Vor genau einem Jahr eine Knie-Operation. Und jetzt der beste Wettkampf ihrer Karriere: Dreispringerin Ruth Hildebrand hat am Wochenende bei den Deutschen U16-/U23-Meisterschaften in Ulm eine schwierige Phase mit Verletzungen und Trainerwechseln hinter sich gelassen und gezeigt, dass pünktlich zur U23-EM in Bergen wieder mit ihr zu rechnen ist.
Ruth Hildebrand hat die Lust am Fliegen wiederentdeckt. Auf 13,75 Meter segelte die Dreispringerin vom SCL Heel Baden-Baden am Samstag im fünften Durchgang der Deutschen U23-Meisterschaft in Ulm und holte damit überlegen den Titel vor der bis dahin führenden Anna Gräfin Keyserlingk (LG Göttingen; 13,33 m). „Ich hab gemerkt, dass es weit war“, erzählte die 20-Jährige hinterher strahlend. „Ich hab noch mehr drauf“, fügte sie aber gleich hinzu und analysierte selbstkritisch, dass der Satz, mit dem sie ihre eigene persönliche Bestleistung um 35 Zentimeter pulversierte, „technisch nicht gut“ gewesen sei.
Dabei war es länger unklar, ob sie, die schon bei ihrem alten Verein MTG Mannheim als großes Talent galt und Erfolge feiern konnte, überhaupt wieder so weit würde springen können. Den bisherigen Tiefpunkt ihrer sportlichen Karriere erlebte die frischgebackene Deutsche U23-Meisterin im vergangenen Sommer. „30. Juni“, kommt das schicksalhafte Datum wie aus der Pistole geschossen, beim Weitsprung-Wettbewerb der Deutschen Meisterschaften in Braunschweig riss das Außenband am rechten Knie. „Danach wurde ich aus der Sandgrube getragen und elf Tage später operiert“, kann sie heute relativ distanziert zurückblicken.
Ein Muskelfaserriss im linken Beuger machte im Januar dieses Jahres alle Hoffnungen zunichte, bereits in der Halle an alte Stärke anknüpfen zu können. Die nächste längere Zwangspause folgte. „Ende Mai habe ich zum ersten Mal wieder in Spikes trainiert“, blickt sie auf das endgültige Ende ihrer langen Leidensphase zurück. Beim ersten Wettkampf nach fast einem Jahr knackte sie am 21. Juni in Belgien mit 13,33 Metern auf Anhieb die U23-EM-Norm, die bisherige Krönung ihrer Leichtathletikkarriere folgte am vergangenen Samstag unter dem Ulmer Münster.
Dank an Ärzte, neuen Trainer – und Gott
Ruth Hildebrands großer Dank geht nicht nur an alle Ärzte, sondern auch an Charles Friedek, seit Ende April ihr neuer Trainer. „Er hat alles für mich gegeben“, lobt sie den früheren Weltmeister in höchsten Tönen. „Ich bin sehr gläubig“, sagt sie außerdem, „ohne Gott hätte ich es nicht hinbekommen.“ Eine nicht nur zufällige Parallele zu Kugelstoß-Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye, frühere Vereinskameradin, mit der sie noch immer in regem Austausch steht. „Sie hat viel beigetragen“, verrät die Deutsche U23-Meisterin, die bis 2024 auch beachtliche 6,42 Meter weit gesprungen ist, jetzt aber ihren vollen Fokus auf den Dreisprung legt.
„Es macht Spaß und funktioniert“, meint sie mit etwas Understatement. Und das soll es natürlich auch bei den U23-Europameisterschaften vom 17. bis 20. Juli im norwegischen Bergen. Klar, dass bei ihren dreispringerischen Zukunftsträumen spätestens seit dem 5. Juli auch die 14 Meter eine größere Rolle spielen. Zu diesen fehlen nach dem persönlichen Rekordsatz von Ulm nur noch 25 Zentimeter. „Vielleicht im nächsten Jahr“, denkt sie laut nach, will sich aber keinesfalls selbst unter Druck setzen. „Mal sehen, wohin ich fliegen kann“, blickt Ruth Hildebrand nach wiedergewonnener Dreisprung-Feude einfach nur optimistisch nach vorne.