Zwei ihrer Würfe landeten jenseits der 70 Meter, in insgesamt 50 Wettkämpfen flog ihr Speer weiter als 65 Meter. Mit einem WM-Titel, Silber und Bronze bei Olympia und jeweils zweimal Silber bei WM und EM liest sich auch die internationale Bilanz von Christina Obergföll (LG Offenburg) beeindruckend. Am Samstag setzte die 35-Jährige beim ISTAF in Berlin mit einem emotionalen Sieg den perfekten Schlusspunkt ihrer Karriere und blickte danach zurück.
Christina Obergföll. Der lange geplante Moment ist gekommen. Ihre Karriere ist vorbei. Wie fühlt sich das an?
Christina Obergföll:
Dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt, habe ich noch nicht realisiert. Ich habe einen Wettkampf gemacht, gebe Interviews und alles läuft noch so ab, wie in den vergangenen 15 Jahren. Alles muss erst einmal sacken. An meinem letzten Wettkampftag habe ich allerdings schon ab dem Morgen Nachrichten bekommen, von Athletinnen wie Verena Sailer oder Ariane Friedrich. Alle haben mir geschrieben: Genieß' es nochmal. Da kam schon hoch, dass jetzt wirklich Schluss sein wird.
Im Wettkampf haben Sie sich mit einem Sieg verabschiedet. Wie war es noch einmal im Olympiastadion vor großer Kulisse?
Christina Obergföll:
Unglaublich, unbeschreiblich. Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, dass ich die Nummer gewinne, hätte ich schmunzeln müssen. Das hätte ich mir nicht träumen lassen. Ich bin unheimlich dankbar für diesen Tag. Nach dem fünften Versuch wusste ich, dass ich höchstwahrscheinlich gewinne. Zu meinem letzten Wurf haben sich die Mädels am Anlauf positioniert. Alle im Stadion sind aufgestanden. Ich musste mit den Tränen kämpfen. Es ist ein Happy-End, dass ich mit so einem Ergebnis und so einer Stimmung Goodbye sagen konnte.
Keine Wehmut? Keine Gedanken ans Weitermachen, wenn der Speer noch so weit fliegt?
Christina Obergföll:
Ich hätte das Happy-End auch in Rio genommen. Aber es tut mir nicht weh. Die 64,28 Meter hätten in Rio auch nicht zu einer Medaille gereicht. Ich bin super glücklich, dass ich meine Karriere in Berlin mit einem Sieg beenden konnte. Als ich beim ISTAF gespürt habe, wie leicht es sein kann, 64 Meter zu werfen, habe ich allerdings einen kleinen Moment übers Weitermachen nachgedacht. Aber meine Eltern und mein Mann würden mir was erzählen. Wir haben einen Sohn, wir haben eine Familie. Und ich bin 35 Jahre alt. Das war's.
Welche Momente Ihrer Karriere bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?
Christina Obergföll:
Mit Abstand am emotionalsten war es bei der WM 2013. Endlich Gold erringen zu dürfen, war der schönste Moment meiner Karriere. Ich hatte schon nicht mehr dran geglaubt und gedacht, dass ich die ewige Zweite bleiben werde. Es war eine Erlösung. Auch Olympia-Silber in London war super. Am meisten Spaß hat es natürlich immer gemacht, wenn der Speer weit geflogen ist. Aber auch bei Negativ-Erlebnissen denke ich im Nachhinein, dass sie dazugehört und mich stärker gemacht haben. Das waren vor allem der fünfte Platz bei der Heim-WM 2009 und der vierte Platz bei der WM 2011 in Daegu. Das war der Tiefpunkt und ich wollte alles hinschmeißen. Unterm Strich war es eine sensationelle Zeit, mit Boris und Werner Daniels hatte ich zwei super Trainer an meiner Seite. Ich bin dankbar.
Wie sehen Sie die Zukunft des Speerwurfes im DLV?
Christina Obergföll:
Linda Stahl hört auf, ich höre auf. Das ist schade. Ich hoffe, dass Christin Hussong in den nächsten Jahren so weit ist, bei internationalen Meisterschaften stabil zu zeigen, was sie drauf hat. Bei Katharina Molitor hoffe ich, dass sie weiter macht. Es würde mich freuen, wenn sie als Weltmeisterin noch bis 2018 weitermacht und nicht jetzt aufhört, weil das Jahr so gelaufen ist. Bei den Männern ist es der absolute Hammer, was im Moment passiert. Es freut mich natürlich auch für Boris, dass es ihm als Bundestrainer gelungen ist, etwas aufzubauen. Ich freue mich, dass ich in Zukunft nicht mehr unter Druck stehen werde und die Jungs und Mädels anfeuern kann.
Wann werden Sie wieder einen Speer in die Hand nehmen?
Christina Obergföll:
Erst einmal habe ich keine Sehnsucht nach dem Speer. Scherzhaft habe ich in den vergangenen Jahren gesagt, dass ich noch einmal einen Siebenkampf machen würde. Nach einer langen Saison habe ich das in all den Jahren nie geschafft. Vielleicht bereite ich mich noch einmal darauf vor, möglicherweise im Rahmen einer Badischen Meisterschaft. Das ist aber alles sekundär im Moment. Jetzt ist die Familie dran, die berufliche Karriere. Sport machen werde ich, aber Speerwurf wie in der Vergangenheit brauche ich nicht mehr.
Sie könnten das Speerwerfen auch vormachen...
Christina Obergföll:
Sicherlich, klar. Das wird sich anbieten. Ich kann mir auch vorstellen, den Kids im Verein zu Hause zur Verfügung zu stehen. Auf jeden Fall.
Haben Sie schon Pläne für Ihre berufliche und private Zukunft?
Christina Obergföll:
Ich bin seit drei Jahren bei der Barmer GEK angestellt. Dort werden Gespräche stattfinden, in welche Richtung es gehen soll. Ich habe mit meinem Studienabschluss, einem Master in Prävention und Gesundheitsmanagement, eine Basis. Das passt zu einer Krankenkasse und es wird sich eine Aufgabe für mich finden. Privat haben wir einen kleinen Sohnemann. Wir sind sehr glücklich mit unserer kleinen Familie und vielleicht wird sie noch größer.
Vielen Dank für die vielen emotionalen Momenten, die Sie uns beschert haben, und alles Gute!
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