| Porträt

Rebekka Haase knüpft an stärkste Zeiten an

Sprinterin Rebekka Haase war am vergangenen Wochenende in Regensburg vermutlich die glücklichste Athletin auf der Anlage. Nach zwei schweren Jahren mit Fußproblemen ist die 27-Jährige mit 11,11 Sekunden nah an ihre 100 Meter-Bestzeit von 2017 herangelaufen und darf wieder von einer Olympia-Medaille mit der Staffel träumen.
Pamela Lechner

„Ich platze gerade vor Glück“, beschrieb Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) ihre Gefühlslage nach dem 100 Meter-Finale in Regensburg, das sie mit deutscher Jahresbestzeit von 11,11 Sekunden soeben gewonnen hatte. Nach ihren ersten Saisonrennen in Dresden und Wetzlar, wo sie die starken Trainingsleistungen noch nicht ganz auf die Bahn bringen konnte, war das die lang ersehnte Rückkehr in den Top-Bereich.

Wegen des guten Vorlaufs (11,21 sec) hatte sie bereits gehofft, im Finale unter 11,20 Sekunden zu bleiben. Zwischen den beiden Läufen entspannte sie mit Sonnenbrille auf der Liege im Physiozelt. „Ich musste mich einfach etwas runterfahren. Die Saison ist mehr als emotional für mich. Ich habe nach dem Vorlauf schon geheult.“ Das waren Freudentränen, die rausmussten, nach dem ganzen Frust.

„2018 war schwierig, 2019 war ich komplett raus, 2020 in der Halle lief es gar nicht“, blickt die 27-Jährige zurück. „Die vergangenen beiden Jahre waren katastrophal in vielerlei Hinsicht. Wir haben hart daran gearbeitet, dass ich wiederkomme.“ 2017 war sie ihre Bestzeit von 11,06 Sekunden gerannt – dicht an die magische 11-Sekunden-Marke. Danach folgten gehandicapt Seasons Bests von über 11,35 Sekunden. Und nun endlich mit der zweitschnellsten Zeit ihrer Karriere die gewünschte Leistungssteigerung.

In der Hallensaison noch Probleme, jetzt schmerzfrei

In der zurückliegenden Hallensaison war die fünfmalige Deutsche Hallenmeisterin über 200 Meter noch unter Schmerzen gesprintet und weit weg von dem, wo sie hinwollte. Durchgequält hat sie sich trotzdem, um Renn-Praxis zu sammeln und den Olympia-Traum am Leben zu halten – die Olympia-Verschiebung auf 2021 stand da noch in den Sternen.

Ihre langwierigen Problemstellen: Entzündete Schleimbeutel an den Sprunggelenken, hinter der Achillessehne an beiden Füßen. „Eigentlich sind meine Füße eine große Stärke von mir, weil die so viel Power haben“, berichtet sie. Dieser Antrieb wurde ihr zwischenzeitlich genommen. Umso schöner ist jetzt das Gefühl, zu spüren, dass die Füße halten und die alte Stärke zurückkommt.

Der Corona-Lockdown schenkte ihr für die Vorbereitung mehr Ruhe. Normalerweise wäre die WM-Halbfinalistin über 200 Meter von 2017 Ende April im USA-Trainingslager in die Wettkampfsaison eingestiegen, Anfang Juni standen ursprünglich die Deutschen Meisterschaften auf dem Programm. Aber ein Virus veränderte die Realität. Die Wettkämpfe begannen erst zwei Monate später.

Langjährige Zusammenarbeit mit Jörg Möckel

Für die Late Season wurden in ihrer Trainingsgruppe, die Jörg Möckel gemeinsam mit seinem Assistenztrainer Christopher Montague betreut und der auch die 400 Meter-Asse Corinna Schwab (LG Telis Finanz Regensburg) und Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz) angehören, neue, ehrgeizige Pläne geschmiedet. „Zusammen sind wir ein super Team“, sagt Rebekka Haase.  

Schon seit einer halben Ewigkeit trainiert sie bei Jörg Möckel und weiß, wieviel Energie der Sprint-Bundestrainer der Männer in ihr Comeback investiert hat. Es hat sich gelohnt. Aufgeben war keine Option. Ziel war es, wieder an die besten Zeiten anzuknüpfen. „Wir hatten 2017 gesagt, das war noch nicht das Ende der Fahnenstange.“ Doch danach ging erstmal alles schief, was schief gehen konnte. Auch ihre 200 Meter-Bestmarke (22,76 sec) blieb seither unerreicht.

Corinna Schwab als starke Trainingspartnerin

An ihrem Weg zurück hatte neben dem Trainer-Gespann und der medizinischen Betreuung auch Trainingspartnerin Corinna Schwab (LG Telis Finanz Regensburg) ihren Anteil. Die Deutsche Hallenmeisterin über 400 Meter ist seit Herbst 2018 in der Gruppe. Und Jörg Möckel schwärmt von der Wechselwirkung zwischen den beiden Athletinnen: „Corinna hat unglaublich vom Speed profitiert und Rebekka versucht, bei den Tempoläufen irgendwie dranzubleiben.“

Die Zeiten sprechen für sich: Corinna Schwab unterbot auf der Stadionrunde diesen Sommer erstmals die 52-Sekunden Marke (51,97 sec). Am Tag vor ihrem 400 Meter-Sieg (52,46 sec) in Regensburg hatte sie sich über die 200 Meter auf 23,23 Sekunden verbessert. Die erst 21-jährige wird auf den kürzeren Distanzen immer schneller und macht so in den Trainingseinheiten Druck.

„Wir sind als Gruppe zusammengewachsen. Wenn jemand einen Durchhänger hat, ziehen ihn die anderen mit, so dass wir im Training immer 110 Prozent geben“, erzählt Corinna Schwab. „Das hilft sehr und macht viel Spaß.“ Für die bayerische U23-Athletin ist Rebekka Haase mit ihrer Erfahrung zudem eine Unterstützung in jeder Lebenslage.

Die vielen Staffel-Erfolge fortführen

In den verletzungsgeplagten Jahren gab es für Rebekka Haase zumindest doch immer einen internationalen Erfolg zu feiern: 2018 bei der Heim-EM in Berlin und 2019 bei der inoffiziellen Staffel-WM in Yokohama konnte sie als Schlussläuferin der deutschen 4x100 Meter-Staffel jeweils den Bronze-Platz ins Ziel retten. 2021 will die 27-Jährige, die mit DLV-Quartetten bereits zweimal EM-Bronze und vier Podestplätze bei World Relays erreicht hat, zurück ins Staffel-Team. Ihr Traum: Den vierten Platz von den Spielen in Rio (2016) in Tokio veredeln.

„Ich wünsche mir, bei Olympia wieder mit den Mädels auf der Bahn zu stehen“, sagt sie, und erinnert sich: „Wir hatten schon echt coole Rennen. Uns fehlt aber noch so ein kleines Ding um den Hals, das wollen wir uns nächstes Jahr abholen.“ Für eine internationale Medaille auf Weltniveau müssen die Sprinterinnen alle im Einzel schnell sein, da sieht sie derzeit viel Potenzial für eine schlagkräftige Staffel.

Eine ihrer Staffelkolleginnen, Gina Lückenkemper (SCC Berlin), stand in den Krisen-Jahren besonders hinter ihr. „Gina war eine von denen, die am meisten an mich geglaubt haben“, schätzt Rebekka Haase den Rückhalt ihrer Freundin. Die beiden verbindet neben dem Sprint die Tierliebe. Während die Vize-Europameisterin über 100 Meter ein Pferd namens Picasso besitzt, wohnen bei Rebekka Haase zwei Hasen namens Fred & George. Die Beiden sind nach anstrengenden Tagen Balsam für die Seele.

Freude auf die DM – auch ohne Zuschauer

Den Fokus hat Rebekka Haase momentan voll auf den Sport gerichtet. Das gestreckte Psychologie-Studium ruht etwas und statt Querflöte im Orchester spielt sie mittlerweile zu Hause ePiano. Wichtig ist es für die musikalische Sprinterin jetzt wieder Wettkämpfe bestreiten zu können. „Wenn man sich so geschunden hat im Training, will man sehen, wo man steht.“

Dass die Deutsche Meisterschaften in Braunschweig (8./9. August) ohne Zuschauer stattfinden werden – damit kann sie leben: „Am Ende ist es trotzdem eine Deutsche Meisterschaft, die besten Deutschen werden gegeneinander antreten. Es bleibt der Nervenkitzel.“ Bei ihrer Disziplin falle das fehlende Publikum ohnehin nicht so auf: „Der Wettbewerb ist schnell vorbei und am Start herrscht Stille.“ Froh ist sie darüber, dass jede Bahn besetzt werden darf. „Das pusht im Rennen einfach zu schnelleren Zeiten.“

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