| Berlin 2008 – Berlin 2018

Unsere Zeitreise mit… Sosthene Moguenara (I): Vom Chaos bis zum ersten 7-Meter-Sprung

Steigen Sie ein und schnallen Sie sich an. Wir nehmen Sie mit auf eine Zeitreise. Eine Reise, die im Sommer 2008 bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften im Berliner Olympiastadion beginnt. Eine Reise, die im Sommer 2018 bei den Europameisterschaften im Berliner Olympiastadion ihren Höhepunkt finden soll. Berlin 2008 – Berlin 2018. Gestern und Heute. Now and then. In dieser Woche ist Ihre Reiseleiterin: Weitspringerin Sosthene Moguenara, Bronzemedaillen-Gewinnerin der Hallen-WM 2018.
Pamela Ruprecht

2008: Sosthene Moguenara, Sie haben vor zehn Jahren bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im Berliner Olympiastadion mit 5,96 Metern im Weitsprung den fünften Platz belegt und mit der Wattenscheider Sprint-Staffel zum dritten Mal in Serie den Titel geholt. Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Meisterschaft?

Sosthene Moguenara:
Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr an viel. Wahrscheinlich an weniger als fünf Prozent. Das ist schon so lange her, ich weiß nicht mehr, wie der Wettkampf war (lacht). Ich war damals eine ziemliche Chaotin und habe die Wettkämpfe manchmal gar nicht so richtig wahrgenommen, auch wenn ich gewonnen habe. Ich habe das alles noch nicht so ernst genommen. Es war mein Vater, der sich mehr mit meinem Sport beschäftigt hat. Mir war es vor allem wichtig, auf den Wettkämpfen meine Freunde zu treffen. Gewonnen habe ich natürlich auch gerne. Aber wenn ich verloren habe, war es auch nicht schlimm. Sowas wie Zielvorgaben gab es damals noch nicht für mich. Einfach Spaß haben, war meine Einstellung.

2009: Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig haben Sie mit 19 Jahren und 6,54 Metern gleich in Ihrem ersten Aktiven-Jahr den Titel bei den Frauen geholt. Wie überraschend war das damals für Sie?

Sosthene Moguenara:
Das war super überraschend für mich. Ich muss allerdings gestehen, dass ich einen Tag vor dem Wettkampf sogar noch feiern gegangen bin (lacht). Daran kann ich mich noch gut erinnern. Der Weitsprung der Frauen war am Sonntag und meine Trainingspartner waren mit ihren Einzelstarts schon am Samstag dran und sind abends feiern gegangen, da wollte ich unbedingt mit. Ich bin aber nicht zu spät zurückgekommen. Am nächsten Morgen habe ich mich fertig gemacht und bin ohne große Erwartungen in den Wettbewerb gegangen. Und dann war ich auf einmal Deutsche Meisterin. Das konnte ich überhaupt nicht realisieren. Meinen nächsten deutschen Meistertitel 2010 habe ich viel bewusster erlebt. Trotzdem war der erste Titel etwas Besonderes für mich, weil alle darüber gesprochen haben. Mein Vater hat dann schon angefangen über Olympia zu reden, daran habe ich noch nicht gedacht. Was das betrifft, war ich eine Spätzünderin. Eigene Ziele, die ich erreichen wollte und für die ich härter trainieren musste, hatte ich erst später.

2010: In diesem Jahr haben Sie nicht nur Ihren DM-Titel in der Halle verteidigt und bewusster erlebt, sondern sich mit neuer Bestleistung auch für Ihre erste internationale Aktiven-Meisterschaft qualifiziert. Mit welchen Erwartungen sind Sie zur Hallen-WM nach Doha (Katar) geflogen?

Sosthene Moguenara:
Ich hatte gar nicht das Ziel, wieder Deutsche Meisterin zu werden, aber ich wollte weiter springen als bisher. Ich habe mich nicht so sehr mit DM-Medaillen beschäftigt, sondern mehr mit Weiten und mir überlegt, welche Weiten ich springen will. Ich habe den Wettkampf bewusster wahrgenommen und sogar für meine Leistung gekämpft. So ist es mir im letzten Versuch gelungen, 6,75 Meter zu springen. Damit habe ich mich für die Hallen-WM qualifiziert, was für mich eine totale Überforderung war. Damit hatte ich gar nicht gerechnet, Doha war überhaupt nicht geplant. Und dann wurde es auf einmal ernst.

Die Qualifikation lief nicht gut, weil ich extrem abgelenkt war. Aber es war trotzdem eine gute Erfahrung. Ich habe gesehen, dass es eine viel größere Leichtathletik-Welt gibt als die auf nationaler Ebene. Man sieht die Konkurrenz aus der ganzen Welt und wie super die Athletinnen alle springen. Dann will man natürlich international auch vorne mitspringen können. Mir wurde klar, dass ich viel ändern muss, wenn ich das schaffen möchte: Mein Einstellung verändern, meine Ziele genauer definieren und härter trainieren. Mein Trainer [Anm. d. Red: Slawomir Filipowski] hat auch ein bisschen Druck gemacht, er wusste, dass er mit mir ein bisschen strenger sein muss. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass ich hart dafür arbeiten muss, um mir meine Wünsche zu erfüllen.

2011: Bei der U23-EM in Ostrava haben Sie hinter Darya Klishina und Ivana Spanovic Bronze gewonnen. Das war Ihre erste internationale Medaille. Was hat Ihnen das bedeutet?

Sosthene Moguenara:
Meine erste internationale Medaille hat mir sehr, sehr viel bedeutet. Ich habe sie immer noch in meinem Wohnzimmerschrank bei meinen anderen Medaillen liegen. Sie hat mir besonders viel bedeutet, weil ich wusste, wie hart ich dafür gearbeitet habe. Ich habe dafür Veränderungen in meinem Training, meiner Persönlichkeit und meinem Privatleben vorgenommen. Darya und Ivana sind heute noch meine Konkurrentinnen, wir kennen uns schon ein paar Jährchen. Mit Ivana schreibe ich privat manchmal.

2012: Mit neuer persönlicher Bestleistung von 6,88 Metern haben Sie sich in diesem Sommer nach Platz vier bei der EM in Helsinki auch für die Olympischen Spiele in London qualifiziert. Was war das für ein Gefühl, erstmals zu den Olympischen Spielen reisen zu dürfen?

Sosthene Moguenara:
Ich hatte bis dahin selber auch den Traum, einmal bei Olympia dabei zu sein und habe es geschafft. Als ich in London war, war das ein Schock: So riesig hatte ich es mir nicht vorgestellt. Das Olympische Dorf war cool, aber es waren so viele Athleten und Menschen dort und vor meinem Wettkampf war jeden Tag eine andere Action. Als ich das Olympiastadion betreten habe, war ich gar nicht mehr ich selbst. Es war, als würde ich mich selber von außen betrachten. Ich war von der Atmosphäre und den Geschehnissen im Stadion so abgelenkt. Die Qualifikation lief an mir vorbei. Ich habe stattdessen die anderen Athleten beim Laufen und Werfen beobachtet und meinen Fokus nicht gefunden. Insgesamt war es ein tolles Erlebnis, nur meine sportliche Leistung war nicht so gut. Damals war ich noch nicht so weit, es sollte einfach noch nicht sein.

2013: Sie haben in Moskau nicht nur Ihr erstes WM-Finale erreicht, sondern sind im selben Jahr zuvor in Weinheim zum ersten Mal über sieben Meter gesprungen: 7,04 Meter. War das immer Ihr großer Traum, eines Tages über die magische Sieben-Meter-Marke zu fliegen?

Sosthene Moguenara:
Natürlich. Für jede Weitspringerin ist es das Ziel, irgendwann die Sieben-Meter-Marke zu knacken. Es war ein kleiner Wettbewerb, bei dem wenig los war. Es war das Jahr, in dem ich zu Ulli Knapp gewechselt bin, intensiver trainiert habe und mit einer professionelleren Einstellung an den Sport herangegangen bin. Ich habe mir gewünscht, dass es irgendwann passiert, aber an diesem Tag hatte ich das nicht erwartet. Nach dem Sprung war ich so aufgeregt und durcheinander. Ich habe mich nach dem Wettkampf auf die Wiese fallen lassen. Meine beste Freundin kam dazu. Wir lagen zusammen am Boden, haben geweint, uns gefreut und alle Emotionen rausgelassen. Der erste Sieben-Meter-Sprung das war super krass. Ein super schönes Gefühl.

Fortsetzung:
Teil II des Interviews (2014 bis 2018): Vom Tiefpunkt bis zur WM-Medaille

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