DOSB-Präsident Thomas Weikert schwörte die Mitgliederversammlung am Samstag auf eine Olympia-Bewerbung ein und scheute Kritik am Bund nicht. Ministerin Nancy Faeser ließ nach ihrer Rede in Frankfurt viele enttäuscht zurück.
Am Ende eines langen Tages konnte Thomas Weikert noch einen weiteren Treffer landen - an der Torwand des „Sportstudios“ im ZDF. Die Einladung des Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds hatte gewichtige Gründe. Im nahen Frankfurt hatte die DOSB-Mitgliederversammlung mit Grundsatzbeschlüssen für eine Olympia-Bewerbung und die Reform des Spitzensports für Aufbruchstimmung gesorgt. Auch kritische Worte in Richtung Berliner Politik wurden nicht gescheut, zumal Bundesinnenministerin Nancy Faeser viele offene Fragen hinterließ.
Mit einer leidenschaftlichen Ruck-Rede warb der 62-jährige Weikert für die Zukunftsprojekte und forderte generell mehr Wertschätzung für den Sport. „Wir wollen Spitzenerfolge? Also müssen wir Spitzen-Bedingungen schaffen. Dazu gehört mehr Geld, dazu gehört mehr Verlässlichkeit“, sagte der Rechtsanwalt aus Limburg. Man erwarte vom Bund, bei der Umsetzung von Olympia-Bewerbung und Reform ein verlässlicher Partner zu sein, der Zusagen einhalte. Aktuell sind beide Vorhaben auch von der Haushaltssperre betroffen.
Ministerin Faeser hörte diese Kritik nicht selbst mit, weil sie wegen des Winterwetters erst nach der Weikert-Ansprache eintraf. „Der Bund will eine starke und glaubwürdige Bewerbung und wir werden den DOSB dabei unterstützen“, sagte die SPD-Politikerin. Den eingeschlagenen Weg wolle man mit dem Dachverband, den beteiligten Ländern und den Städten Berlin, Hamburg, Leipzig, München und die Rhein-Ruhr-Region weitergehen. Der Bund wolle „einer deutschen Bewerbung Gestalt geben“ und die Kraft von Olympischen und Paralympischen Spielen für Land und Sport nutzen.
Absichtserklärung noch nicht unterschrieben, Mehrheit für Olympia in Deutschland
Dass der Bund nicht längst die offizielle Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) wie die vier Städte und eine Region unterzeichnet hat, wurde heftig kritisiert. „Der Bund sollte vorangehen und die Fahne in die Hand nehmen“, mahnte Christoph Niessen, Vorstandsvorsitzender des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen.
Ungeachtet von diesem Zwist machte Weikert klar: Der DOSB will Speerspitze sein. „Wir gehen Olympia und Paralympics in Deutschland an. Wir kneifen nicht“, unterstrich er. Mit der Zustimmung zur „Frankfurter Erklärung“ bekam der DOSB das Mandat, ein Olympia-Konzept zu entwickeln. Auf dieser Basis sollen im Sommer die geeigneten Städte ausgewählt und im Dezember 2024 die Kandidatur für die Sommerspiele 2036 oder 2040 beschlossen werden.
Rückenwind gab eine neue Umfrage, nach der eine Mehrheit der Bundesbürger für eine Bewerbung ist. 58 Prozent der Befragten einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sind grundsätzlich für einen weiteren Anlauf.
Sportagentur muss mit gekürzten Mitteln arbeiten
Große Hoffnung setzt die Bundesregierung auch auf die Reform zur Steuerung und Förderung des Spitzensports. „Wir wollen den deutschen Sport international wieder an die Spitze bringen. Wir wollen wieder mehr Medaillen nach Deutschland holen“, erklärte Faeser.
Dass für den Ausbau der Sportagentur, dem Kernstück der Reform, für 2024 nur 200.000 statt 600.000 Euro bewilligt worden sind und es ein Ringen um die Einflussmöglichkeiten in den Agentur-Gremien gibt, ließ sie dabei unerwähnt.
Bei einem anderen Thema kam dagegen der DOSB unter Rechtfertigungsdruck. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war er für einen strikten Ausschluss des Landes von Wettkämpfen im Weltsport - inklusive Olympischer Spiele. Nun ist der DOSB umgeschwenkt und plädiert für einen Start in Paris von Russen und Belarussen in Paris.
Russland und Belarus sollen unter neutraler Flagge starten
Ist das der geplanten Olympia-Bewerbung geschuldet? „Nein, das ist es nicht“, widersprach der DOSB-Vorstandsvorsitzende Torsten Burmester. Man habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich Mehrheiten ändern und wolle sich nicht „in den Isolationismus“ begeben.
„Wenn sich Deutschland als einziges Land dagegen sperren würde, dass Russen und Belarussen unter neutraler Flagge antreten, gäbe es keine internationalen Sportereignisse in unserem Land“, betonte Weikert mit Bezug auf eine Warnung des Internationalen Olympischen Komitees und forderte deshalb: „Setzt euch nicht über unsere Belange hinweg, akzeptiert die Autonomie des Sports.“
Innenministerin Faeser hatte einst angekündigt, Russlands Sportlern keine Visa auszustellen. Ob dies immer noch so gilt? „Für mich stehen die ukrainischen Athleten und Athletinnen im Vordergrund und es muss immer gewährleistet sein, dass sie den vollen Schutz genießen“, lautete ihre vage Antwort.
Quelle: Deutsche Presse-Agentur (DPA)