| DM 2025

"Traumjahr": Der Boom des deutschen Hürdensprints

Amira Never mit Freudentränen in den Augen, Line Schröder hält ihre Hände © Jan Papenfuß
Nach dem Rücktritt der langjährigen Leistungsträgerinnen Cindy Roleder und Pamela Dutkiewicz-Emmerich klaffte im deutschen Hürdensprint lange eine große Lücke. Diese wieder schließen wollen Favoritinnen und Herausforderinnen. So erlebte das Publikum am Samstag bei der DM in Dresden ein hochspannendes Finale. Noch knapper wurde es im Endlauf der Männer.
Svenja Sapper

DM 2025 Dresden

Was kommt heraus, wenn ein halbes Dutzend junger Hoffnungsträgerinnen zu Bestform aufläuft? Die routinierte Leistungsträgerin wird ordentlich gefordert und muss selbst über sich hinauswachsen. Das erlebt die deutsche Leichtathletik in dieser Saison. Um die drei U23-EM-Tickets stritten sich gleich sechs Athletinnen, allesamt mit Bestleistungen zwischen 12,89 und 13,11 Sekunden. Zur Einordnung: Der deutsche Meistertitel bei den Frauen ging in den Jahren 2020 bis 2023 mit Zeiten zwischen 13,15 und 13,24 Sekunden weg.

Angespornt von der jungen Konkurrenz war auch Ricarda Lobe (MTG Mannheim), die erfahrenste unter den deutschen Top-Hürdensprinterinnen, in dieser Saison schnell wie nie. Mit 12,82 Sekunden reiste sie als deutsche Jahresbeste zu den Deutschen Meisterschaften nach Dresden. Und doch gab es über diese Strecke eine ganze Reihe weiterer Favoritinnen, brachten doch gleich sechs Hürdensprinterinnen Saisonbestzeiten unterhalb der 13-Sekunden-Marke mit.

Showdown in Dresden

Im Halbfinale war es eine der hoffnungsvollen Nachwuchsathletinnen, die ein dickes Ausrufezeichen setzte: In 12,85 Sekunden qualifizierte sich Hawa Jalloh (Wiesbadener LV), 2022 Finalistin der U20-WM, in diesem Jahr U23-DM-Zweite und bis dahin mit einem Hausrekord von 12,92 Sekunden ausgestattet, als Schnellste für das Finale. Und dort war es eine weitere U23-EM-Starterin, die Ricarda Lobe ordentlich gefährlich wurde: Amira Never (LAC Erdgas Chemnitz). Die Fünfte von Bergen (Norwegen) erwischte einen glänzenden Start und lag lange in Führung. Erst ein kleiner Fehler der Chemnitzerin an der letzten Hürde verschaffte Ricarda Lobe einen Vorteil.

In 12,93 Sekunden verteidigte die Mannheimerin knapp ihren Titel – dahinter führten zwei U23-Athletinnen ein Freudentänzchen auf. Denn nicht nur Amira Never konnte ihre Bestzeit um eine Hundertstel auf 12,96 Sekunden drücken. Sondern auch Lia Flotow (1. LAV Rostock), die im Kampf um die U23-EM-Startplätze knapp das Nachsehen gehabt hatte, schraubte ihren Hausrekord um eine Hundertstel nach unten und holte mit 13,02 Sekunden Bronze.

Dicht dahinter reihten sich die beiden Leverkusenerinnen Franziska Schuster (13,02 sec) und Marlene Meier (13,10 sec) ein, die in Bestform beide schon unter 13 Sekunden gesprintet sind – Franziska Schuster zuletzt bei den World University Games, wo sie das Halbfinale erreichte, Hallen-EM-Finalistin Marlene Meier im vergangenen Jahr. Beide sind ebenfalls erst 23 Jahre alt.

Jede Menge Potenzial nährt Hoffnung für die Zukunft

Ein Versprechen für die Zukunft – das auch Hawa Jalloh und die Deutsche U23-Meisterin Rosina Schneider (TV Sulz) längst gegeben haben, wenngleich für beide das DM-Finale nicht nach Wunsch verlief. Die Wiesbadenerin wurde in 13,19 Sekunden Sechste, dahinter kam Rosina Schneider in 13,34 Sekunden ins Ziel. Nach einer langen Saison konnte sie nicht mehr an ihre Bestzeit von 12,89 Sekunden anknüpfen – hat aber schon vor zwei Jahren als U20-Europameisterin bewiesen, welch großes Potenzial in ihr steckt. Eine Konkurrenzsituation, von der alle profitieren.

„Es ist schön, dass die nationale Konkurrenz jetzt so nachgekommen ist. So viele junge Athletinnen, die angreifen können, das hat man heute gesehen“, zollte Ricarda Lobe ihren Herausforderinnen Respekt. Für Amira Never krönte DM-Silber eine absolute „Traumsaison“: „Was die letzten Wochen passiert ist, bei der U23-EM und heute, ist für mich unglaublich. Wenn mir jemand vor zwei Monaten gesagt hätte, dass ich unter 13 Sekunden laufe und Zweite bei den Deutschen Meisterschaften werde, ich hätte es nicht für möglich gehalten.“

Für Lia Flotow war die Medaille nach der verpassten U23-EM ein Trost. „Der Lauf hat sich richtig, richtig gut angefühlt“, bilanzierte sie. „Es war ja wirklich super knapp und jede von uns hätte das machen können. Aber ich konnte es eben auch machen und ich habe heute gezeigt, was ich kann.“

Herausforderung: Anschluss an die Weltelite

Das Einzige, was den deutschen Hürdensprinterinnen noch fehlt: Der Ausreißer in Richtung der WM-Direktnorm von 12,73 Sekunden. Um den Anschluss an die absolute Spitze herzustellen, ist weiter harte Arbeit nötig. Denn immerhin bringen mittlerweile auch einige Europäerinnen Zeiten unterhalb von 12,50 Sekunden auf die Bahn – sicher ein Ansporn für die deutschen Hoffnungsträgerinnen. 

Gleiches gilt auch für die männlichen Disziplinkollegen. Denn immerhin lieferten sich auch Gregory Minoué (TV Kalkum-Wittlaer) und Manuel Mordi (Hamburger SV) in Dresden ein hochspannendes Finale – und das nicht zum ersten Mal. Doch zum ersten Mal war es Gregory Minoué, der sich in 13,48 Sekunden vor seinem zeitgleichen Kontrahenten durchsetzte. Zuvor hatte der spätere Deutsche Meister im Vorlauf die WM-Bestätigungsnorm mit 13,46 Sekunden knapp unterboten, zu der Manuel Mordi noch eine Hundertstel fehlt. Beide sind auch erst 23 (Minoué) und 22 (Mordi) Jahre alt. So bleibt festzuhalten: Die deutschen Hürden-Asse machen zurzeit richtig Spaß – und bei so viel Talent darf man auf die kommenden Jahre gespannt sein! 

DM 2025 Dresden

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