| Diskuswurf

Shanice Craft: Im neuen Umfeld zu alter Stärke

Seit einigen Wochen trainiert Shanice Craft (MTG Mannheim) in der Hallenser Trainingsgruppe von Bundestrainer René Sack. Nach ihren Verletzungsproblemen im Vorjahr will die 26-Jährige in dieser Saison ein Wort im Kampf um die Olympia-Tickets mitreden. Die Hallenweltbestleistung beim ISTAF Indoor war schon einmal ein erster Fingerzeig, wohin die Reise gehen soll.
Philip Häfner

Shanice Craft hatte der Konkurrenz ordentlich eingeheizt, sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Immer dann, wenn der Diskus beim ISTAF Indoor besonders weit fliegt, lodern links und rechts des Sektors die Flammen auf. So war es auch bei Crafts erstem Wurf, bei dem die Scheibe am vergangenen Freitag weiter flog als jemals zuvor unter dem Hallendach (zum Video des Wurfs).

Mit 64,03 Metern stellte die Sportlerin der MTG Mannheim in Berlin eine neue inoffizielle Hallenweltbestleistung auf. Als die Weite auf der Anzeigetafel auftauchte, stieß die 26-Jährige einen Jubelschrei aus. Bereits 2015 hatte Craft an gleicher Stelle eine Weltbestleistung erzielt, damals mit 62,07 Metern, die Nadine Müller (SV Halle) allerdings im vergangenen Jahr mit ihren 63,89 Metern übertroffen hatte.

„Das hatte mich letztes Jahr echt gewurmt, dass Mülli mir den Rekord weggenommen hat“, sagt sie. „Umso schöner fühlt es sich an, dass ich ihn jetzt zurück habe.“

Weitester Wurf seit 2016

Dabei war sie selbst „ein bisschen überrascht“ darüber, wie weit es an diesem Abend hinausging. Das Training lief zwar gut, aber mit einer solchen Leistung hatte sie zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison noch nicht gerechnet. Selbst draußen hatte sie seit dreieinhalb Jahren, seit der Qualifikation bei den Europameisterschaften 2016 in Amsterdam (Niederlande), nicht mehr so weit geworfen.

„In erster Linie ist es natürlich ein Show-Wettkampf“, sagt sie. „Aber wir werfen hier unter neutralen Bedingungen, ohne Windeinflüsse, deswegen sind die Weiten schon ernst zu nehmen. Ich habe mich zurückgemeldet und den anderen gezeigt, dass sie wieder mit mir rechnen können.“

Ausrufezeichen im Kampf um die Olympia-Tickets

In den vergangenen Jahren hatte die dreimalige EM-Bronzemedaillengewinnerin immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen gehabt und ihr Potenzial deshalb selten ausgeschöpft. 2019 hatte sie sich im Trainingslager in Belek (Türkei) am Rücken verletzt und konnte deshalb erst bei den Deutschen Meisterschaften Anfang August in Berlin wieder ins Geschehen eingreifen. Die dortigen 63,22 Meter waren allerdings nicht genug, um noch das WM-Ticket für Doha (Katar) zu lösen.

„Das, was ich in den letzten Jahren gezeigt habe, war ganz sicher nicht mein Anspruch“, sagt sie. Das Ergebnis beim ISTAF Indoor war daher Balsam auf die geschundene Seele und ein deutliches Ausrufezeichen an die nationale Konkurrenz im Kampf um die drei Olympia-Plätze.

Dass die Qualifikation für die Spiele in Tokio (Japan) kein Selbstläufer wird, ist Shanice Craft wohl bewusst. Neben den letztjährigen WM-Starterinnen Kristin Pudenz (SC Potsdam), Nadine Müller (SV Halle) und Claudine Vita (SC Neubrandenburg) rechnen sich auch Anna Wierig (SC Magdeburg) und Marike Steinacker (TSV Bayer 04 Leverkusen) Chancen aus, ebenso die aus der Babypause zurückgekehrte Julia Harting (SCC Berlin). Doch Craft lässt sich davon nicht einschüchtern und schaut allein auf sich. „Mein Ziel ist es, gesund zu bleiben. Dann mache ich mir um den Rest keine Gedanken“, sagt sie.

Umzug nach Halle

Ins Olympiajahr geht die Deutsche Meisterin von 2014 und 2018 in neuem Umfeld. Seit einigen Wochen trainiert sie in der Trainingsgruppe von Bundestrainer René Sack in Halle (Saale), nachdem sie zuvor in Berlin von Marko Badura betreut worden war. „Neben privaten Gründen hat auch der Wunsch, bei mir zu trainieren, Shanice nach Halle geführt“, hatte Sack Anfang Januar gegenüber dem Naumburger Tagblatt erklärt.

Inhaltlich hat Shanice Craft allerdings nicht viel umgestellt. „Im Olympiajahr können wir uns keine Experimente erlauben“, sagt sie. „Ich trainiere weiter das, was mir in den vergangenen Jahren gut getan hat. Ich denke, das Ergebnis beim ISTAF Indoor hat gezeigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.“

Zu ihren neuen Trainingskolleginnen zählt in Halle auch die Athletin, der sie in Berlin gerade den Meetingrekord abgenommen hat: die WM-Dritte von 2015, Nadine Müller. Sie meint: „Mir hilft es, ihr hilft es, wir können uns gegenseitig pushen. Es hilft beim Werfen ungemein, wenn man jemanden hat, mit dem man zusammen draußen die Disken einsammelt.“ Craft selbst sagt: „Mich spornt das an, mit anderen zusammen zu trainieren. Da herrscht schon beim Training ein viel höheres Niveau.“

Prämienfreude, Prämienfrust

Der Effekt war beim ISTAF Indoor zu sehen. Für ihre Hallenweltbestleistung bekam Shanice Craft dort 5.000 Euro extra ausgezahlt – ein nettes Zubrot in einer Disziplin, in der die Verdienstmöglichkeiten seit dieser Saison etwas eingeschränkt sind. Der Weltverband World Athletics hat das Diskuswerfen neben weiteren Disziplinen für 2020 aus dem Programm für die Diamond League gestrichen. Die Athletinnen müssen sich nun andere Wettkämpfe suchen, bei denen die Prämien jedoch nicht ganz so üppig ausfallen wie bisher.

„Ich finde das sehr schade, dass wir ausgegliedert wurden. Und ich hoffe, dass für die Zukunft noch einmal über diese Entscheidung nachgedacht wird, weil sie aus meiner Sicht auf Dauer die Leichtathletik kaputt macht“, sagt Shanice Craft. Umso mehr freue sie sich, dass es Meetings wie das ISTAF Indoor gibt. „Ich denke, die Diskuswerfer haben gezeigt, dass wir auch einen tollen Wettkampf zeigen und das Publikum mitreißen können.“

Mehr:

Video-Clips vom ISTAF Indoor
7,07 Meter! Malaika Mihambo kommt auch in der Halle ins Fliegen

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