Im Fana Stadion von Bergen (Norwegen) finden vom 17. bis zum 20. Juli die U23-Europameisterschaften statt. Am Freitag stehen 13 Vorrunden auf dem Programm, alle mit deutscher Beteiligung. Hier lesen Sie von Disziplin zu Disziplin, wie sich die DLV-Athlet:innen in Bergen präsentiert haben.
Weibliche U23
200 Meter Vorläufe
Holly Okuku kämpft im Gegenwind
Der 200-Meter-Vorlauf von Holly Okuku (GSV Eintracht Baunatal) begann mit einem Fehlstart – und mit der Disqualifikation der Slowenin Lucija Potnik. „Ich habe versucht, mich davon nicht irritieren zu lassen, das habe ich eigentlich auch geschafft – aber dann habe ich den Start etwas verschlafen“, erklärte Holly Okuku. Dementsprechend war schon in der Kurve Aufholarbeit angesagt, und auf der Zielgeraden war bei 2,3 Metern pro Sekunde Gegenwind Kampfgeist gefragt.
Zittern musste die Deutsche U23-Meisterin nicht, im Dreierpack mit Magdalena Niemczyk (Polen; 23,48 sec) und Kissiwaa Mensah (Großbritannien; 23,51 sec) war Holly Okuku als Zweite (23,50 sec) dem Rest des Feldes deutlich voraus und damit das große Q fürs Halbfinale sicher. "Aber ich musste doch ein bisschen mehr kämpfen als erhofft. Die Kraft, die ich eigentlich auf den letzten 50 Metern gebraucht hätte, musste ich schon am Anfang investieren." Bis Samstagvormittag hat sie jetzt Zeit, sich zu erholen und für die nächste Runde Kraft zu tanken.
400 Meter Halbfinale
Anouk Krause-Jentsch nimmt Bestzeit mit nach Hause
Anouk Krause-Jentsch (SCC Berlin) hat sich im Halbfinale teuer verkauft. Nachdem sie im Vorlauf in 53,45 Sekunden die zweitbeste Zeit ihrer Karriere erzielt hatte, packte sie in der nächsten Runde noch einmal eine Schippe drauf. Die 20-Jährige, die eigentlich auf den 400 Meter Hürden zuhause ist, konnte in Bergen ihre erste Zeit unter 53 Sekunden feiern: In 52,98 Sekunden wurde sie in ihrem Halbfinale Fünfte. Zum Finaleinzug über die Zeit fehlten schließlich nur etwa vier Zehntel.
Eine Tatsache, die sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten kann: Jetzt ist ein Tag mehr Zeit, um wieder Kraft zu tanken für einen möglichen Staffel-Einsatz am Sonntag, für den die Berlinerin in ihrer aktuellen Form eine wichtige Stütze ist. Im Einzel hat sie in zwei Jahren noch einmal die Chance darauf, die vorderen Plätze anzugreifen – dann aber vermutlich wieder auf der Stadionrunde mit Hürden.
1.500 Meter Vorläufe
Jolanda Kallabis kontrolliert
Von St. Moritz nach Bergen und von winterlichen Bedingungen in der Schweiz in den Hochsommer von Norwegen: Jolanda Kallabis (FT Freiburg 1844) hatte sich zur Vorbereitung auf die U23-EM für ein Höhentrainingslager entschieden. Dass die Formausprägung stimmt, stellte sie im Vorlauf unter Beweis: In 4:15,77 Minuten musste sie als Dritte ihres Rennens für das groß Q noch längst nicht alle Karten aufdecken, schon vor dem Einbiegen auf die Zielgerade war ihr Einzug ins Finale nur noch Formsache.
„Ich habe mich zu jedem Zeitpunkt des Rennens so gefühlt, dass ich gut auf jeden Move reagieren kann. Das große Q war mein Ziel, und möglichst wenig Gerangel – das zweite hat nicht so ganz geklappt“, blickte sie anschließend zurück. „Wir sind hier sechs Mädels, die zwischen 4:07 und 4:08 Minuten laufen können, das wird im Finale ganz schön spannend! Ich möchte ein gutes Rennen zeigen, dann ist theoretisch alles möglich. Man muss sich nur clever genug anstellen.“
100 Meter Hürden Halbfinale
DLV-Duo steht im Finale
Das war harte Arbeit! Denn in Europas Spitze der U23 geht es eng zu. Und in drei Halbfinals wurden nur für die Top Zwei und weitere zwei Zeitschnellste die Finaltickets vergeben. Rosina Schneider (TV Sulz; 13,23 sec) musste dafür in ihrem Rennen ein weiteres Mal Aufholarbeit leisten – bemerkenswert ihre letzten drei Hürdenüberquerungen, in denen sie sich auf Platz nach zwei vorne schob. Freudentränen flossen bei Amira Never (LAC Erdgas Chemnitz; 13,25 sec), die sich im Fotofinish ebenfalls Platz zwei erkämpfte und damit bei ihrer internationalen Premiere im Endlauf steht.
Enttäuscht war dagegen Hawa Jalloh (Wiesbadener LV; 13,30 sec), die in ihrem Rennen als Dritte eingekommen war. Schon da stand fest, dass die Zeit nicht für die Runde der Top Acht reichte. „Ich bin so krass in die Saison eingestiegen, gleich mit Bestzeit, das Ziel war klar die U23-EM, und ich wusste, da geht auf jeden Fall was. Hintenraus bin ich aber heute nicht so sauber gelaufen, der Lauf war nicht rund. Ich hatte mir das Finale eigentlich zugetraut. Als nächstes starte ich bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden, dann muss ich jetzt eben da Gas geben“, sagte sie.
400 Meter Hürden Halbfinale
Zwei Bestzeiten und drei Final-Tickets
Am meisten jubelte nach den Halbfinals Vanessa Baldé: Die Athletin vom Hamburger SV konnte es kaum glauben, als für sie erstmals in ihrer Karriere die 55 vor dem Komma auf der Anzeigetafel aufleuchtete. An den Fersen der starken Britin Emily Newnham (55,13 sec) bog sie auf die Zielgerade ein, in 55,96 Sekunden war auf Platz zwei das U23-EM-Finale perfekt. „Ich war vorher sehr nervös, denn wir wollten heute mal was Neues ausprobieren“, gestand sie. „Dann habe ich mir gedacht: Egal, vertraue auf das, was du kannst, wir versuchen es einfach. Dann habe ich die Engländerin gesehen und bin einfach an ihr drangeblieben. Ich bin so dankbar, ich kann’s kaum glauben!“
Am Rande der Bahn brüllte sie sich anschließend die Seele aus dem Leib für Vivienne Morgenstern (Dresdner SC 1898), die im nächsten Rennen ebenfalls als Zweitplatzierte in 56,22 Sekunden das Finalticket perfekt machte. Auch Yasmin Amadaacho (Frankfurt Athletics) lag in ihrem Rennen lange aussichtsreich, dann aber schwanden auf der Zielgeraden die Kräfte und drei Konkurrentinnen zogen davon. Das Kämpfen um jeden Meter und jede Hundertstel sollte sich jedoch lohnen: In 56,27 Sekunden gab’s für sie noch eine Bestzeit und über die Zeit den letzten Platz im Finale.
3.000 Meter Hindernis Vorläufe
Zwei weiter, eine raus
Der erste Vorlauf über 3.000 Meter Hindernis brachte zwei deutsche Top-Fünf-Platzierungen – und damit zweimal das große Q für den Einzug ins Finale. Adia Budde (LAV Stadtwerke Tübingen; 9:57,82 min) und Hanna Ackermann (LG Telis Finanz Regensburg; 9:57,94 min) versuchten, in der unerwarteten Hitze von Bergen mit einem kontrollierten Rennen Körner zu sparen, auf der Zielgeraden konnten sie ihre Finalposition mit einem Antritt absichern.
„Das war ganz gut, ein taktisches Rennen, aber ich habe doch ein bisschen zu viel Energie verschwendet“, stellte Europas Nummer drei des Jahres Adia Budde anschließend fest. „Jetzt heißt es, sich gut zu erholen für morgen, aber das wird schon gehen.“ – „Ich habe versucht, keine Führungsarbeit zu leisten, und habe mich hinter der Britin gehalten“, erklärte Hanna Ackermann. „Ein Vorlauf an dem einen Vormittag, das Finale direkt am nächsten Abend, das habe ich so noch nicht gemacht. Man hat die Hitze gemerkt, aber ich mag das!“
Im zweiten Vorlauf kämpfte Carolin Hinrichs (VfL Löningen) gegen die Hitze und um den Finaleinzug – allerdings vergeblich. Lange hielt sie sich in der Spitzengruppe auf und damit aussichtsreich auf eine Top-Fünf-Platzierung, auf den letzten zwei Runden musste sie dann aber abreißen lassen, und da sie auch das etwas langsamere Rennen erwischt hatte, reichten Platz acht und 10:11,55 Minuten nicht für das Weiterkommen als eine von fünf Zeitschnellsten.
Stabhochsprung-Qualifikation
Chiara Sistermann springt sich fürs Finale warm
Die einzige deutsche Teilnehmerin im Stabhochsprung Chiara Sistermann (TSV Gräfelfing) hat ihre Aufgabe am frühen Morgen gut gelöst: Nur zwei Höhen musste sie überwinden, beide gelangen ihr im zweiten Versuch, dann war der Platz im Finale der besten Zwölf perfekt. Notwendig war dafür eine Höhe von 4,15 Metern – keine Selbstverständlichkeit, wie man am Ausscheiden der Jahresbesten Gemma Tutton (Großbritannien; PB 4,45 m) beobachten konnte, die an dieser Marke dreimal scheiterte.
„Das Einspringen war nicht gut, da hatte ich Probleme, bin nicht auf die Stäbe gekommen und der Anlauf war nicht gut – aber das ist bei mir oft so. Im Wettkampf kommt dann das Adrenalin dazu, da muss dann man einfach darauf vertrauen, dass es gut wird. Bei der Quali geht’s nur ums Durchkommen, egal wie. Am Ende wurde es bei mir besser“, blickte Chiara Sistermann auf ihren Auftritt im Fana Stadion. „Die Bedingungen waren top, es war so gut wie gar kein Wind und die Temperaturen waren angenehm. Dass das Finale auch am Vormittag stattfindet, liegt mir eigentlich nicht so, ich bin kein Morgenmensch, ich springe am Nachmittag besser, aber da hat man keine Wahl.“
Männliche U23
200 Meter Vorläufe
Zitterpartie für Justin Rennert nicht von Erfolg gekrönt
21,45 Sekunden bei 0,8 Metern pro Sekunde Gegenwind – Platz vier und damit das Aus im Vorlauf: So die nackten Zahlen zum Auftritt von Justin Rennert (SC Berlin). Der 20-Jährige war enttäuscht über die Zeit, und doch erleichtert, denn dass er überhaupt auf der Bahn stehen konnte, war noch wenige Stunden zuvor nicht absehbar gewesen: „Ich habe seit zwei Wochen mit Hüftproblemen zu kämpfen“, berichtete er, „ich konnte seit der U23-DM nicht einmal normal trainieren.“
Intensive Behandlungen des medizinischen Teams des DLV machten dann aber doch den Start möglich – und das schmerzfrei. So ist der Blick des Berliners, der 2024 seine internationale Premiere bei der U20-WM gefeiert hatte, schon wieder nach vorne gerichtet: „Ich würde gerne bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden starten und da die Kadernorm abhaken“, erklärte er. Dazu muss es noch einmal bei regulärem Wind unter 21 Sekunden gehen, denn seine 20,55 Sekunden bei der U23-DM waren leider von 2,1 Metern pro Sekunde Rückenwind begleitet.
400 Meter Halbfinale
Florian Kroll überrascht mit dem Finaleinzug
Ohne Orientierung zur Konkurrenz auf Bahn acht mussten am Freitag die beiden deutschen 400-Meter-Sprinter in das Halbfinale starten. Dass die Kurven-Vorgabe schon nach 200 Metern weitestgehend aufgebraucht war, sollte aber nur für einen von beiden ein schlechtes Zeichen sein: Florian Kroll (LG Osnabrück) erkämpfte sich mit einem starken Finish noch Platz vier und eine neue Saison-Bestzeit. Und weil in zwei Rennen zwei Final-Plätze über die Zeitregel vergeben wurden, bescherte diese Zeit dem 19. der Meldeliste sogar noch einen Platz in den Top Acht!
Tyrel Prenz (SC Potsdam), anders als Florian Kroll mit einer Bestleistung knapp unter 46 Sekunden angereist, war dagegen im Rennen zuvor schon eingangs der Zielgeraden zu weit weg von der Spitze und erst nach 46,68 Sekunden im Ziel. Er beendete seinen Einzel-Auftritt bei der U23-EM mit Platz sechs beim Halbfinale. Gut möglich, dass er mit der Staffel am Sonntag wieder auf der Bahn steht.
800 Meter Vorläufe
Alexander Stepanov resolut ins Finale
Was in den 800-Meter-Vorläufen in der Mittagshitze abging, verblüffte wohl selbst die Experten: Gleich im ersten Vorlauf fiel in 1:44,06 Minuten der Meisterschaftsrekord, den der Italiener Francesco Pernici für sich verbuchte. Die Top Fünf blieben unter 1:45 Minuten, darunter auch der Olympia-Sechste über 1.500 Meter Niels Laros (Niederlande; 1:44,19 min), der trotz Bestzeit das große Q als Dritter verpasste und auf einen von zwei Finalplätzen für die Zeitschnellsten setzen musste.
So war der Ton gesetzt für die weiteren zwei Vorläufe, in denen die DLV-Athleten am Start waren. Auch Malik Skupin-Alfa (LG Offenburg) erwischte ein rasantes Rennen, in dem er lange vorne dabei war. Zunächst auf Rang drei positioniert, zog auf der Gegengeraden 300 Meter vor Schluss noch ein Konkurrent vorbei, als Vierter bog er auf die Zielgerade ein – bei dieser Platzierung blieb es. In 1:45,84 Minuten zeigte er zwar das viertschnellste Rennen seiner Karriere, für das Finale reichte das aber nicht. „Ich kann mir nicht so richtig viel vorwerfen, vielleicht nur, dass ich den Tschechen bei 600 Metern vorbeigelassen habe. Ich bin enttäuscht, ich wäre gerne ins Finale gelaufen, aber die anderen waren stärker.“
Nur die Athleten im dritten Vorlauf machten die Tempohatz nicht mit und setzten auf ein taktisches Rennen. Alexander Stepanov (VfL Sindelfingen), bis zum Zeitpunkt des ersten Vorlaufs Europas Nummer eins der U23 in diesem Jahr, erwischte keine ideale Position, war auf der Innenbahn eingekesselt und musste sich für den entscheidenden Antritt in der 200-Meter-Startkurve erst einmal durchaus resolut Luft verschaffen. Dann konnte er zeigen, was in ihm steckt, und auf den letzten 150 Metern an der Konkurrenz vorbei zum Vorlauf-Sieg sprinten (1:46,60 min). „Ich glaube, ich habe das noch gut gelöst, ich bin durch die Lücke und musste die Ellbogen ausfahren, aber so muss man es machen im Gerangel.“
110 Meter Hürden Halbfinale
Fingerzeig von Manuel Mordi
Einen solch runden Lauf hat Manuel Mordi (Hamburger SV) in dieser Saison noch nicht erwischt: Vom Startschuss weg hielt er mit Europas Schnellstem in der U23 Enzo Diessl (Österreich) mit, ließ auch gegen Ende des Rennens nicht locker und konnte schließlich schon beim Überqueren der Ziellinie den Zeigefinger nach oben recken. In 13,57 Sekunden – bei 1,1 Metern pro Sekunde Gegenwind – stellte er eine neue Saison-Bestzeit auf und buchte hinter Enzo Diessl (13,48 sec) auf Platz zwei das direkte Ticket ins Finale. „Morgen muss auf jeden Fall geknallt werden“, hatte er Donnerstag nach der Vorrunde verkündet. Im Halbfinale ist ihm das schon mal gelungen. Im Finale gerne noch mal!
400 Meter Hürden Halbfinale
Owe Fischer-Breiholz spart Körner
Die Rennen, die Owe Fischer-Breiholz (Königsteiner LV) bisher auf die Bahn von Bergen gebracht hat, sind mehr als eindrucksvoll. Nach dem souveränen Vorlauf setzte er sich auch im Halbfinale auf der ersten Rennhälfte deutlich von der Konkurrenz ab und konnte auf der Zielgeraden wertvolle Kräfte für das Finale sparen. Dass dabei noch immer eine Zeit von 49,30 Sekunden auf der Anzeigetafel erschien, spricht für sein starkes Niveau – erst dreimal war er in seiner Karriere schneller.
„All in“ musste Maximilian Köhler (LG Region Karlsruhe) für seine Chance auf das Finalticket gehen, mit seiner Bestzeit von 50,49 Sekunden war er als Nummer 18 der Meldeliste nach Bergen gereist. Ein beherztes Rennen reichte jedoch am Ende nicht für den Einzug in die Runde der besten Acht: Gestoppt wurden für den Karlsruher auf Platz sechs seines Rennens 50,92 Sekunden.
Hochsprung-Qualifikation
Fußprobleme bremsen Julien Pohl aus
„Ich habe mich super eingesprungen, über 2,10 Meter bin ich locker drüber geflogen. Aber dann tat was am Knöchel weh. Im Wettkampf konnte ich dann den Fuß nicht mehr für den Absprung reinstellen.“ Mit diesen Worten fasste Hochspringer Julien Pohl (Cologne Athletics) seine Erfahrungen in der Qualifikation zusammen. Die Sprünge beim Aufwärmen sollten leider seine besten bleiben, denn im Wettbewerb war nach 2,09 Metern im dritten Versuch Endstation. „Das ist unglücklich gelaufen.“