| Reportage

Ein Tag mit... dem DLV-Team bei der EM-Vorbereitung in Kienbaum

Wochen der Extreme: Im Berliner Hexenkessel schlug in der vergangenen Woche das Herz der europäischen Leichtathletik. Knapp eine Woche lang sorgten die Athleten für zahlreiche Gänsehautmomente. Mittendrin die deutsche Mannschaft, die bei der Heim-EM begeisterte und vom Publikum beflügelt, mit 19 Medaillen und zahlreichen weiteren Top-Platzierungen glänzte. Zuvor genossen die DLV-Athleten die Ruhe vor den Toren Berlins, in der unmittelbaren EM-Vorbereitung in Kienbaum.
Sandra Arm

Um den Athleten optimale Bedingungen zu bieten, wurden im Vorfeld die gesamten Leichtathletik-Anlagen des Olympischen und Paralympischen Trainingszentrums in Kienbaum gereinigt. "Wir haben Weitsprungbalken ausgetauscht (Holzbretter statt Plastik), eine Hochsprunganlage angeschafft (adäquat zur Ausstattung im Olympiastadion), neue Startblöcke besorgt, Trainingsgeräte von drei IAAF zertifizierten Ausstattern wurden in entsprechender Anzahl bereitgestellt und den Physio- wie Therapieraum mit Geräten eingerichtet", macht Sportstätten-Geschäftsführer Klaus-Peter Nowack deutlich.

Auch darüber hinaus wurde an alles gedacht: "Der Leichtathletikplatz wurde täglich gemäht, um blühende Pflänzchen zu vermeiden, die Wespen anlocken könnten. Die Bitumenrunde wurde täglich gereinigt, um Verletzungen durch herabfallende Blätter und Äste zu vermeiden und an den Trainingsstätten wurden täglich gekühlte Getränke aufgefüllt."

Ein Service, den die Athleten zu schätzen wissen. Für Nadine Müller ist Kienbaum schon "das zweite Zuhause". Ob im Winter oder wie jetzt in der Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt führt sie der Weg in die Idylle der Mark Brandenburg. "Du hast hier deine Ruhe, die Wege sind kurz, es gibt eine top ausgestattete medizinische Abteilung mit Kältekammer und Eisbecken - das Essen und die Unterbringung sind gut. Deshalb kommen wir immer wieder gern hierher und bereiten uns auf die Höhepunkte vor", beschreibt die Diskuswerferin des SV Halle die Vorzüge des Sportzentrums.

Versorgung von 211 Sportlern, Trainern und Betreuern

Um sich optimal auf die Heim-EM vorzubereiten, weilte der Großteil der DLV-Athleten in Kienbaum. "Insgesamt hatten wir 211 Sportler, Trainer und Betreuer vor Ort", berichtet Klaus-Peter Nowack und liefert weitere beeindruckende Zahlen: Zum Frühstück, Mittag- und Abendessen wurden jeweils etwa 1.600 Portionen ausgegeben. Bei der Hitze half nur eins: trinken, trinken, trinken. Der Verbrauch an den Trainingsstätten lag bei circa 2.500 Liter Wasser. Beliebte Getränke waren außerdem Kokoswasser (1.000 l) und Säfte (300 l), die teilweise nachgeordnert werden mussten.

Vor knapp zwei Wochen ist Nadine Müller in Kienbaum angekommen. Nun rückt ihre Abreise immer näher. An einem Mittwoch wird sie in den Shuttle-Bus steigen, der sie mit weiteren Athleten in die pulsierende Großstadt bringen wird. Je näher der Tag rückt, umso größer wird die Vorfreude. Zusätzlich angeheizt durch die Fernsehbilder von den ersten EM-Tagen. "Noch bin ich tiefenentspannt, ich weiß, was auf mich zukommt", sagt die hochgewachsene Athletin, die vor neun Jahren bei der WM in Berlin den Durchbruch in die Weltspitze mit dem sechsten Platz schaffte. Noch genießt sie die ungestörte Ruhe abseits des Großstadtrubels. 

Optimierung der Athletenernährung

Lange schlafen kann Nadine Müller trotzdem nicht. "Ich bin jetzt nicht der Langschläfer. Ab 6:30 Uhr kannst du bei mir schon an der Tür klopfen und dir einen Kaffee abholen, wenn du möchtest", sagt sie lächelnd. Untergebracht sind die Athleten in Pavillons, in unmittelbarer Nähe zu den Trainingsstätten und zum Speisesaal. Frühstück gibt es meist zwischen 7 und 8 Uhr. Die Speiseplanung wurde im Vorfeld mit dem Deutschen Leichtathletik Verband (DLV) abgestimmt. Berücksichtigt wurden die Hinweise der Trainer, die langjährige Erfahrung des Kienbaum-Teams und die Tipps von Ernährungsberater Marcus Schall (SuperGoodFood). Das Ziel: Ein möglichst optimale, hochwertige und naturbelassene sowie unkomplizierte Ernährung.

"Anfang des Jahres habe ich Herrn Nowack kontaktiert und ihm meine Unterstützung bei der Optimierung der Athletenernährung angeboten. Daraufhin haben wir einen Ideenaustausch begonnen und einige neue Ansätze und Ideen getestet und in den laufenden Betrieb integriert", erklärt Marcus Schall, der teils in der Küche mitarbeitete und morgens verschiedene Frühstücksoptionen zubereitete. Außerdem habe er sich viel mit den Sportlern ausgetauscht und sie bezüglich der Verwendung unbekannter Produkte beraten.

Lockeres Training bei hochsommerlichen Temperaturen

Die Rückmeldungen waren durchweg positiv. "Die Sportler haben sich sehr über die neuen und teilweise sehr besonderen Optionen gefreut und das Angebot sehr gut angenommen. Viele sagten, dass sie im Trainingslager noch nie so gut versorgt worden sind", meint Marcus Schall. Die Versorgung war für das gesamte Team herausfordernd. Klaus-Peter Nowack zeigt sich zufrieden. "Nach meinen täglichen Rücksprachen mit Funktionären, Trainern und Athleten war die Vorbereitung optimal. Das Essen wurde sehr gelobt und auch die speziellen Wünsche der Athleten, wie etwa Frühstück mit Steak, wurden umgesetzt."

Es ist kurz vor 10 Uhr, die Sonne brennt erbarmungslos - und mit voller Kraft auf den Trainingsplatz der Leichtathleten. Einzelne Pavillons – auf und neben dem Platz – bieten etwas Sonnenschutz. Vor dem überdimensionalen EM-Banner schraubt sich Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre (TSV Bayer 04 Leverkusen) in die Höhe. Trainerin Christine Adams filmt die Sprünge mit dem Tablet, anschließend wird ausgewertet. Derweil drehen die Speerwerferinnen Katharina Molitor und Dana Bergrath (alle TSV Bayer 04 Leverkusen) einige Runden auf der Kunststoffbahn. Auf dem benachbarten Rasenplatz, unter den schattenspendenden Bäumen, laufen Hanna Klein und Marcel Fehr (beide SG Schorndorf 1846) einige Meter locker auf und ab.

Auf und den neben dem Trainingsplatz kommt immer mehr Bewegung: die Siebenkämpferinnen, die Hürdensprinter oder die Staffel-Jungs (4x400 Meter) absolvieren eine der letzten Einheiten, bevor es für sie am Montagmittag (13 Uhr) oder einen Tag später nach Berlin geht. Die Listen mit den Namen kleben am Fenster von Pavillon drei. Täglich gibt es einen Shuttle. Vor der Abfahrt steht Julia Trommershäuser am Bus und hakt die mitfahrenden Athleten in ihrer Liste ab. Nicht an Bord sind die Zehnkämpfer, die nach dem Frühstück vom Gelände rollten. Trotzdem sind es noch rund 30 Athleten, die das Angebot nutzen. Und das Sportzentrum wieder ein bisschen leerer werden lassen.

Servicestation DLV-Büro, EM-Lounge mit vielfältigem Angebot

Zurück im DLV-Büro geht die Arbeit für die 24-Jährige weiter. Sie sind nur noch zu zweit: Simone Fossati und Julia Trommershäuser. "Wir koordinieren die Abfahrten, die unterschiedlichen Unterkünfte in Kienbaum und Berlin, buchen Flüge, sind zuständig für die Zimmeraufteilung der Trainer und Athleten vor Ort, verstehen uns als Mittlerposition der Organisation zur Verwaltung in Kienbaum und versuchen auf individuelle Wünsche einzugehen", beschreibt sie einige der Aufgaben des Team-Managements. Gelegentlich klopft ein Athlet an der Tür, der oftmals nur seinen Namen von der Shuttle-Liste gestrichen haben will.

Nach dem Mittag kehrt etwas Ruhe ins Trainingszentrum ein. Die Nachmittagsstunden verbringen einige Athleten in der EM-Lounge, gelegen am Liebenberger See. Es gibt kostenfreie Getränke, Obst, selbstgebackenen Kuchen, Bananenbrote und Riegel. Für ein bisschen Aktivität ist ebenso gesorgt. Das Angebot reicht vom Torwandschießen, Kicker über Dart bis zum Kettcar-Fahren.

Top-Betreuung durch Physioteam, Public Viewing in der Sportsbar

Wer nicht in der gemütlichen Runde sitzt oder trainiert, der liegt auf einen der Bänke von Sanel Goran und Claudia Helmstorf. Zwei von anfänglich zwölf Physiotherapeuten, die noch in Kienbaum sind. An einem ihrer letzten Tage haben sich die Marathonis Jonas Koller und Philipp Pflieger (beide LG Telis Finanz Regensburg) in die an der Haupttür ausgehängten Liste eingetragen. Behandelt wird halbstündlich. Bei Jonas Koller ist es nichts Dramatisches. Claudia Helmstorf schaute sich bei ihm den Rücken an. "Er war muskulär ein bisschen fest, das haben wir behoben", erklärte die 34-Jährige. Ein Service, den Jonas Koller zu schätzen weiß: "Es ist natürlich super, wenn man Top-Physios hat, die einem weiterhelfen."

Mit Beginn der Leichtathletik-EM sitzen die Athleten wie Kathrin Klaas (LG Eintracht Frankfurt) vor dem großen Flachbildschirm in der Sportsbar und fiebern mit. "Ich versuche noch etwas den Abstand zu wahren und die Ruhe zu genießen", sagt die Hammerwerferin. Jeden Tag eine kleine Dosis von den European Championships aus Glasgow und Berlin steigert bei ihr die Vorfreude umso mehr. Die Vorfreude auf ihren letzten großen Auftritt bei einer internationalen Meisterschaft, die 34-Jährige beendet nach der Saison ihre Karriere. Sie erzählt von ihren Abschied in Dosen, erst im Winter am Wurfhaus, jetzt im Ring. "Ich habe überall Tschüss gesagt, überall letzte Mal gefeiert", sagt sie mit leicht brüchiger Stimme.

Das Warten hat für Nadine Müller und Kathrin Klaas am Mittwochmittag ein Ende. In diesem Moment trennen sie nur noch etwas mehr als 50 Kilometer vom Großstadttrubel und dem Berliner Hexenkessel mit einem Publikum, das sie in den nachfolgenden Tagen noch beflügeln wird. Die eine zu Silber, die andere zu einem emotionalen Karriereende. Die Wochen der Extreme haben definitiv ihre Spuren hinterlassen.

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