| Staffel-WM

Im Urlaubsflair der Bahamas zu neuen Rekorden

Sprinten, wo andere gerne Urlaub machen würden: Am Donnerstag (22. Mai) starten drei deutsche Staffel-Teams vom Trainingslager in Clermont (USA) in Richtung Bahamas – in Nassau findet am Wochenende die erste Staffel-WM der Geschichte (24./ 25.Mai) statt. Ein Großteil der Sprint- und Laufelite trifft sich auf der Karibikinsel, um die schnellsten „Vierer“ auf fünf verschiedenen Distanzen zu ermitteln. Die DLV-Quartette wollen über die 4x100-Meter mindestens ins Finale.
Pamela Ruprecht

Dafür, dass die neue Staffel-Veranstaltung die Bedeutung einer Durchgangsstation auf dem Weg zu den richtigen internationalen Höhepunkten hat, sind die Besetzungen Extra-Klasse. Eine Direkt-Qualifikation für Peking lockt: Wer es in Nassau über 4x100 und 4x400 Meter unter die ersten Acht schafft, kann sein Ticket für die Weltmeisterschaften in China 2016 lösen.

Zu diesem frühen Zeitpunkt in der Saison können sich die schnellsten Sprinter und Mittelstreckenläufer der Welt beschnuppern – aber nicht in Einzelstarts, sondern Team gegen Team. Im Fokus steht die Stabweitergabe.

Die Staffel-Wettbewerbe über 100, 200, 400, 800 und 1.500 Meter sind mit Top-Athleten ausgebucht. Wer die Startlisten durchgeht, wird nur ein paar Namen vermissen: Neben dem Sprintweltrekordler, die Amerikaner Justin Gatlin, der Weltführende über 100 Meter, und 200-Meter-Olympiasiegerin Allyson Felix, die nach ihrer Verletzungsrückkehr noch fehlt. Ebenso Derrick Atkins, der nationale Rekordhalter über 100 Meter der Bahamas.

Da waren es nur noch drei

Aus dem „Orientierungslauf“ der deutschen 4x200-Meter-Staffel der Frauen in der Weltkonkurrenz wird nichts. Aufgrund der Verletzungen von Christina Haack (TV Wattenscheid) und Anna Lena Freese (FTSV Jahn Beckum), die sie sich im Trainingslager zugezogen haben, gehen nur die Männer über 4x200-Meter an den Start. Für die 4x100-Meter stehen beide Teams - bei den Weltmeisterschaften in Moskau (Russland) sprang zweimal Platz vier heraus.

Der gesamte Sprint-Kader hat die letzten Wochen hart in den USA trainiert – am Donnerstag geht es ab auf die Bahamas. „Der Stellenwert der Veranstaltung ist hoch, weil sich alle Sprinter ganz auf die Staffeln konzentrieren können“, sagt Alexander Kosenkow (TV Wattenscheid 01) im Interview mit dem Westen.

Germany against Great Britain

Das deutsche 4x100-Meter-Quartett der Männer kann sich mit dem Ziel Finale auch für die Europameisterschaften in Zürich (Schweiz; 12. bis 17.August) empfehlen. "Man darf aber die erste Runde nicht unterschätzen. Es ist der erste Schritt. Schwer zu sagen, wie im internationalen Vergleich alle zu Beginn der Saison drauf sind", warnt Julian Reus. Der härteste europäische Konkurrent sind die Briten. Das Team rund um 60-Meter-Hallenweltmeister Richard Kilty muss allerdings auf den Youngster Adam Gemili verzichten.

Ein Grossteil der DLV-Staffel von Moskau wird laufen. Gemeldet sind der Deutsche Meister über 100 und 200 Meter Julian Reus, Christian Blum (beide TV Wattenscheid 01), Martin Keller (LAZ Leipzig), Aleixo Platini Menga (TSV Bayer Leverkusen) und Lucas Jakubczyk (SCC Berlin). Die frühen EM-Normen und der Deutsche Fast-Rekord des Berliners haben gezeigt, dass die deutschen Sprinter gut in Form sind. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir müssen auch nicht darauf hoffen, dass andere den Stab verlieren“, sagt Julian Reus.

Ein weiterer starker Gegner aus Europa ist das Team der Franzosen mit den zwei Unter-Zehn-Sekunden-Sprintern Jimmy Vicaut und Europameister Christoph Lemaitre – auch deshalb könnte die deutsche Staffel ein erstes Ausrufezeichen in Richtung Zürich setzen.

Jamaika auf Rekordjagd

Favoriten über 100 Meter sind die Staffeln aus den USA und Jamaika – ohne Bolt, aber mit Deague-Weltmeister Yohan Blake und Nesta Carter. Daneben ist die WM-Bronze-Staffel aus Kanada bis auf einen Starter mit im Aufgebot. Trinidad Tobago versucht an alte Erfolge anzuknüpfen (Olympia-Bronze 2012) und auch die Japaner fielen zuletzt durch starke Einzelleistungen auf, der 18 Jahre alte Yoshihide Kiryu mit 10,05 Sekunden.

Über 4x200 Meter peilt das jamaikanische Quartett mit Nickel Ashmeade und Warren Weir den Weltrekord an, gelaufen 1994 mit US-Sprintlegende Carl Lewis. Ein Preisgeld von 50.000 Dollar extra winkt. Die Amerikaner mit Walter Dix und Maurice Mitchell werden dabei ein Wörtchen mitreden wollen. Das deutsche Quartett um Sebastian Ernst und Robin Erewa (beide TV Wattenscheid) kann in der Disziplin zum ersten Mal international Position beziehen.

Wechsel-Probe in Nassau

Für die 4x100 Meter ist der Einsatz von Europameisterin Verena Sailer, Yasmin Kwadwo (beide MTG Mannheim), Ina Weit (LC Paderborn), Tatjana Pinto (LG Brillux Münster) und Rebeca Haase (LV 90 Erzgebirge) vorgesehen. Das erfolgreiche Team hat die Gelegenheit unter den schnellsten Staffeln der Welt, mit erhöhtem Wechselrisiko für die Europameisterschaften zu testen.

Als klarer Favorit geht die Jamaika-Staffel um Sprint-Star Shelly-Ann Fraser-Pryce ins Rennen. Die Weltmeisterinnen könnten die USA und Nigeria hinter sich lassen. Von der britischen Staffel, die in Moskau Bronze holte, steht nur mehr eine Athletin im Aufgebot von Nassau. Frankreich läuft mit der Hallenweltmeisterin im Weitsprung, Eloyse Lesueur.

Bahama-Star Chris Brown

Der Vize-Hallenweltmeister von Sopot (Polen) über 400 Meter Chris Brown ist eine der Attraktionen im Thomas-Robinson-Stadium. Er tritt mit seinem Team auf heimischem Boden an. Mit der schnellen 4x400-Meter-Staffel der Bahamas konnte er in London Olympia-Gold gewinnen. Ein Sieg wird diesmal allerdings schwer.

Enorme Konkurrenz gibt es aus den USA. Das Quartett um David Verburg hat am Schlusstag der internationalen Titelkämpfe einen Weltrekord über die Distanz aufgestellt. Allerdings ist Verburg der einzige verbleibende Starter der Rekord-Staffel, die dafür unter anderen mit Weltmeister LaShawn Merrit und Dreisprung-Olympiasieger Christian Taylor aufgestellt ist. Jamaika hat bis auf einen Läufer die gleiche Besetzung wie beim Silber-Rang in Moskau.

Bei den Frauen scheint ebenso die USA der große Favorit - mit Olympiasiegerin Sanya-Richard Ross und Natasha Hastings im Team. Dahinter bahnt sich ein Kampf um die vorderen Plätze zwischen Jamaika und Großbritannien an. 400-Meter-Weltmeisterin Christine Ohuruogu führt die britische Staffel der Medaillengewinnerinnen von Sopot an, die auch schon bei der WM 2013 Bronze gewann.

Langstrecken-Übermacht Kenia

Als einzige Nation schickt die USA für jedes Event eine Staffel. Die größten Teilnehmerfelder gibt es auf den 4x100 Metern mit 22 Männer- und 19 Frauen-Staffeln, gefolgt von den 400-Meter-Staffeln, also den WM-Strecken. In den unkonventionellen Disziplinen nimmt die Anzahl der Starter von den 4x200 Metern über die 4x800 Meter auf schließlich acht Männer- und fünf Frauen-Teams in der Meldeliste der 4x1.500 Meter ab.

Während es auf den längeren Distanzen für viele Nationen dünn wird, trumpfen die Kenianer hier mit starken Teams auf, die ihnen auf den kürzeren Strecken fehlen. Allen voran die 1.500-Meter-Staffel um 5.000-Meter-Vizeweltmeisterin Mercy Cherono mit ihrem Weltrekord Anfang des Jahres. Nach ihrem starken Auftritt in Shanghai (China) hält Hellen Obiri eine noch bessere Zeit für möglich.

Neue Bestzeiten liegen in der warmen Luft

Die kenianischen Männer um Olympiasieger Asbel Kiprop scheinen über 1.500 Meter unschlagbar. Dahinter stark: Äthiopien mit dem neuen Landesrekordhalter Aman Wote und die USA mit dem nationalen Meilen-Meister Leonel Manzano. Das polnische Team könnte mit Adam Kszczot und Marcin Lewandowski die beste je erzielte Zeit Europas attackieren (14:38,8 min) – das war eine deutsche Staffel.

Das 800-Meter-Quartett der amerikanischen Frauen startet mit der Hallenweltmeisterin Chanelle Price, begleitet von den WM-Finalistinnen Ajee Wilson und Brenda Martinez und wird mit Russland und vor allem Kenia rivalisieren. In der Männer-Staffel von Kenia läuft über 800 Meter unter anderem der U18-Weltmeister Alfred Kipketer. Hier wird die USA versuchen, dagegen zu halten.

Spannende Wettkämpfe künden sich an, wo andere gerne Ferien machen würden. Keine Spur von Urlaubsfeeling aber bei Julian Reus: „Ich bin da, um meinen Job zu machen. Und ich bin sehr gespannt, wie die Premiere wird!" Erstmals stehen die Staffeln im Rampenlicht - Rekorde liegen deshalb in der Luft. Eine Finalteilnahme für die deutschen Staffeln ist das feste Ziel der Bundestrainer Thomas Kremer und Ronald Stein. Vielleicht ist bei hohem Wechselrisiko und gelungener Stabübergabe noch mehr drin.

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