Der Mann des Jahres 2017 heißt Johannes Vetter. Souverän hat sich der neue Speerwurf-Weltmeister bei der Wahl zum „Leichtathleten des Jahres“ durchgesetzt. Wir haben mit ihm über die Bedeutung von Ehrungen und natürlich auch über das große Ziel im Jahr 2018 gesprochen.
Johannes Vetter, das alte Jahr ging mit Ehrungen zu Ende, das neue Jahr startet mit einer Ehrung: Glückwunsch zu Ihrer Wahl zu Deutschlands „Leichtathlet des Jahres“. Was bedeutet es Ihnen, von den Fans zur Nummer Eins gewählt worden zu sein?
Johannes Vetter:
Es ist natürlich eine große Ehre, vor allem da ich jetzt weiß, wie viele Menschen an der Wahl teilgenommen haben. Es ist ein super Start ins neue Jahr. Schon als ich zum „Champion des Jahres“ der Deutschen Sporthilfe gekürt wurde und auch zu „Europas Leichtathleten des Jahres“ habe ich gesagt, dass mich solche Ehrungen extrem motivieren – auch für die anstehenden harten Trainingswochen und die nächsten Wettkämpfe. Ich bin einfach glücklich, denn „Leichtathlet des Jahres“ wird man nicht gerade jedes Jahr. Man muss natürlich auch ehrlich sagen, dass ich als einziger deutscher Goldmedaillengewinner bei der WM in London den Bonus schlechthin hatte. Hätten noch mehr Athleten Gold gewonnen, wäre die Wahl vielleicht auch anders ausgegangen. Ich glaube aber, ich habe 2017 – auch mit meinem deutschen Rekord und weiteren Weltklassewürfen – gezeigt, dass ich mir das verdient habe.
Sie gehörten zwar schon vor 2017 zur Weltspitze im Speerwurf, trotzdem war Ihre Entwicklung im vergangenen Jahr bemerkenswert – besonders, da vor Ihnen mit Thomas Röhler ein Athlet lag, der fast unschlagbar zu sein schien. Wie ordnen Sie vor diesem Hintergrund den letzten Sommer ein?
Johannes Vetter:
Das ist gar nicht leicht zu sagen. Fakt ist: Deutschland hat den Olympiasieger, den amtierenden Weltmeister und insgesamt drei Athleten, die den Speer weiter als 91 Meter geworfen haben. Außerdem haben sechs Athleten die WM-Norm für London erfüllt. Das zeigt, dass der deutsche Speerwurf auch die Speerspitze der deutschen Leichtathletik ist. In keiner anderen Disziplin sind wir so gut in der Weltspitze vertreten. Das haben wir uns erarbeitet – zusammen im Team, aber auch jeder für sich alleine. Mit Boris Obergföll, der Bundestrainer und ja auch mein Heimtrainer ist, haben wir außerdem jemanden, der die Strippen im Speerwurf zieht und das ganze Gefüge zusammenhält.
Wieso klappt die Mischung aus Teamarbeit und Einzeltraining im Speerwurf so gut – besser vielleicht auch als in anderen Disziplinen?
Johannes Vetter:
Ich kann zu den anderen Disziplinen nichts Pauschales sagen, da fehlen mir die Vergleiche. Uns macht auf alle Fälle aus, dass sich die Heimtrainer untereinander bei Workshops austauschen, um eine Leitlinie zu finden, an der sich alle Speerwerfer orientieren können. Natürlich bleibt auch der Speerwurf eine Individualsportart, in der jeder letztlich sein eigenes Ding macht. Wir sind, sowohl was die körperliche Konstitution als auch was die Technik angeht, alle unterschiedlich. Von daher ist es klar, dass die Trainingspläne an jeden einzelnen Athleten angepasst werden müssen. Der Austausch untereinander funktioniert aber einfach sehr gut, auch wir Sportler können uns untereinander über das Training unterhalten und voneinander lernen. Wir wissen ganz genau, wo die einzelnen Stärken und Schwächen der Athleten liegen. Während beispielsweise Thomas Röhler mit einer sehr stabilen und filigranen Technik wirft, kommt Andreas Hofmann mit einer hohen Explosivkraft oder ich mit allgemein guten Kraftwerten. Wir unterscheiden uns, wissen aber ganz genau, dass viele Wege nach Rom führen. Uns eint außerdem das Wissen darüber, welch immense Arbeit in Würfen steckt, die 88 Meter oder weiter gehen. Dafür zollen wir uns untereinander großen Respekt.
Im Vergleich mit den anderen deutschen Speerwerfern ist Ihr Wurfstil auf jeden Fall der spektakulärste – alleine wegen der manchmal harten Landung nach den Würfen. Beschäftigen Sie sich im Training damit, sich bei der Landung nicht zu verletzten, oder passiert das intuitiv?
Johannes Vetter:
Oft ist es intuitiv. Im Training habe ich ganz selten mal Würfe, bei denen ich mich fallen lasse. Im Wettkampf habe ich einfach noch ein bisschen mehr Speed, weil das Adrenalin da ist und der Drang, den Speer noch etwas weiter zu werfen. Von daher passiert mir das dort öfter, ich schaffe es aber eigentlich immer, mich gut abzufangen. Das einzige Problem kann sein, dass ich hart mit meinem Oberschenkel oder meinem rechten Knie aufkomme, schlimmer als ein großer blauer Fleck wird es dabei aber nicht. Und blaue Flecken gehören ganz klar zu den am wenigsten schlimmen Verletzungen, die sich ein Speerwerfer zuziehen kann. Das ist vergleichbar mit einem kleinen Kratzer im Gesicht, das stört auch keinen (lacht).
Mittlerweile sind Sie schon wieder im Aufbautraining für das EM-Jahr. Wie läuft die Vorbereitung?
Johannes Vetter:
Richtig gut. Ich habe am 31. Dezember das erste Mal seit dem ISTAF wieder einen Speer in die Hand genommen und ich kann so viel verraten, dass es schon relativ weit ging. Das lässt hoffen. Mein Grundniveau ist sehr hoch, das habe ich mir im letzten Jahr hart erarbeitet. In den nächsten Wochen gilt es, weiter an der Kraft und später dann an der Spritzigkeit zu arbeiten und natürlich heißt es immer: Technik, Technik, Technik. Die größte Aufgabe ist es aber, gesund zu bleiben. Wenn das klappt, können wir wieder auf ein spektakuläres Jahr mit großen Weiten hoffen.
Glauben Sie, dass Ihr deutscher Rekord von 94,44 Metern heil durch das anstehende Jahr kommt?
Johannes Vetter:
Das lasse ich mal offen, genauso wie Spekulationen um den Weltrekord oder den 100-Meter-Wurf. Was das Training angeht, bin ich jetzt schon besser drauf als zum gleichen Zeitpunkt letztes Jahr, aber wir schauen einfach mal. 95 Meter wären natürlich eine super Sache, aber auch mit knapp über 90 Metern wäre ich zufrieden, weil das einfach ein Top-Niveau ist.
Gehen Sie mit noch mehr Selbstbewusstsein in die kommende Saison oder versuchen Sie bewusst, das Vergangene hinter sich zu lassen, um sich nicht davon beeinflussen zu lassen?
Johannes Vetter:
Es ist tatsächlich so, dass mein Selbstbewusstsein noch mehr gestiegen ist. Ich fühle mich durch die Ergebnisse des letzten Jahres nicht unter Druck gesetzt, ich weiß sowieso, dass im Speerwerfen immer viel passieren kann. Die Gesundheit bleibt das höchste Gut und wir Speerwerfer sind einfach besonders gefährdet, weil der ganze Ablauf ziemlich hart auf das ganze System geht. Mir bringt der WM-Titel nichts, wenn ich dieses Jahr nur 85 Meter weit werfe. Den Spekulationen, die dann aufkommen würden, will ich gar keinen Raum geben. Deswegen denke ich nicht daran, sehe das Vergangene als zusätzliche Motivation und nehme eine riesige Portion Selbstvertrauen mit in die kommenden Aufgaben.
Blicken wir auf das Highlight 2018: Vor Kurzem kam die Meldung, dass beim EM-Vorverkauf weiter die Rekorde gebrochen werden. 125.000 Tickets wurden schon verkauft. Kriegen Sie schon Gänsehaut, wenn Sie an ein mögliches EM-Finale im ausverkaufen Berliner Olympiastadion denken?
Johannes Vetter:
So weit denke ich noch nicht, weil der Weg dorthin noch sehr weit ist. Natürlich ist eine Medaille bei der EM mein Ziel, natürlich will ich Europameister werden. Aber ich mache mir jetzt darüber noch keinen Kopf. Wenn es dann so weit ist und das Stadion voll ist, dann genießt man das natürlich. Das war in London genauso, ein echter Hexenkessel, der einem ordentlich Feuer unterm Arsch gemacht hat. Natürlich erhoffe ich mir das von der EM in Berlin auch. Ich hoffe vor allem auf ein tolles Team-Ergebnis, um den Menschen in Deutschland zeigen zu können, wie toll die Leichtathletik ist.
Bei der WM in London haben die Tschechen Petr Frydrych und Jakub Vadlejch dem Traum vom deutschen Doppelsieg einen Strich durch die Rechnung gemacht. Erwarten Sie 2018 erneut ein deutsch-tschechisches Duell um die Spitze – sowohl bei der EM als auch das gesamte Jahr über?
Johannes Vetter:
Auf alle Fälle werden die Tschechen sehr stark sein, aber es gibt in jeder Saison auch immer wieder Athleten, mit denen man vorher nicht unbedingt gerechnet hat. Ganz sicher wird es wieder viele heiße deutsche Duelle geben und bestimmt auch Duelle mit den Tschechen, die gemeinsam mit ihrem Trainer und amtierenden Weltrekordhalter Jan Zelezny versuchen werden, uns die Suppe zu versalzen.