin gekürt wurden, dafür noch viel Zeit. Ein konkretes Ziel haben sie dennoch ins Auge gefasst: „2028 in Los Angeles wollen wir gerne dabei sein.“